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Open Password – Montag, den 8. April 2019

# 542

 

DSGVO – Leipziger Buchmesse – Elisabeth Simon – Verlag für Bibliothekswissen – Zukunft der Informationswissenschaft – Informationskompetenz – Datenkompetenz – Wissenstreppe North – Kompetenz – W. Sühl-Strohmenger – J. Barbian – Meta-Literacy – Medienkompetenz – Deutscher Bibliotheksverband – Bibliotheken – Library Science – Information und Dokumentation – Wissensmanagement – Vorwissen – BMBF –  Informationsqualität – Digital Humanities – Forschungsdatenmanagement – Hochschule Darmstadt – Bundesanstalt für Arbeit – Data Literacy – J. Schamberger – IK-Newsletter – T. Koltay – Wissensmanagement – A. Jonsson – Content Curation – S. Dale – Text Mining – Digital Humanities – Wissenschaftlicher Dokumentar – W. Stock – Universität Trier – Center for Digital Humanities – Fachwissen – Data Scientist – C. Brauer – A. Wimmer – Max Planck Gesellschaft – American Chemical Society – ccAdvisor – EBSCO – Rzeensionszeitschriften – TomTom – TomTom GO Premium – Navigationssysteme – DOI – Kudos – Data Cite – Realeyes — Werbung – Emotionale Reaktionen – Thomson Reuters – alteryx – ONESOURCE – GfK – NIM

Briefe

 

Die DSGVO als bestmögliches Vehikel,
gute Taten zu verhindern

Lieber Willi,

es ist zwar nicht heiter, aber Dir zur Kenntnis:

Quelle Leipziger Buchmesse: Eine Vereinigung von Ärzten wollte wie in jedem Jahr eine Spende für Kinder aus geflüchteten Familien geben. Das war nur möglich, wenn alleEltern schriftlich angefragt wurden und diese schriftlich ihr Einverständnis erklärten. Die Adressen waren über das jobcenter erhältlich, allerdings nur im Prinzip. Denn das jobcener war zu faul, um die Adressen herauszusuchen. Also blieben die Kinder ohne Geschenke.

Liebe Grüße Elisabeth Simon, Verlag für Bibliothekswissen, Berlin


Zukunft der Informationswissenschaft:
Hat die Informationswissenschaft eine Zukunft?

Die Informationswissenschaft ist tot,
es lebe die Datenwissenschaft

 

In(formations)kompetenz versus Datenkompetenz 

Von Bernd Jörs

Zweiter Teil

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3.      In(formations)kompetenz versus Datenkompetenz

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Geht man auf den Stufen der North‘schen Wissenstreppe noch eine Stufe höher, gelangt man zur „Kompetenz“. In seinem aktualisierten Modell der „Wissenstreppe 4.0“ bezeichnen North et al. diese fünfte Stufe als Fähigkeit bzw. „Disposition, in einer bestimmten Situation angemessen zu handeln“, was die Vorstufen der „Mobilisierung“ von kontextabhängigem „Wissen“ und „Handeln“ bedingt. [i] „Kompetenz meint in unserer Gesellschaft die Fähigkeit eines kompetenten Umgangs mit Wissen“[ii].

Es war nur eine Frage der Zeit, dass die beiden Kategorien der traditionellen (bibliothekarischen) „Informationskompetenz“ und der neueren „Datenkompetenz“ zu Auseinandersetzungen führen würden. In ihrem Fachbuch „Informationskompetenz“ bezeichnen W. Sühl-Strohmenger und J.P. Barbian die Informationskompetenz als den „Leitbegriff bibliothekarischen Handelns in der digitalen Informationswelt“ [iii]. Unter Hinweis auf das angloamerikanische Verständnis von Informationskompetenz als Teilelement der Meta-Literacy (Information-, Media-, Digital-, Visual-, Computer-Literacy usw.) [iv] grenzen die beiden Autoren den Begriff „Informationskompetenz“ für den deutschsprachigen Raum wie folgt ab: „Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die im Umgang mit Informationsressourcen wie Bibliothekskatalogen, Datenbanken, Büchern, Zeitschriften und sonstigen Publikationen oder Materialien benötigt werden – unabhängig davon, ob sie digital im Netz oder analog in Bibliotheken, in Repositorien oder in anderen Medienspeichern verfügbar sind“ [v]. Ähnliches gilt für den Begriff der „Medienkompetenz“, mit dem man für den richtigen Umgang mit den Medien qualifizieren möchte[vi]. Der Deutsche Bibliotheksverband definiert sehr verallgemeinernd „Informationskompetenz“ als die „Fähigkeit, die es ermöglicht, bezogen auf ein bestimmtes Problem Informationsbedarf zu erkennen, Informationen zu ermitteln und zu beschaffen sowie Informationen zu bewerten und effektiv zu nutzen“. Ohnehin sehen die Bibliotheken seit jeher ihre primäre Aufgabe und Kernkompetenz darin, „Informationen über verschiedene Medienarten zu erstellen, zu strukturieren, zu verwalten, zu bewahren und natürlich auch zugänglich zu machen, Medien bereit zu stellen und die Nutzer im Umgang mit diesen Medien und den Informationen zu unterstützen“.[vii]

Die historischen Wurzeln des Begriffes „Informationskompetenz“ finden sich in der angloamerikanischen Library Science, ausgelöst von der in den 70er Jahren begonnenen Diskussion über einen professionellen Umgang mit der exponentiell steigenden Informationsflut sowie der damit verbundenen Steuerung des bibliothekarischen Bestandsmanagements, der Informationsversorgung und der Angebotsregelung. Im deutschsprachigen Raum wurden diese Erörterungen um die Einführungen zur „Information und Dokumentation“ ergänzt. Weltweit kam es zu einer Euphorie rund ums „Wissensmanagement“.

Kritisch wird es, wenn ein „über gängige bibliothekarische Standards hinausgehender … Rahmen für das Verständnis von Informationskompetenz“[viii] vorgestellt wird, zu der folgende Befähigungen gehören[ix] :

–          „Informationen und Informationsquellen als solche erkennen“

–          „Informationskontexte und deren Merkmale unterscheiden“

–          „Relevanz von Informationen beurteilen“

–          „verschiedene Informationsquellen kennen und einschätzen“

–          „wissen, wie man auf verschiedene Informationsquellen zugreifen kann“

–          „Informationen finden“

–          „Informationen kontextadäquat interpretieren“

–          „Antworten auf rechtliche und ethische Fragen geben, wobei zu beachten ist, dass nicht alle Kompetenzen für alle Menschen gleichermaßen relevant sind.“

Damit werden extrem elitäre Ansprüche erhoben, die sich unmöglich erfüllen lassen. Gerade in Bezug auf die oben behandelte Thematik der Wissensklassifikationen, wird hier eine der höchsten Stufen auf der Wissenstreppe betreten, die vor allem domänenspezifisches (Vor)Wissen als Vorstufe der „Kompetenz“ erfordert. Hier noch einen generalistisch ausgelegten Forderungskatalog an fachlichen (domänenspezifischen) Kompetenzen vorauszusetzen, also „Kompetenz zu besitzen“, in den jeweiligen Domänen „Informationen“ finden, unterscheiden, strukturieren, kontextadäquat interpretieren und vielleicht noch die Informationsgüte beurteilen zu können, ist zumindest auf Realitäts- und Fähigkeitsanspruch zu hinterfragen. Es ist also zu fragen, ob sich die Bibliotheken als „Häuser der Weisheit“ hier nicht weit überschätzen[x] . Ein ähnlich hehres Verständnis von „Informationskompetenz“ findet sich in Fachstudien, wie sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) herausgegeben werden. In einem vierten Kapitel „Umgang mit Informationen und Wissen“ finden sich die folgenden Ansinnen: „Eine Grundanforderung beim Umgang mit Informationen und Wissen in virtuellen Umgebungen ist die Fähigkeit zur Bewertung der gefundenen Informationen.“ Und: „In Bezug auf eine aktive inhaltliche Mitwirkung im Web 2.0 sind Fachkräfte gefordert, Wissen darzustellen und anderen verfügbar zu machen“ [xi]. Wie dies geschehen soll, wird nicht erläutert. So sieht die Bibliothekswissenschaft anscheinend auch keine Notwendigkeit, sich intensiver terminologisch mit dem „Informationsbegriff“ auseinanderzusetzen, überlässt dies lieber ihrer Partnerwissenschaft: der Informationswissenschaft. Stattdessen wird die „Informationskompetenz“ zum Leitbegriff erhoben. Mit ihm fokussiert man sich pragmatisch auf eher beratende Archivierungs-, Bestandsaufbau- und Beratungs-/Auskunfts-Serviceleistungen,  auf das „Informieren“ von Nutzern und ihr „Sich-Informieren“, “um damit die bibliothekarischen Felder der Auskunft, der Informationsvermittlung, der Fachinformationsdienste und des sonstigen Informationsservice einer Bibliothek, aber auch deren Ressourcen (Medienbestände und Zugänge zu Informationen) unter einen Oberbegriff zu bringen“ [xii]. Somit weisen sich die Bibliotheken eine generalistische Türsteherfunktion zu.

Noch problematischer wird es, wenn man dieses Konzept zur Informationskompetenz über den Bibliotheksbereich beinahe grenzenlos erweitert: „Erfreulicherweise wird Informationskompetenz nicht mehr so ausgeprägt auf den bibliothekarischen Sprachgebrauch und auf bibliothekarische Inhalte beschränkt“[xiii]. Und weiter: „Die Ausweitung der Beschäftigung mit Informationskompetenz auf die Gesellschaft, die Politik, die Wirtschaft, den Beruf, die Bildung, das Studium und die Wissenschaft lässt sich mittlerweile vielfach belegen…“[xiv]. So überrascht es nicht, wenn im neuen „Handbuch der Informationskompetenz“ [xv] die Thematik der „Informationskompetenz“ nicht nur auf bibliothekarische Arbeitswelten samt Leseförderprogramme (als Bestandteil der Schulung von Informationskompetenz) bezogen wird, sondern auch und vor allem auf Fragen der schulischen Vermittlung von Informationskompetenzen und auf die Einbindung der Informationskompetenz in die Lehre und Forschung der Hochschulen.

Fehlende Einheitlichkeit, nicht bestehende definitorische Eindeutigkeit, mangelnde Griffigkeit, Vielfalt der Auslegungsmöglichkeiten sowie Unverbindlichkeit der Begriffe „Information“ und „Kompetenz“, die zusammen den Begriff „Informationskompetenz“ ergeben, führen zu großen Interpretationsproblemen. Noch schlimmer wird es, wenn damit verbunden der Anspruch erhoben wird, auch noch die Informationsqualität und -güte – anscheinend für alle Informationsressourcen      kontextfrei und fachlich unabhängig – zu bewerten sowie „qualitativ hochwertige Information zu erzeugen, also Informationsqualität, sicherzustellen“ [xvi].

So beschreiben Sühl-Strohmenger und Barbian noch 2017 in ihrem Fachbuch „Informationskompetenz“ unter der Rubrik „Phänomenologie der Informationskompetenz“, was aus ihrer Sicht die „Informationskompetenz“ kennzeichnet: „(1) Seriosität von Quellen kennen, (2) Inhaltliche Relevanz, Zuverlässigkeit von Informationsressourcen beurteilen können, Selektieren von Informationen und Informationen rezipieren können, (3) Lesen und Leseverstehen fördern können (4) Informationen systematisch festhalten können, genau und differenziert wiedergeben können, ohne subjektive Wertung, (5) Exzerpieren können, um relevante Textteile auszuwählen, (6) Vorlagengetreu Informationen interpretieren können, (7) Glaubwürdigkeit der Information prüfen, bewerten, kritisch einordnen, die eigene Meinung deutlich kennzeichnen können, (8) Prüfung auf Schlüssigkeit und gesichertes Wissen sowie Vertrauenswürdigkeit der Fakten herstellen können, (9) Aufgeschlossenheit und  Aufnahmebereitschaft von Expertenwissen beherrschen können,  (10) Informationen vermitteln können, das heißt, sie müssen „didaktisch und rhetorisch so vermittelt werden, dass sie bei den Rezipienten und Lernenden in deren kognitiver Struktur ausreichend verankert sind“[xvii], (11) Information kontextualisieren, erklären und verstehbar machen können, (12) Informationen nach der Suche (Suche ohne Vorwissen?) strukturieren und in eine Wissensordnung bringen (Gliederung) sowie visualisieren können, (13) Informationstechnologien für Digital Humanities und Forschungsdatenmanagement anwenden können, (14) Informationen referenzieren können.“ In allen Fällen findet sich das „KÖNNEN“, was eher – bei gutem Willen – mit „implizitem Wissen“ gleichgesetzt werden könnte, also „Wissen, wie etwas geht“ und weniger mit explizitem Wissen, also Wissen, dass etwas soundso ist“ [xviii].

Ähnlich hehre Erwartungen wurden auch in Studien- und Prüfungsordnungen geschrieben, zum Beispiel seitens der Hochschule Darmstadt, Studiengang Information Science ab 2019: „Die Absolventinnen und Absolventen kennen und nutzen Theorien, Prinzipien, Methoden und Systeme, mit denen aus Daten Information gewonnen, strukturiert, gespeichert, verwaltet und für den Menschen aufbereitet werden. Sie können Informationssysteme, Informationstechnologien und Informationsprodukte konzipieren, gestalten und für komplexe Informationsaufgaben einführen. Sie sind in der Lage, datenanalytische, informatische, sprachtechnologische, medienwissenschaftliche, betriebswirtschaftliche und bibliothekarische Inhalte mit Methoden und Modellen der Information Science zu verknüpfen und diese mehrwertbringend in Forschung und Anwendung einzusetzen. Sie können wissenschaftliche Texte erläutern, zusammenfassen, analysieren und eigenständig verfassen“ (Hochschule Darmstadt: § 2 Qualifikationsziele des Studiengangs Information Science; Bachelor – Besondere Bestimmungen der Prüfungsordnung BBPO).

Und für den Master wird noch eins draufgesetzt: „Neben den fachlichen Kompetenzen können die Absolventinnen und Absolventen analytisch denken, komplexe Methoden und Modelle anwenden und sich kritisch und fachübergreifend mit Themen (welche Themen?) auseinandersetzen. Sie können wissenschaftliche Texte auch in englischer Sprache erläutern, zusammenfassen, analysieren und eigenständig verfassen“ (Hochschule Darmstadt: § 2 Qualifikationsziele des Studiengangs Information Science; Master – Besondere Bestimmungen der Prüfungsordnung). Das grenzt an Größenwahn, der zum Schaden für die betroffenen Studierenden in einem Universal-Dilettantismus enden muss. Was für hehre, zudem noch anscheinend domänenunabhängige und omnipotente Qualifikationsansprüche an die Bachelor- und Masterstudierenden dieser Fachrichtung Informationswissenschaft (Bibliothekswissenschaft) kommen da wiederum zum Vorschein?

Kommt in den Studiengängen der Bibliotheks- und/oder Informationswissenschaft noch die „Recherchekompetenz plus Bewertungskompetenz plus Analysekompetenz plus Darstellungskompetenz“ hinzu, diese noch einmal erweitert um „tiefgehende“ Branchenkompetenz“[xix], dann haben die Anforderungen nahezu galaktische Größen erreicht. 2005 präsentierte die Bundesagentur für Arbeit die bibliothekarisch-informationswissenschaftlichen AbsolventInnen (früher: Diplom-Informationswirt/in) dem Arbeitsmarkt wie folgt: „Ein erfolgreicher Informationswirt ist ein Generalist, der zusätzlich zu dem Informationsfachwissen die Begabung besitzt, sich für bestimmte Bereiche fundiertes Fachwissen anzueignen und einzusetzen“ [xx]. Diese Aneignung soll sich wie folgt ereignen: „Wissen bilden durch individuelle Aneignung der Information für die Erweiterung der Wissensstruktur.“

Da freut man sich, wenn sich angesichts der Vorstellung eines Alleskönners, der für alle Wissensbereiche, ohne diese zu kennen, „Informationskompetenz“ aufbringt, auch eine kritische Stimme aus der Informationswissenschaft findet: „Informationsvermittler werden … mit diesem Schritt so noch mehr zu den Universalgelehrten, die sie schon lange sind, verkommen. Leider läuft dies grundsätzlich der immer weiter voranschreitenden fachlichen Spezialisierung unserer modernen Arbeitswelt komplett entgegen“[xxi].

Welche Vorstellungen hat die „Data Science“ (Datenwissenschaft) von der „Datenkompetenz“ entwickelt? Die Informatik befasst sich, wenn sie von „Datenkompetenz“ spricht, vor allem mit Fragen der Cybersicherheit und des sicherheitsfixierten Umgangs mit dem Internet samt Deep Web und den Fragen der persönlichen Nutzung. Das ist eine nun wirklich relevante Informations- und Medien-Kompetenz. Dabei setzt „Data Literacy“ überwiegend eine domänenspezifische Vor- oder Zusatzqualifikation voraus. Im Mittelpunkt stehen zunächst die bekannten fachlich-methodischen Kompetenzen: tiefgehende mathematisch-statistische, (explorativ-)datenanalytische Methodenkenntnissen, Algorithmen- bzw. Heuristiken-Know-how, Fertigkeiten zur Formulierung und Prüfung von Hypothesen, Fähigkeiten der Datenerhebung, Skills der Datenmodellierung und Datenvisualisierung.

Was kommt hinzu? In „Data literacy for researchers and data librarians“ (übersetzt von J. Schamberger im IK-Newsletter) wird „Datenkompetenz“ wie folgt definiert: „Sammlung von verschiedenen Fähigkeiten und Kenntnissen, die es einzelnen Personen erlaubt, Daten in Informationen und in verwertbares Wissen umzuwandeln, indem man ihnen ermöglicht, auf diese Daten zuzugreifen, zu interpretieren, kritisch zu beurteilen, zu verwalten und auf ethisch vertretbare Weise einzusetzen“[xxii].

Anschließend listet Tibor Koltay mehrere dieser Daten-Kompetenzen auf und spricht von den Kompetenzen, „(a) (wissenschaftliche) Daten zu verstehen, zu nutzen und zu verwalten; (b) Daten effektiv zu verstehen und zu nutzen, um über Entscheidungen zu informieren; (c) kritisch zu denken; (d) auf Daten zuzugreifen, sie zu interpretieren, kritisch zu bewerten, zu bearbeiten und ethisch vertretbar einzusetzen.“ Ohne domänenspezifisches Know-how lässt sich aus seiner Sicht keine wirkliche „Datenkompetenz“ erlangen. Gerade das (fast gescheiterte) Wissensmanagement, so A. Jonsson, habe gezeigt: „Das aktive/produktive Wissen ist wichtiger als die Information. Du brauchst aktives Wissen, um Informationen verarbeiten und aufnehmen zu können [xxiii].

Auch die aktuell diskutierte „Content Curation“, also das „gezielte Pflegen, Entwickeln, Auswählen, Zuordnen, Interpretieren und Präsentieren von Objekten bzw. in dem hier besprochenen Fall von Daten“ [xxiv], erfordert eine einschlägige fachliche Kompetenz. Diese sollte im Normalfall durch ein Studium der Natur-, Geistes- oder Sozialwissenschaften erlangt werden, um als „digitale Kuratoren … Daten zu übersetzen, zu migrieren, in Kontext zu setzen, Verbindungen zwischen Datensätzen herzustellen sowie sicherzustellen, dass Daten in möglichst funktionaler Form gehalten werden“ [xxv]. Solche „Kuratoren müssen Experten auf ihrem Gebiet sein, nur so sind kuratorische Entscheide gültig“, worauf J. Schamberger unter Hinweis auf eine Publikation von S. Dale verweist[xxvi]. „Die Kuration – maschinell oder durch Experten etabliert – pflegt und erhöht den Wert von Wissensbeständen für die Nutzer und schafft außerdem Reputation zu einem bestimmten Themengebiet“[xxvii].

Damit ist die vor wenige Jahre noch vorgetragene Ansicht von Vertretern der Informationswissenschaft, „Informatiker würden sich nicht für Inhalte interessieren“[xxviii], widerlegt, Dies zeigen auch die Entwicklungen im Text Mining, in der Content Curation und in der Erstellung von Content-Management-Systemen.

Auch in den Digital Humanities kommt man ohne domänenspezifisches Know-how nicht aus. Ihre Vertreter sollten über Studienabschlüsse in einer geisteswissenschaftlichen Disziplin, z.B. Linguistik, verfügen und dazu möglichst Informatikkenntnisse erworben haben (Computerlinguistik). Für die Weiterqualifizierung zum „wissenschaftlichen Dokumentar“ gilt Ähnliches. „Domänenfreie“ AbsolventInnen der Bibliotheks- oder Informationswissenschaft sind dagegen von der Expertise domänenspezifisch Qualifizierter abhängig, leisten Handlangerdienste des unteren oder mittleren Managements und müssen fürchten, durch KI-Lösungen und Algorithmen ersetzt zu werden.

Das wird eher versteckt auch von Informationswissenschaftlern eingeräumt. So sagt Stock: „Um erfolgreich in den chemischen, biologischen und pharmazeutischen Spezialdatenbanken zu recherchieren, muss der IuD-Experte das Projekt des anfragenden Forschers nicht nur verstehen, er muss sich auch intensiv mit ihm darüber unterhalten können. Woher sonst sollte der Rechercheur die Ideen für die Suchbegriffe nehmen, die er für seine Wanderung durch die Datenbanken braucht?“ In einem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen (DGI) aus dem Jahr 2010 steht [xxix]: „Die effektive Benutzung der Suchmaschinentechnologie erfordert nicht weniger, sondern sogar noch zusätzliche Informationskompetenz, wenn Informationsüberfluss, Informationsdefizite und Informationsunsicherheit vermieden werden sollen“[xxx]. Was hier verschlüsselt unter „zusätzliche Informationskompetenz“ verstanden wird, kann eigentlich nur das Eingeständnis sein, dass „zusätzliches domänenspezifisches Vorwissen“ dringend benötigt wird.

Auch das aktuell expandierende Forschungsdatenmanagement kann nur durch Teambildung aus Informatikern und domänenspezifischen Fachvertretern funktionieren, wie das Beispiel der Uni Trier und deren Center for Digital Humanities zeigen. Dort arbeiten Informatiker „mit Geisteswissenschaftlern zusammen daran, für geisteswissenschaftliche Forschungsfragen digitale Werkzeuge und ganze virtuelle Forschungsumgebungen zu schaffen“. Bachelor- und Masterabsolventen ohne domänenspezifisches Know-how dürfen dort wie in der (Medien)Dokumentation die vorgegebenen Daten in die Fachdatenbanken eingeben und pflegen. „Nur wie bisher einfach die Forschungsergebnisse eines Projekts z.B. durch eine Veröffentlichung von Daten oder Artikeln zu begleiten, reicht für diese neue herausfordernde Aufgabe (des Forschungsdatenmanagements) nicht aus. Der Fokus liegt bei dieser neuen Rolle bei einem tiefgehenden Verständnis der Forschungsprozesse sowie in einem partnerschaftlichen Verhältnis zu den Forschern.“

Partnerschaftliches Verhältnis zu den Forschern? Wie könnten die jungen Bachelor- und Masterabsolventen gleichwertige Gesprächspartner für die Forscher werden? J. Schamberger hat es unter Bezug auf S. Dale und einer Mitarbeit in der „datenintensive(n) Forschung“ auf den Punkt gebracht: „Die Schwierigkeit bei der Beurteilung von Daten besteht darin, dass dies ein tiefgehendes Fachwissen voraussetzt. Neben entsprechendem Fachwissen müssen Forscher und Bibliothekare über die notwendige Datenkompetenz verfügen.“ Und weiter: „Kuratoren müssen Experten auf ihrem Gebiet sein, nur so sind kuratorische Entscheide gültig. Niemand würde für einen medizinischen Rat einen Patienten befragen, sondern wohl doch eher einen Arzt.“

Die Diskussion in der federführend von der Informatik beanspruchten „Data Science“ über das Anforderungsprofil eines „Data Scientisten“ wird intensiv geführt. So werden an Fachkompetenzen verlangt[xxxi]:

  1. a)      mathematisch-statistisches Rüstzeug (Statistik, Mathematik, Operation Research)
  2. b)      Informatik-Know-how (Programmierung, Machine Learning, Datenvisualisierung, Umgang mit Massendaten/Big Data, Datenbanken-Know-how, Data-, Text- und Web Mining, Rechnerarchitekturen, Information Retrieval, Business Intelligence/Data Warehousing, Predictive Analytics, Internettechnologien, Process Mining, Künstliche Intelligenz, Systementwicklung)
  3. c)      wirtschaftswissenschaftliche Kompetenzen (BWL, Projektmanagement, Daten-, Informations- und Wissensmanagement)
  4. d)      soziologisch-juristische Kompetenzen.

Brauer/Wimmer [xxxii] kommen auf der Basis von Erhebungen im deutsch- und englischsprachigen Raum zu folgenden Fachkompetenzen: (Informations-)Technische Fachkompetenzen, Web Analytics, Mobile Analytics, E-Business/Mobile Business, Reporting/Controlling, Projektmanagement, Social Media Analytics, Internet-KPIs, Marketing, Sales, Kundenservice.

[i] K. North, K. Reinhardt, B. Sieber-Suter: Kompetenzmanagement in der Praxis: Mitarbeiterkompetenzen systematisch identifizieren, nutzen und entwickeln, 3. Aufl. Springer Gabler, Wiesbaden; https://doi.org/10.1007/978-3-658-16872-8. (Abruf 30.6.2018).

[ii] C. Riesmeyer, S. Pfaff-Rüdiger, A. Kümpel: Wenn Wissen zu Handeln wird: Medienkompetenz aus motivationaler Perspektive, in: Medien und Kommunikationswissenschaft, 64.Jg., 1/2016, S. 36-55, S.38.

[iii] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian: Informationskompetenz, b.i.t. online innovativ, Band 67, Wiesbaden, 2017.

[iv] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S. 12.

[v] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S. 12.

[vi] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S. 12.

[vii] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S. 14.

[viii] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S. 14.

[ix] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S. 15.

[x] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S. 13; siehe W. Nerdinger (Hrsg.): Die Weisheit baut sich ein Haus. Architektur und Geschichte von Bibliotheken, München, London, New York, 2011.

[xi] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): FreQueNz. Früherkennung von Qualifikationserfordernissen, 2011 http://www.frequenz.net/uploads/tx_freqprojerg/ Summary_indProd_final.pdf  (Abruf 30.6.2018).

[xii] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S. 31.

[xiii] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S.25.

[xiv] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S.25.

[xv] W. Sühl-Strohmenger (Hrsg.): Handbuch der Informationskompetenz, 2.Aufl., Berlin, Boston, 2016.

[xvi] M. Siegel; a.a.O., S. 195–200.

[xvii] W. Sühl-Strohmenger, J.P. Barbian; a.a.O.; S. 36.

[xviii] M. Spitzer: Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. München ; Heidelberg, 2007, S. 59-78, S.62.

[xix] Sabine Graumann: Sekundärmarktforschung braucht sich im digitalen Zeitalter nicht zu verstecken; in: Planung & Analyse, Heft 4/2014). https://www.tns-infratest.com/presse/pdf/autorenbeitraege/2014_07_tns_ infratest_sekundaermarktforschung_graumann__pua_4-14.pdf. (Abruf 3.7.2018).

[xx] UNI magazin Heft 1, 2005, Bundesagentur für Arbeit.

[xxi] W. Gödert; a.a.O.

[xxii] T. Koltay: „Data literacy for researchers and data librarians“; in: Journal of Librarianship and Information Science, 2015, 1-12.

[xxiii] A. Jonsson: „Beyond knowledge management – understanding how to share knowledge through logic and practice“; in: Knowledge Management Research & Practice, 2015, Vol. 13, No. 1, 45-58).

[xxiv] K. North, R. Maier; a.a.O.; S. 5.

[xxv] J. Flanders und T. Muñoz 2012). An introduction to humanities data curation. In: Digital Humanities Curation Guide: a community resource guide to data curation in the digital humanities, 2012. https://guide.dhcuration.org/about/ (Abruf 30.6.2018).

[xxvi] Dale, Stephen: „Content curation: The future of relevance“; in: Business Information Review, 2014, Vol. 31, No. 4, 199-205.

[xxvii] K. North, R. Maier; a.a.O.; S. 12.

[xxviii] M. Rieck, a.a.O.; S.5.

[xxix] Vorstand DGI: Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis. Information und Wissen in globalen Netzen nutzbar machen, Frankfurt 2010.

[xxx] Vorstand DGI; a.a.O.

[xxxi] C. Schumann; P. Zschech, A. Hilbert, HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 4 (2016), p 453-466.

[xxxii] C. Brauer; A. Wimmer, HMD (2016), p 371-388.

Lesen Sie in der nächsten Folge: Löst die traditionelle Informationswissenschaft weitgehend auf! – Offeriert attraktive Studiengänge! – Schickt die Bindestrich-Informationswissenschaften in ihre Ursprünge zurück!

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