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Open Password – Mittwoch, den 15. März 2017

#173


Vera Münch – Branchenperspektive – Branchenberichterstattung – Brancheninteressen – Karin Frese – Online Information – FIZ Karlsruhe – FIZ Chemie – Fachinformationsanbieter – FZI Forschungszentrum Karlsruhe – PR – Wolffried Stucky – Branchenimage – Fachinformationspolitik – TIB – Predictive Analytics


2016 – 2017 

Information Professional
des Jahres:

Vera Münch


Die Würdigung

Als Protokollantin und Kommentatorin
von Events & Entwicklungen
Begeisterung über Innovationen verbreitet
und Einfluss auf die Branche genommen

Vera Münch ist für Open Password der weibliche Information Professional des Jahres.Warum fiel die Wahl auf sie? Das hat sie in unserem Interview (siehe unten) gefragt. Aber lag das nicht seit einer Reihe von Jahren nahe? Das fragten wir uns, nachdem unsere Wahl auf sie gefallen war.

Vera Münch ließ sich von der „Magie der Fachinformationsbranche“ gefangen nehmen. Nein, sie hat selbst keine Software geschrieben. Noch hat sie einen Thesaurus konzipiert. Aber sie ließ sich von den innovativen Teilen unserer Community verzaubern – von ihrer Neugier, ihrem Wissensdurst und ihrer Wissenslust, von ihrer Bereitschaft, etwas Neues zu wagen und von ihrer Freude, ein immer perfekter werdendes Produkt zu entwickeln. In ihren Berichten über neue Produkte und Dienste und die Menschen, die dahinterstehen, wurde die Begeisterung und der Enthusiasmus, der unsere Entwickler antreibt, sichtbar und in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und in unserem Rechtssystem die Lust angefacht, die neuen Möglichkeiten der Online-Welt auszuprobieren.

Auch wenn unserer Branche die technologische Pionierstellung zum Teil verloren gegangen ist, in Frau Münchs Berichten dringt weiter ihr Optimismus und ihre Aufgeschlossenheit für neue Fronten des Wissens, der Entdeckung und der Entwicklung durch. Das ist herzerwärmend, selbst wenn man nach den Erfahrungen mit der Fachinformationspolitik und als früherer Insider in mehreren Einrichtungen zu größerer Skepsis neigen mag.

Wer nimmt im Jahre 2017 noch eine Branchenperspektive wahr und vertritt Brancheninteressen? Diese Spezies ist nahezu ausgestorben, seit die zentrifugalen Tendenzen in der Informationsbranche zugenommen haben, etliche Branchenveranstaltungen den Bach heruntergingen und bei Anbietern und Nutzern auch angesichts schwieriger gewordener Rahmenbedingungen die Neigung gewachsen ist, sich nur um den eigenen Kram zu kümmern. Vera Münch ist eine der wenigen, die die Flagge der Branche hochgehalten hat. Dabei hat sie ihr „Branchenamt“ als Journalistin und PR-Beraterin auch dadurch wahrgenommen, dass sie die Perspektive ihrer Auftraggeber bei der Erfüllung ihrer Aufträge eben nicht immer 1:1 übernahm.

Hat Vera Münch Einfluss auf die Entwicklung der Branche genommen? Das geschah sicher nicht in dem Sinne, wie sich dies manche Journalisten wünschen, dass nämlich die Player der Branche auf sie hörten. Wohl nahm sie jedoch einen subtileren und womöglich gar nachhaltigeren Einfluss. Man stelle sich vor, Vera Münch als Chronistin und Kommentatorin von Events und Entwicklungen hätte es nicht gegeben. Um wie vieles ineffizienter und kooperationsunfähiger wäre unsere Branche, wenn keiner mehr von dem anderen wüsste.

Schließlich ist Vera Münch eine würdige Repräsentantin unserer Branche, soweit sie aus Freiberuflern, externen Dienstleistern, kleinen Gewerbetreibenden und Einzelkämpfern besteht. Was wäre die Branche ohne deren Flexibilität, ihrem Überblickswissen, ihrer Initiative, ihrer Fixheit und ihrem guten Willen? Wenn ich in den letzten Jahren mit Vera Münch telefoniert hatte, fand ich anschließend wieder die Kraft und die Geduld abzuwarten, dass eine größere Einrichtung mit ihren Meetings und ihren zeitraubenden koordinativen Anstrengungen an ein Ende kam. Es wurde Zeit, auch diesem Segment unserer Branche, ohne das es nicht geht, ein Denkmal zu setzen.

Vera Münch hat zum Erfolg mehrerer Branchenveranstaltungen beigetragen. Das gilt auch für die „Steilvorlagen“, wo sie einfach half statt lange Fragen zu stellen oder Rücksprachen in Aussicht zu stellen. Dank auch dafür, Vera!

Und die Kollegin Münch hat es sogar geschafft, ein weithin vergessenes Vorrecht der Freiberufler und kleinen Selbstständigen zurück ins Leben zu zaubern, nämlich einzelne Kunden abzuschaffen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Bis dahin hatte der Redakteur von Password geglaubt, dies sei sein Alleinstellungsmerkmal.

Willi Bredemeier

Frau des Jahres:
Vera Münch (2)

Mit unstillbarer Wissenslust
die Branche über die Jahrzehnte begleitet

 

Von der Magie der Fachinformationswelt

Hallo Vera. Wie hat es Dich in die Informationsbranche verschlagen? Zufällig. Aber bevor ich hier einsteige, möchte ich mich bedanken. Ich fühle mich durch die Wahl sehr geehrt. Aber wie ic h dazu komme, weiß ich nicht wirklich. Anders als alle bisher mit dieser Auszeichnung bedachten Menschen trage ich zum Fortschritt der Informationsbranche ja nicht im eigentlichen Sinne bei. Ich beobachte nur und berichte über die Ideen und Leistungen der Vordenker und Protagonisten der Branche. Nun färbt ihr Glanz auf mich ab.

Und da dachten wir, die Wahl der Redaktion spräche für sich selbst. Da müssen wir also in der Begründung noch nachlegen – wegen der vielen lobenden Worte in einem gesonderten Beitrag, versteht sich. Daran schuld, dass ich Anfang der 90er Jahre in der Informationsbranche gelandet bin, waren, wie so oft in meinem Leben, meine Neugier und mein Interesse an wissenschaftlicher Forschung und technischer Weiterentwicklung. Was mich zum Staunen bringt, zieht mich magisch an. Da will ich mehr wissen, will wenigstens ansatzweise verstehen, wie es funktioniert. Eine Agentur, für die ich über Automobil- und Verkehrsleittechnik-Forschung berichtet habe, kannte diese Leidenschaft und fragte, ob ich mich um das Thema Fachinformationen aus Online-Datenbanken kümmern könnte. Wenn ich damals geahnt hätte, wie schwer es ist, Information über Information zu verbreiten, hätte ich vermutlich nein gesagt. Aber ich hörte nur völlig fasziniert den Akustikkoppler quietschen und auf dem braunen Computerbildschirm erschienen wie von Zauberhand orangene Buchstaben und Zeichen, die in unglaublicher Geschwindigkeit Fragen beantworteten, die ich nicht einmal stellen konnte: Zum Beispiel, welcher Wirkstoff in welchen Arzneimitteln eingesetzt wird, welche Unternehmen damit Medikamente herstellen – weltweit – und wer die Patente hält. Das hat mir Dr. Kurt Imkampe vom Institut für Organische Chemie der Universität Hannover in anderthalb Stunden gezeigt. Danach war es um mich geschehen. Der Cyberspace hat mich als unerschöpfliche Informationsquelle zu jedweder Frage restlos in seinen Bann gezogen. Tut er übrigens heute noch.

Eine weitere wichtige Weiche für meinen tiefen Einstieg in die Fachinformationsbranche wurde später durch ein Einzelereignis gestellt. Dr. Karin Frese, die Chefredakteurin der ehemaligen Branchen-Fachzeitschrift „Cogito“ (Hoppenstedt), erwartete ihr drittes Kind, weshalb sie nicht mehr zur Online Information nach London fliegen wollte. Diese Veranstaltung war in den Pionierjahren der digitalen Informationsaufbereitung und -bereitstellung die wichtigste Konferenzmesse der europäischen Fachinformationsszene, auch mit starker amerikanischer Beteiligung. Sie war Pflichtprogramm für alle Branchenbeteiligten aus der Wissenschaft wie aus der Wirtschaft. Karin Frese schickte mich trotz meiner Zweifel, der englischsprachigen Veranstaltung gewachsen zu sein, für die Reportage dort hin und gab mir auch ihr volles Vertrauen mit. FIZ Karlsruhe, dem ich bei der Erarbeitung der Pressematerialien für die Online Information helfen durfte, unterstützte die Reise, die aus dem Cogito-Honoraretat nur sehr schwer finanzierbar gewesen wäre.

London hat die deutschen Teilnehmer der Online-Pionierzeit zusammengeschweißt. Man hatte die Chance, so gut wie alle Vorreiter und Protagonisten persönlich kennen zu lernen, sich auszutauschen und die internationalen Entwicklungen hautnah kennenzulernen. Diese Messe hat wichtige Grundlagen für meine spätere Arbeit gelegt und mir ganz viele Türen geöffnet.

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Die Fachinformationsprofis können noch heute Content besser als ihre Wettbewerber.
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Wie konntest Du Dich in dieser Branche behaupten? Das verdanke ich im Wesentlichen den Teams von FIZ Karlsruhe und FIZ CHEMIE. Mein tiefes Interesse für Wissenschaft und Forschung und die Bereitschaft, ständig Neues zu lernen, haben bestimmt dazu beigetragen. Aber alleine hätte das niemals gereicht. Vielmehr haben mir viele Wissenschaftler über Jahrzehnte ihr neuestes Fachwissen geschenkt, damit ich über ihre innovativen Arbeitsfelder berichten konnte. Sie haben mich in Software und Datentechnik eingeführt, mir informationswissenschaftliche Grundprinzipien und Ziele vermittelt und hochentwickelte Suchalgorithmen erklärt. Ich werde nie vergessen, wie lange es dauerte, bis ich die Ähnlichkeitssuche in Gensequenzen, die „Similarity“ bzw. „Homology“ Search begriffen habe. Die Mitarbeiter von FIZ Karlsruhe und FIZ CHEMIE haben sie mir immer und immer wieder erklärt und es war mir sehr peinlich, beim nächsten Mal wieder nachfragen zu müssen. Ich habe nie eine ungeduldige Antwort bekommen. Ich durfte beide Einrichtungen ein bis zwei Mal im Jahr besuchen. Die Mitarbeiter in der Entwicklung, im Vertrieb und im Marketing haben mir dann ihre Ideen und oft wirklich nicht leicht zu verstehenden Dienste und Dienstleistungen vorgestellt und erläutert.

Zwischen 1990 und 2005 waren das sehr oft brandneue Services für die digitale Fachinformationsgewinnung, -aufbereitung und -vermittlung. Sie lagen weit vor dem, was in den Softwareschmieden bekannt war, die z.B. die Datenbanken für die Speicherung herstellten. Sogar viele Universitäten, sofern sie keine informationswissenschaftlichen Institute hatten, konnten nicht mithalten. Die Fachinformationseinrichtungen, zu denen natürlich auch das FIZ Technik gehörte und DIMDI, fortschrittsorientierte Universitätsbibliotheken wie die UB Bielefeld und wenig später auch die Zentralbibliotheken TIB, ZBW und ZB MED, konnten etwas, was die anderen nicht konnten: Sie verstanden Content, Informationserschließung, Algorithmen und Softwaretechnik und kombinierten dieses Wissen auf das Eleganteste. Erst mit dem letzten großen Wandel der Softwaretechnik schrumpfte der Innovationsvorsprung. Neue Mitbewerber holten auf. Aber die Fachinformationsprofis können noch heute Content besser als die neuen Mitbewerber. Diese haben nur eine viel größere Wirtschaftsmacht.
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Wie sich das Forschungszentrum Informatik durch Öffentlichkeitsarbeit rettete.
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Was waren Deine erhebendsten und niederschmetterndsten Erlebnissen in Deiner PR-Arbeit? Mein erhebendstes Erlebnis war die 25-Jahr-Feier des FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe. Das Transferinstitut für Anwendungen der Informatik stand wenige Jahre davor politisch zur Diskussion, weil die Fördermechanismen den Geldgebern nicht mehr passten. Das Institut publizierte bis dahin zwar sehr viele wissenschaftlichen Beiträge, aber für sich selbst als Einrichtung machte es keine Werbung, schon gar keine strategische PR. Deshalb wussten die wenigsten Außenstehenden, was ‚die da‘ eigentlich machen.

Zu der Zeit wurden in der ganzen Republik händeringend Ideen gesucht, wie man wissenschaftliche Ergebnisse aus der Informatik-Forschung der Universitäten in praxisgerechte Anwendungen für die Wirtschaft übertragen könnte. Das FZI tat damals schon seit fast zwanzig Jahren genau das – und mit bestem Erfolg. Plötzlich wurden die Sinnhaftigkeit und damit die Existenz der Einrichtung in Frage gestellt. Professor Dr. Wolffried Stucky vom Institut AIFB der Uni Karlsruhe (jetzt KIT), das ich seit 1998 bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen darf, schlug seinen Kollegen im FZI-Vorstand ein PR-Konzept vor, um die Leistungen des FZI für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Es wurde erarbeitet und mit großem Elan umgesetzt.

Fünf Jahre später sprachen Repräsentanten aus Politik und Verwaltung anlässlich der 25-Jahr-Feier vom „FZI als Vorzeigeinstitut für den Technologietransfer“. Ich glaube, an diesem Tag hatte ich den ganzen Tag ein breites Lächeln im Gesicht.

Diese Geschichte hängt eng mit der niederschmetterndsten Erkenntnis meiner Laufbahn zusammen, auch wenn es in diesem Fall nicht die erste dieser Art war. Als ich bei der Entscheidung zur Abwicklung von FIZ CHEMIE erkannte, dass Förderentscheidungen oft überhaupt nichts mit inhaltlicher Kompetenz zu tun haben, sondern politischen Absichten gehorchen, hat mich das zutiefst entsetzt. Bis dahin glaubte ich, es ginge immer um die Sache und Fakten würden entscheiden.  ________________________________________________________________________

PR als Nischenspiel zwischen Eingeweihten, das nach außen nicht wirkt.
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Macht die Branche nicht zu wenig PR? Oder vielleicht besser gefragt: Macht sie überhaupt PR? Ist das, was sie tut, nicht ziemlich verbesserunswürdig? Zurückgefragt: Was soll die Branche denn durch PR bewerben? Was verkauft sie denn? Software? Datenbanken? Informationssysteme? Informationsdienste? Informationsdienstleistungen? Und wozu ist das alles gut?

Das Problem der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für die Informationsbranche ist ihr Angebot: Information. Wie informiert man über den Wert von Information, die zumal kein Endprodukt, sondern immer ein Zulieferprodukt ist. Die Informationen, die unsere Branche anbietet, bilden die Basis für ganz viele darauf aufbauende Entscheidungen, sei es für die Wissenschaft, die Bildung, die Forschung oder die Geschäftsführung. Aber die gelieferte Information ist immer ein Zwischenprodukt, ein Halbzeug.

In den dreißig Jahren, die ich die Branche nun begleite, ist es ihr nicht gelungen, einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen, welchen Wert ihre „Zulieferteile“ für die wissenschaftliche und technische Weiterentwicklung und die wirtschaftliche und politische Entscheidungsfindung haben. Warum? Ich glaube, weil es einfach kein definiertes Selbstverständnis darüber gibt, was sie der Welt zu bieten hat. Auch die Branchengrenzen sind sehr unscharf. Wer gehört dazu? Fachinformationsanbieter, Verlage, Informationsdienstleister, Broker, Bibliotheken?

Die Frage müsste also nicht lauten, ob die Branche zu wenig PR macht, sondern: Was ist ihr Selbstverständnis? Was hat sie der Welt zu bieten? Erst wenn das geklärt ist, wird PR sinnvoll möglich und effektiv wirken.

Meine Antwort lautet also: Ja, die Branche macht PR, aber nicht durchgängig, zu wenig und nicht strategisch. Dabei funktioniert die PR innerhalb der Branche, wie wir sie heute eingrenzen, ganz gut. Aber sie ist ein Nischenspiel zwischen Eingeweihten, das nicht nach außen wirkt.

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Wir werden die Schließung von FIZ Chemie noch bitter bereuten und teuer bezahlen.
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Nachdem Du jahrzehntelang diese Branche begleitest hast, was lief in ihr gut, was begeistert Dich noch im Nachhinein? Ihre permanent hohe Innovationsfähigkeit hat mich immer sehr beeindruckt. Die eine Entwicklung war noch nicht ganz umgesetzt, da kamen schon die nächste und die übernächste und die überübernächste. Das war natürlich auch getrieben von der weltweiten dynamischen Entwicklung des Internets. Aber die Branchenteilnehmer ließen sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Sie nahmen, soweit ich das beobachten konnte, neue technische und methodische Möglichkeiten mit Begeisterung an und entwickelten darauf aufbauend Werkzeuge zur bestmöglichen Nutzung der wertvollen Inhalte ihrer Datenbanken und Informationspools. In den 90er und 2000er Jahren hat die Fachinformationsbranche vorgegeben, was Innovationen im Bereich der digitalen Informationsgewinnung, Informationsaufbereitung und Informationsbereitstellung sind und wie man digitale Inhalte durch starke Algorithmen, Softwaresysteme und Services veredelt.

Was hätte besser laufen sollen oder können? Die Entwicklung wäre sicher besser gelaufen, wenn es ein weitsichtigeres politisches Konzept gegeben hätte. Anderseits muss man den Entscheidungsträgern zugutehalten, das niemand von uns vor dreißig Jahren die unbeschreiblich dynamische Entwicklung des Internets, des World Wide Web und der Mobiltechnologie vorhersehen konnte. Das Fachinformationsprogramm 1990 – 1994 der Bundesregierung war gar nicht so schlecht. Es wurde nur leider nicht konsequent umgesetzt, sondern immer wieder modifiziert und die Ausrichtung geändert. Im Nachhinein betrachtet waren aus meiner Sicht so manche Entscheidungen, die bei diesen Aktualisierungen getroffen wurden, einfach falsch. Ich bin z.B. immer noch fest überzeugt, dass wir die Schließung von FIZ CHEMIE – entschieden übrigens gegen die Empfehlung der wissenschaftlichen Beiräte – noch bitter bereuen und teuer bezahlen werden.

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Technische Informationsbibliothek als Einrichtung des Jahres – Predictive Analytics als Jahrestrend.
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Wenn Du auf 2016 zurückblickst, wen hättest Du zum Trend, zur Person und zur Einrichtung des Jahres gewählt? Als Einrichtung des Jahres hätte ich die TIB gewählt. Sie hat sich zu einem Fachinformationszentrum für digitale und audiovisuelle Medien weiterentwickelt; Schritt für Schritt, aber mit langfristiger Zielsetzung und großer Ausdauer, und, ganz wichtig, die TIB hat dabei die ursprünglichen Aufgaben der Literaturversorgung im Printbereich in keiner Weise vernachlässigt. Die Aufstockung der Forschungsabteilung der TIB, die zum Jahresanfang in ein anderes Gebäude gezogen ist, weil es in den alten Räumen zu eng wurde, ist der beste Indikator dafür, dass die Führungsriege der TIB schon vor Jahren erkannt hat, wohin die Reise der Fachinformationsversorgung für die Wissenschaft und die Wirtschaft gehen wird. Weil es aber noch keine fertigen Lösungen zur Organisation gab, hat es sich die Bibliothek selbst zur Aufgabe gemacht, welche zu schaffen. Dabei sind sehr spannende und zukunftsträchtige Lösungsangebote entstanden. Beispiele sind das von der TIB federführend angeregte „DataCite“-Konsortium zur Organisation der internationalen Vergabe von DOIs (Digital Object Identifiern) für Forschungsdaten, der Aufbau des Kompetenzzentrums für nicht-textuelle Materialien und die Einrichtung einer Professur für Visual Analytics.

Ich könnte für 2016 keine Einzelperson benennen, die federführend herausragende, wegweisende Ideen oder Entwicklungen auf den Weg gebracht hat. Das liegt vermutlich auch daran, dass heute die großen Aufgaben von Teams angepackt werden müssen.

Der große Trend 2016 waren nach meiner Wahrnehmung Predictive Analytics, Vorhersagen, die aus großen Datenmengen abgeleitet und in interaktiven Grafiken wie Forschungslandkarten (Heatmaps) visualisiert werden. Das klingt für Fachinformationsprofis fast lächerlich, denn das machen sie seit Jahrzehnten. Geändert haben sich die Datenpools, die zur Analyse herangezogen werden. Es werden nicht mehr nur die großen Fachdatenbanken von Hosts wie STN International, Thomson Reuters, ProQuest Dialog und GBI Genios oder die Verlagsangebote von Elsevier, Springer, Wiley, Beck usw. analysiert. Jetzt ist das gesamte World Wide Web Datenlieferant für Informationsanalysen jedweder Art. Das setzt ein großes Fragezeichen hinter die Qualität der Aussagen und wird uns sicher 2017 viel beschäftigen.

Der internationale Markt für Big-Data-Analytics-Werkzeuge ist nicht mehr überschaubar. Fast täglich tauchen neue Webseiten für cloudbasierte Datenanalyse aus dem Netz auf. Die jüngsten gehen schon einen Schritt über die Analyse hinaus. Sie leiten aus den Analyseergebnissen automatisch Handlungsempfehlungen ab. In der Logistik gibt es solche Softwarewerkzeuge schon länger, aber für Analysen aus unstrukturierten Daten sind diese „Prescriptive Analytics“ ziemlich neu.  Und trotz aller Fragezeichen sind viele der aus unstrukturierten Daten oder gemischten Datenpools abgeleiteten Analyseergebnisse verdammt gut.

Und was kommt demnächst auf uns zu? Jetzt geht der Kampf um die Inhalte so richtig los, und zwar mit den alten und ganz vielen neuen Mitbewerbern. Der Data-Analytics-Hype bringt Mitbewerber aus allen Ecken und Enden der Welt und aus ganz verschiedenen Branchen. Global agierende Unternehmensberatungen wie PWC treten immer stärker als Berater für Informationsgewinnung, Informationsmanagement und Analytics auf. Auch Telekommunikationsunternehmen, Konzerne und die IT-Industrie stecken ihre Claims auf dem Informationsmarkt der Zukunft ab. Sie alle haben verstanden, dass Inhalte und Softwaresysteme für ihre Aufbereitung zusammengehören und dass großes Potential für Innovation in intelligenter Nutzung von Information liegt. Gegen die Marktmacht der neu hinzukommenden Unternehmen kommt die traditionelle Fachinformationsbranche nicht an. Es wäre klug, Konzepte für Kooperationen zu entwickeln, mit denen sie sich als Zulieferindustrie für Qualitätscontent unverzichtbar macht. Für den Informations-Direktverkauf wird die eigene Kraft nicht reichen. Selbst die großen STM-Verlage brauchen sehr gute Ideen, um die Verwerfungen auf dem Markt für Fachinformationsversorgung einigermaßen unversehrt zu überstehen.

Rückblick 2016 – Ausblick 2017

Die Gewinner des Jahres

 

Trend des Jahres

Die Verwandlung des Internets                           Statement von Redaktion Open
in Fake News, Hass, Shitstorms,                          Password, am 9. Januar erschienen,
Manipulation, Cyber War und                             (#142)
Verfestigung autoritärer Regime

Postfaktizität

Die Entwicklung zur                                           Beitrag von Marc Sander
postfaktischen Gesellschaft                                am 12. Dezember erschienen (#138)

Postfaktische Wellnessblase                               Beitrag von Dieter Schumacher
am 9. Januar erschienen (# 142)

–                                                                                                                                                                                               Beitrag kommt in Kürze

–                                                                         Beitrag kommt in Kürze

Information Professionals des Jahres

Guido Heinen, Leiter der wissen-                       Tagungsbericht „Steilvorlagen“
schaftichen Dienste des Bundestages                 am 16. Januar erschienen

Rudolf Mumenthaler, Prof. Library                    Beitrag am 17. Februar erschienen (#164)
Science, HTW Chur                                                                      

Vera Münch, Branchenjournalistin                   Beitrag am 15. März erschienen (#173)

Oliver Fiechter und Philip Löpfe,                       Rezension von Stephan Holländer
Autoren von „Aufstieg der digitalen                   12. Oktober erschienen Stammesgesellschaft“

Einrichtung des Jahres

ZB MED                                                              Interview mit Interim-Direktor
Dr. Dietrich Nelle am 7. Februar  erschienen
– im gesamten Jahr 2016 fortlaufende
Berichterstattung (#159)

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