Open Password – Dienstag, den 15. August 2017
#239
Informationsbranche – Matt Donahue – Guido Schenk – Dow Jones News – Factiva – Informationspolitik – Google – News Corp. – GBI-Genios – LexisNexis – Handelsblatt – Frankfurter Allgemeine Zeitung – Flatrate – Google – Offenes Web – Marketing – Informationszentren -Training – Informationskompetenz
Zur Lage der Branche
Ein Blick auf die Informationswelt
nach den Herausforderungen der letzten Jahre
Ein Gespräch zwischen Matt Donahue,
Guido Schenk und Open Password
Eine Informationsbranche, die von
aktuellen politischen Kontroversen
verschont geblieben ist
In einem „Uphill Struggle“
jede neue Führungskraft
mit Qualitätsargumenten überzeugen
Bei InfoPros hat Bereitschaft zum Training
stark nachgelassen
Von Willi Bredemeier
Wie ist die Informationswelt nach den Herausforderungen der letzten Jahre beschaffen? Aus einem Gespräch zwischen Matt Donahue (Factiva Management vom New Yorker Headquarter), Guido Schenk (Dow Jones News GmbH/Factiva Deutschland) und Open Password.
Wie sieht ein Informationsanbieter die für ihn relevante Welt, und wie antwortet er auf die dort wahrgenommenen Herausforderungen? Stellen im Jahre 2017 die Konkurrenten oder die Kunden oder die Informationspolitik die für ihn zentralen Problemgrößen dar?
Diese Frage lässt sich zumindest teilweise eindeutig beantworten: Die Informationspolitik ist es nicht. Zwar werden die politischen Aufregungen um Datenschutz, Datensicherheit und Urheberrechte auch im New Yorker Headquarter von Factiva aufmerksam zur Kenntnis genommen, und selbstverständlich weiß man dort, dass Probleme des Datenschutzes und der Datensicherheit in Deutschland stärker und in der Tendenz anders gewichtet werden als in der amerikanischen Politik und Öffentlichkeit.
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Die Informationsbranche: Statt einer Beteiligung an politischen Kontroversen eine B2B-Kommunikation auf Inseln hochwertiger Qualität
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Aber von diesen Kontroversen sind Dow Jones und Factiva, auch wenn es sich um einen amerikanischen Anbieter handelt, unberührt geblieben, weil die Informationen, über die die klassischen Informationsanbieter verfügen, weitgehend öffentlich sind, weil Factiva seine Nutzer (statt wie Google die Werbekunden) zufriedenstellen muss und anders als die Internet-Konzerne nicht an einem Handel mit Kundendaten interessiert ist, weil News Corp. beim Wall Street Journal ebenso wie bei Factiva voll akzeptiert hat, dass mit den angeschlossenen Objekten vor allem dann Geld verdient werden kann, wenn man diese professionell arbeiten lässt, weil Urheberrechtsprobleme von vornherein geklärt sind und weil den Business-Kunden von Factiva an entscheidungsrelevanten Informationen für ihr Unternehmen und nicht an einer Beteiligung an politischen Kontroversen gelegen ist.
So gesehen findet die B2B-Kommunikation zwischen Factiva und seinen Kunden (wie auch die B2B-Kommunikation der anderen Informationsanbieter) nach wie vor auf von der Politik weitgehend abgeschotteten Inseln hochwertiger Qualität statt.
Das sollte einmal eine ausdrückliche Hervorhebung wert sein, wenn man sich beispielsweise an die folgenden Ereignisse und Entwicklungen erinnert: die seinerzeitigen Kontroversen um den Axel-Springer-Verlag – die Eliminierung moralischer Standards in Teilen der britischen Boulevardpresse vor wenigen Jahren – die derzeit laufende Verwandlung des Internets in eine Agglomeration aus tendenziöser Berichterstattung mit Hass und Vorurteilen als wichtigen Treibern – die fortlaufende Berichterstattung über die Informationsbranche mit skeptischen Untertönen, soweit sie denn stattfindet.
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Vor drei Jahren die strategische Entscheidung getroffen, auf die Flatrate zu setzen.
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Aber bei den Konkurrenten und Nutzern fallen die Antworten weniger eindeutig aus.
Die anderen klassischen Informationsanbieter: Das beginnt mit der Frage, mit welchen Konkurrenten es Factiva vorzugsweise zu tun hat. Vor dem Siegeszug des World Wide Web und dem Aufstieg der Suchmaschinen wäre die Frage eindeutig zu beantworten gewesen. Dies waren vor allem die anderen klassischen Informationsbieter, derzeit in Deutschland also GBI-Genios und auf den internationalen Märkten LexisNexis. Nicht, dass dieser Wettbewerb obsolet geworden wäre. Factiva sieht sich hier auf dem deutschen Markt gestärkt, seit es die beiden wichtigsten Quellen für hochqualitativen Wirtschaftscontent, das Handelsblatt und die Frankfurter Allgemeine Zeitung, anbietet. Auf den internationalen Märkten nimmt Factiva seinen Wettbewerber LexisNexis durchaus ernst, sieht sich aber bei der Informationsversorgung durch Nachrichten und darauf aufbauenden Analysen nach wie vor als Marktführer.
Qualitativ hochwertiger Content bleibt King, aber der Wettbewerb wird weiterhin auch in anderen Bereichen ausgetragen, weniger als in der Vergangenheit mit neuen Funktionen, mehr als in früheren Jahren mit kompletten Lösungen und durchaus auch bei der Preisgestaltung. Vor drei Jahren traf Factiva die strategische Entscheidung, bei der Preisbestimmung die Option einer Flatrate einzuführen, wohlwissend, dass es für jede Preisfestsetzung Vor- und Nachteile gibt. Hingegen präferiert GBI-Genios nach wie vor die Bepreisung der Einzelrecherche, während LexisNexis zwischen dem Modell von Factiva und GBI-Genios liegt.
Als Vorteile einer Flatrate für die Kunden führt Factiva an, dass diese Planungssicherheit schaffe und Mitarbeiter von möglicherweise wichtigen Einzelrecherchen nicht abgehalten werden. Was ist mit dem Gelegenheitsnutzer und dem Nutzer mit kleinem Budget, könnte Open Password hier fragen. Aber wir vertiefen diese Frage nicht.
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Die starken Argumente der klassischen Informationsanbieter müssen in einem „Uphill Struggle“ immer wieder neu durchgesetzt werden. ________________________________________________________________________
Google und die unabhängigen Informationsanbieter im Internet: Aber natürlich bleibt der stärkste Wettbewerber der klassischen Informationsanbieter Google, der auch vielen Information Professionals in der Einstiegsrecherche dient und bei kleineren Alltagsproblemen durchaus richtige und intelligente Lösungen liefern kann. Aber bei komplizierten und strategischen Unternehmensentscheidungen auf Google bauen? Hier befinden sich die klassischen Informationsanbieter in einer starken argumentativen Position, da sie anders als Google valide Ergebnisse und im Ranking stabile und von vornherein relevante Resultate liefern. Zudem finden sich viele wichtige Wirtschaftsinformationen nicht im offenen Web.
Es ist auch nicht so, dass die Informationsanbieter mit ihren Argumenten beim Kunden nicht durchdringen. Sonst wären sie ja vor Jahrzehnten untergegangen. Allerdings ist es so, dass der Beweis der überlegenen eigenen Qualität und der Nachweis der eigenen Spezifität, nämlich valide Ergebnisse zu liefern, gegenüber jeder neuen Managementgeneration, ja, gegenüber jeder neuen Führungskraft ein weiteres Mal geführt werden muss. Nicht in jedem Fall sind die Controller und Herrscher über die Budgets für die Informationsanbieter zu erreichen. Und natürlich kann nicht jedes Überzeugungsgespräch gelingen, zumal da sich ein Verzicht auf hochwertige Information für das Unternehmen womöglich erst längerfristig und unbemerkt auswirkt.
Dies ist der Grund, warum Password seit Jahrzehnten wiederholt zu gemeinsamen Marketing-Offensiven von Informationszentren und Informationsanbietern aufgerufen hat.
Dieser „Uphill Struggle“ wird nicht dadurch erleichtert, dass die Kunden von Factiva trainingsunwilliger geworden sind – dies auch deswegen, weil die Hektik im Zuge der Globalisierung zugenommen hat und Zeit innerhalb der Unternehmen knapper geworden ist. Vor zehn Jahren wurden zweitägige Seminare mit Erfolg durchgeführt, auf denen die neuen Produkte und Funktionen von Factiva vorgestellt wurden. Heute ist solches keine Möglichkeit mehr, allenfalls eine Erinnerung oder ein Traum.
„Informationskompetenz“ ist ein häufig verwendeter, schwammig gewordener Begriff, so dass er durch konkretere Begrifflichkeiten abgelöst werden sollte. Aber sollten Führungskräfte und Bürger nicht zwischen verschiedenen Informationsqualitäten unterscheiden lernen, und sollte man damit nicht bereits in der Schule, spätestens an den Hochschulen beginnen? Solches würde die Effizienz unserer Einrichtungen steigern und uns vor populistischen Versuchungen besser bewahren.
Andererseits führt der Wettbewerb mit Google für die klassischen Informationsanbieter dazu, Online-Recherchen einfacher zu machen und für weitere Mitarbeitergruppen attraktiver zu gestalten – dies bei voller Aufrechterhaltung des Qualitätsanspruchs.
Lesen Sie in der nächsten Folge: Jede neue Paywall eines Fachverlages schwächt die Position von Google – Die klassischen Informationsanbieter vor der Auseinandersetzung mit Disruptoren – Aufstieg der semiprofessionellen Nutzer
Briefe
Natürlich künstlich – Intelligenz
im Informationsworkflow
„Natürlich künstlich – Intelligenz im Informationsworkflow“ lautet das Motto der vfm-Frühjahrstagung im nächsten Jahr.
Wann: 9. bis 11. April 2018
Wo: im Haus der Geschichte in Bonn
Bitte merken Sie sich den Termin vor. Die offizielle Einladung zur Tagung mit dem Link zur Anmeldung erhalten Sie Ende Februar 2018. Unsere Website mit der Serviceseite zur Tagung wird laufend aktualisiert.
Auch für diese Tagung haben Sie wieder die Möglichkeit, in unserem Call for Papers bis zum 30. September Vorschläge für Tagungsbeiträge aus Praxis oder Wissenschaft der Medieninformation und -dokumentation einzureichen.
Weitere Informationen entnehmen Sie dem CfP auf der Tagungsseite http://www.vfm-online.de/tagungen/2018/call.pdf
Wir freuen uns auf Ihre Beiträge, auf eine spannende Tagung und auf Sie.
Mit freundlichen Grüßen Ralph Schmidt
vfm – Verein für Medieninformation und Mediendokumentation,
www.vfm-online.de
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