Open Password – Donnerstag,
- Juli 2018
# 405
FIZ Karlsruhe – Evaluierung – Eigenfinanzierung – STN International – Leibniz Gemeinschaft – Senat – Senatsausschuss Evaluierung – Publikationen – Fachinformationszentren – Restrukturierungen – Professoralisierung – Forschung – Bundesministerium für Forschung und Technologie – KnowEsis – Kulturelles Erbe – Entwicklung – Beratung – Informatik – Rechtswissenschaft – Plattformstrategie – KIT – Gender-Politik – IT-Kräftemangel – Symbiose mit Hochschulen
FIZ Karlsruhe
Evaluierung und weitgehenden Strukturwandel mit „gut“ bis „sehr gut“ bestanden
Fremdkörper „Eigenfinanzierung“ und
„STN International“ langfristig
vor dem Aus?
Der Senatsausschuss Evaluierung der Leibniz Gemeinschaft ist in seinem Bericht über FIZ Karlsruhe zu positiven bis sehr positiven Bewertungen gekommen. Der Senat hat sich den Beurteilungen und Empfehlungen der Bewertungsgruppe angeschlossen, ohne Bewertungen zu verändern oder andere Prioritäten zu setzen. Die Genehmigung der Weiterförderung dürfte demnach eine Formsache sein.
In starkem Kontrast zu den teils sehr kritischen Aussagen in Evaluierungsberichten der vergangenen Jahre und dem teils voluntaristischen Umgang des Senates mit Bewertungsberichten stehen der jetzige fast vollständige Verzicht auf kritische Anmerkungen, mindestens aber die Verpackung der Kritik in diplomatischen Formulierungen. Das liest sich beispielsweise bei der Stagnation der Publikationen von FIZ Karlsruhe seit mindestens sieben Jahren, wo eine deutliche Kritik möglich gewesen wäre, so:
„Die Ergebnisse in Forschung und Entwicklung werden nicht ausschließlich für die Optimierung der eigenen Dienste eingesetzt, sondern auch publiziert. Die Leistung im Bereich der wissenschaftlichen Veröffentlichungen entspricht mit Blick auf Qualität und Umfang der Situation vor sieben Jahren, die damals als gut, aber verbesserungsfähig eingeschätzt wurde. Es wird erwartet, dass vor allem die Einrichtung der beiden neuen Professuren mit ihren Arbeitsgruppen künftig zu einer Steigerung der wissenschaftlichen Publikationsleistung führt. Insgesamt gesehen wird die Kernaktivität Forschung als gut bewertet“(Bewertungsbericht, B-17).
Dass die Begutachter es gut mit FIZ Karlsruhe meinen, zeigt sich auch daran, dass sie mit positiven Bewertungen geradezu um sich werfen, dies beispielsweise auch dort, wo ein deskriptiver Hinweis ausgereicht hätte (aber womöglich der uninformierte Leser fälschlicherweise zu einer kritischen Haltung hätte kommen können). Der seinerzeit sich manchmal vom Bewertungsbericht entkoppelnde Senat zeigt sich diesmal so zahm, dass er auf eigenständige Entscheidungen verzichtet und seine „Entscheidung“ einer Kurzfassung des Bewertungsberichtes gleicht.
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Die Fachinformationszentren in zwei weitgehenden Restrukturierungen: Hin zu mehr marktwirtschaftlicher Orientierung – Hin zu rein öffentlich finanzierten Semi-Forschungsstätten.
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Demnach scheinen die Voraussetzungen für ein gedeihliches Zusammenwirken zwischen den Leibniz-Instituten und ihren Prüfern besser geworden zu sein, nachdem der strukturelle Wandel der wissenschaftlichen Bibliotheken und Fachinformationszentren zu „Semi-Forschungseinrichtungen“ in enger Symbiose mit benachbarten Hochschulen zumindest grundsätzlich vollzogen zu sein scheint und eine konkrete Erörterung von Zusammenhängen zwischen den Kernaktivitäten der Leibniz-Einrichtungen und ihrer Forschung möglich geworden ist. Diese Entwicklung verlangte auch FIZ Karlsruhe einen weitgehenden, zeitraubenden und weiter anhaltenden Wandel ab, was der Bewertungsbericht wie folgt würdigt:
„Strukturell wurde die Empfehlung der letzten Evaluierung zum Ausbau der Forschung sehr erfolgreich umgesetzt. Es ist nachvollziehbar, dass eine Reihe von grundlegenden Entscheidungen erst im Oktober 2016 abgeschlossen werden konnten. Sie erreichten von der Erweiterung des Satzungszwecks (Einbeziehung von Forschung und Entwicklung, Red.) bis zur Bereitstellung zusätzlicher Mittel durch Bund und Länder und der Entscheidung über die disziplinäre Ausrichtung der Professuren (im Zuge eines Professoralisierungsprozesses, Red.). Die Kernaktivität (Forschung, Red.) ist daher derzeit im Aufbau“ (Bewertungsbericht, B-16).
Auch ist der seinerzeit vom Präsidenten der Leibniz Gemeinschaft persönlich vorangetriebene weitgehende Strukturwandel in den angeschlossenen Einrichtungen so weit fortgeschritten, dass aus der früheren Fachinformationslandschaft teilweise mit Kostendeckungsgraden aus eigenen Erlösen von 100% nur noch FIZ Karlsruhe übriggeblieben ist. Die Markteinnahmen von FIZ Karlsruhe insbesondere aus STN scheinen von den Evaluierern eher als Fremdkörper empfunden („nicht im Kernauftrag des Instituts“), auch wenn die Gründe für eine womöglich langfristig erforderlich werdende Schließung von STN woanders gesehen werden:
„Die institutionelle Förderung macht mit 10 Mio. EUR (2016) lediglich 22% der Mittel für den laufenden Betrieb aus. Schon seit langer Zeit erwirtschaftet das Institut die weitaus meisten Erträge durch die Vermarktung seiner Produkte. 2016 waren es mit 30,9 Mio. EUR 68% der Mittel. Dieser beeindruckend hohe Anteil ist aber nicht im Kernauftrag des Instituts angelegt und aus zwei Gründen langfristig möglicherweise nicht zu halten.
Erstens bietet FIZ Karlsruhe zunehmend entgeltfreie Open-Access- und Open-Source-Produkte an. Der Senat begrüßte diese Entwicklung ausdrücklich und unterstützt die Überlegung, das Produkt zbMATH in eine Open-Access-Plattform umzuwidmen. Entfallende Entgelte könnten im Grundsatz zusätzliche Mittel der institutionellen Förderung erforderlich machen. …
Zweitens ist nicht auszuschließen, dass durch Innovationen im Bereich der Künstlichen Intelligenz das Produkt STN International über das der mit Abstand größte Teil der Erträge erzielt wird, an Bedeutung verliert“ (Stellungnahme des Senates, Seite 3).
Ende der 80er Jahre hatte das Bundesministerium für Forschung und Technologie, das die Fachinformationszentren als abweichenden „deutschen Weg“ in der Online-Information aufgebaut hatte, eine ähnlich drastische Restrukturierung wie später die Leibniz Gemeinschaft – seinerzeit hin zu mehr marktwirtschaftlicher Orientierung – erzwungen. Allerdings wurde die erste Restrukturierung offener kommuniziert.
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Gute Zensuren für „Geschäftsfelder“ und „Kernaktivitäten“.
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Angesichts der Ergebnisse der Evaluierung, die von FIZ Karlsruhe als „sehr ausgewogen“ gekennzeichnet werden, dürfte sich das FIZ exzellent auf den Evaluierungsprozess vorbereitet haben. Die „Beurteilung und Empfehlungen“ des Senates lauten im Einzelnen:
„FIZ Karlsruhe – Leibniz -Institut für Informationsinfrastruktur bietet Informationsdienstleistungen für Wissenschaft und Forschung in öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen an. Die Informationsangebote bzw. Produkte des Instituts wurden seit der letzten Evaluierung auf der Grundlage eigener Arbeiten in der angewandten Forschung strategisch überzeugend weiterentwickelt. Die an FIZ Karlsruhe erarbeiteten Leistungen sindsechs Teilbereichen zugeordnet, die als „Geschäftsfelder“ und „Kernaktivitäten“ bezeichnet werden.
Die Produkte des Instituts werden in drei „Geschäftsfeldern“ bearbeitet. Das zentrale Geschäftsfeld STN International umfasst den gleichnamigen, international hoch anerkannten
Patentinformationsdienst und wird als „exzellent“ bewertet. Das Geschäftsfeld Datenbanken und Informationsdienste mit Angeboten zu den Bereichen Mathematik, Chemie und Energie wird als „sehr gut bis exzellent“ beurteilt; die Fortführung der drittmittelfinanzierten Auftragsarbeiten zum Thema Energie sollte jedoch überprüft werden. Das deutlich kleinere Geschäftsfeld KnowEsis wird als „gut bis sehr gut“ eingeschätzt; zukunftsweisend und ausbaufähig sind dort vor allem die neuen Angebote zum kulturellen Erbe.
Die Arbeiten in Forschung und Entwicklung sind drei „Kernaktivitäten“ zugeordnet und wurden wie empfohlen seit der letzten Evaluierung strukturell erheblich gestärkt. So wurden an FIZ Karlsruhe erstmals zwei Professuren eingerichtet und Ende 2015 mit einer Rechtswissenschaftlerin bzw. Ende 2016 mit einem Informatiker besetzt. Die beiden Kernaktivitäten „Erschließen“ sowie „Entwickeln und Betreiben“ werden als „sehr gut“, die Kernaktivität „Forschen“ wird als „gut“ bewertet. Dort sollte insbesondere die Publikationsleistung gesteigert werden. Intensiviert werden muss außerdem die Zusammenarbeit zwischen den neu Berufenen und denjenigen, die bereits seit längerer Zeit in der angewandten Forschung tätig sind, auch mit Blick auf die weitere Entwicklung der Dienste.
FIZ Karlsruhe hat sein Engagement in der Beratung erheblich ausgeweitet. Insbesondere die Geschäftsführerin widmet sich mit großem Erfolg Beratungsaufgaben für Politik und Verwaltungen auf nationaler und europäischer Ebene. In den nächsten Jahren sollte auch die neue rechtswissenschaftliche Expertise zu Beratungsleistungen des Instituts führen.
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Demnächst ein kohärentes Leitmotiv und Profil für die langfristige Entwicklung.
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Die strategischen Planungen für die nächsten Jahre sind innovativ und sollten weiterverfolgt werden. Im Mittelpunkt steht die sog. „Plattformstrategie“ zur Öffnung der Produkte für externe Software und Inhalte von Kunden. Die komplexen informationswissenschaftlichen und rechtlichen Einzelheiten sind nun weitergehend zu definieren.
Mit seinen bisherigen Fortschritten und Planungen hat FIZ Karlsruhe wesentliche Weichen für eine weitere positive Entwicklung in dem äußerst dynamischen Umfeld des internationalen Fachinformationsmarkts gestellt. Leitung, Beirat und Aufsichtsgremium sollten nun auf der Grundlage der Veränderungen in den letzten Jahren ein kohärentes Leitmotiv und Profil für die langfristige Entwicklung von FIZ Karlsruhe entwickeln. Dabei muss insbesondere auch die Struktur des Budgets einbezogen werden. …
Die Drittmittel für Forschungsprojekte und öffentliche Aufträge stiegen seit der letzten Evaluierung von 2,6 Mio. EUR (2009; 8 % der Mittel) auf 4,2 Mio. EUR (2016; 10 %). Es wird erwartet, dass zukünftig auch die neuen Professuren in der Akquise von Projekten aktiver werden.
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Gender-Politik und Herausforderung IT-Kräftemangel.
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FIZ Karlsruhe kooperiert vielfältig und arbeitet intensiv mit anderen Leibniz-Einrichtungen zusammen. Die Verbindungen zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wurden über die beiden gemeinsamen Berufungen vertieft. Gemeinsame Berufungen sind im Regelfall auf Dauer angelegt. Bei einer der beiden Besetzungen erfolgte die Berufung an das KIT bei gleichzeitiger Beurlaubung zur Tätigkeit an FIZ Karlsruhe befristet. Gründe für dieses Vorgehen sind nicht zu erkennen. Der Senat geht davon aus, dass einer Anpassung an die deutschlandweit übliche Praxis einer unbefristeten gemeinsamen Berufung nichts im Wege steht und erwartet, dass die Verantwortlichen dies zügig umsetzen.
Insgesamt nehmen zehn Frauen, darunter die Geschäftsführerin, und zehn Männer Leitungsaufgaben wahr. Bei den übrigen wissenschaftlich Beschäftigten liegt der Frauenanteil bei 36,2 %. Dieser Stand bei der Gleichstellung der Geschlechter ist angesichts des geringen Anteils von Frauen in der deutschen IT-Branche positiv hervorzuheben. In den kommenden Jahren werden 14 % der Beschäftigten in den Ruhestand eintreten. Die Wiederbesetzung von Stellen ist angesichts einer starken Nachfrage nach Informatikerinnen und Informatikern bzw. IT-Fachkräften eine Herausforderung. Es sollte erreicht werden, das vergleichsweise gute Geschlechterverhältnis am Institut zu erhalten.
Mit Blick auf eine möglichst flexible Personalplanung wird erwartet, dass das Land Baden-Württemberg entsprechend der Zielrichtung der Vereinbarungen von Bund und Ländern dem Institut keinen verbindlichen Stellenplan für Tarifbeschäftigte vorgibt.
FIZ Karlsruhe bietet wichtige Informationsdienstleistungen für Wissenschaft und Forschung in öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen an, wie dies an einer Hochschule nicht möglich ist. Eine Eingliederung in eine Hochschule wird daher nicht empfohlen. Das Institut hat in den letzten Jahren sehr überzeugend auf die dynamische Entwicklung des Markts für Fachinformationen reagiert. Es erfüllt die Anforderungen, die an eine Einrichtung von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse zu stellen sind. Die Bereitschaft von Leitung, Beirat und Aufsichtsgremium, auf der Grundlage klarer Analysen Wandlungsprozesse zu gestalten, ist eine wichtige Voraussetzung, um die starke Position von FIZ Karlsruhe auch in den kommenden Jahren zu halten und nach Möglichkeit weiter auszubauen.“
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