Open Password – Montag
den 20. April 2020
# 740
Helga Schwarz – Rote Bibliotheken – Hans-Peter Müller – Willi Bredemeier – Open Password – ZIB – DBI – Sozialistische Bibliothekare – Technischer Rückstand – Wissenschaftliche Bibliotheken – Öffentliche Bibliotheken – Professionalität – Bibliotheksverband DDR – Reisekader – IFLA – Standards – RAK – Fachliche Ausbildung – Staatsbibliothek DDR – Forschungsbibliothek Gotha – #vBIB20 – BIB – TIB Hannover – Bibliothekartag – Hannover Messe – Silicon Saxony – Industrie 4.0 – Smart-Systems-Hub – BMBF – Corona-Informationen -Einfache Sprache
Briefe
Die „Aufzucht“ eines sozialistischen
Bibliothekars misslang
Trotz Restriktionen
bibliothekarische Professionalität
und gute internationale Zusammenarbeit
Zu: Rote Bibliotheken, Rezension des Buches von Hans-Peter Müller durch Willi Bredemeier – In: Open Password, # 724, 19. März – # 727, 26. März – #731, 31. März
Helga Schwarz
Lieber Herr Bredemeier!
Mit Interesse habe ich Ihren Beitrag zur DDR gelesen. Ich kann das meiste bestätigen und möchte nur kleine Ergänzungen hinzufügen. Bei der Arbeit an meiner Dissertation habe ich mich auch eingehend mit dem Bibliothekswesen der DDR beschäftigt, da ja 1990 das ZIB = Zentralinstitut für Bibliothekswesen und das Methodische Zentrum in das DBI eingegliedert wurden.
Die „Aufzucht“ eines sozialistischen Bibliothekars ist der DDR in der Tat gründlich missglückt. Dazu beigetragen haben meines Erachtens folgende Punkte:
- Der technische Rückstand der Bibliotheken in der DDR ließ sich nicht verheimlichen, denn nicht nur die „Reisekader“ konnten sich auf internationalen Konferenzen vom in anderen Ländern üblichen Standard überzeugen. Man darf auch nicht vergessen, dass es überaus zahlreiche private und familiäre Kontakte zwischen Ost- und Westdeutschland gab; darunter werden auch viele Bibliothekare gewesen sein.
- Die ideologische Gängelung bei der Literatur-Erwerbung sowohl bei den Wissenschaftlichen als auch bei den Öffentlichen Bibliotheken wurde – abgesehen von den Restriktionen wegen mangelnder „Valuta“ – als Eingriff und Übergriff auf die zentrale Kompetenz eines Bibliothekars empfunden und es gab zahlreiche Versuche, diese zu unterlaufen.
- Bei den Wissenschaftlichen Bibliotheken spielte wohl tatsächlich ein unausgesprochenes Bündnis zwischen Wissenschaftlern und Bibliothekaren eine Rolle.
- Das jahrzehntelange „Durchwursteln“ aufgrund der materiellen Mängel erzeugte zuerst stille Verzweiflung, zuletzt aber auch Wut. Davon zeugt das Positionspapier des Bibliotheksverbandes der DDR, in dem kurz vor der Wende in drastischen Worten Mängel und Forderungen an die Regierung der DDR aufgelistet wurden.
Wie gering der Anteil „einer gefestigten sozialistischen Persönlichkeit“ unter den Bibliothekaren war, zeigte sich unmittelbar nach dem Mauerfall, als nicht nur Leser die BRD-Bibliotheken überrannten, sondern auch Bibliothekare beider Deutschlands sofort Kontakte zu ihren Kollegen auf der anderen Seite suchten.
Das Streben nach Anerkennung „in den kapitalistischen Ländern“ überwog zum Teil das Bedürfnis nach ideologischer Abschottung. So konnten „Reisekader“ nicht nur zu den internationalen Konferenzen fahren, sondern es war ausdrücklich erwünscht, dass sie in den Fachausschüssen, z. B. in den Standing Committees der IFLA mitarbeiteten und so nicht nur Kenntnisse der international gültigen Standards gewannen, sondern auch Einfluss auf die von der IFLA erarbeiteten Richtlinien erlangten. Aber nicht alle internationalen Standards konnten in der DDR übernommen werden, so mussten in der Sacherschließung russische Normen angewendet werden und kein internationales Klassifikationssystem (UDK oder Dewey).
Auch die Mitarbeit an europäischen Standards war wichtig und diente der internationalen Akzeptanz. So wurden die neuen Regeln für die Formalkatalogisierung im deutschsprachigen Raum RAK gemeinsam von der Schweiz, Österreich, der DDR und der BRD erarbeitet und dann sofort von der DDR „per Ordre de Mufti“ schon Mitte der 1970er Jahre für alle Bibliotheken verbindlich gemacht, als die Mehrzahl der Bibliotheken in der BRD noch lange PI anwendeten.
Dass es mit der internationalen Zusammenarbeit zufriedenstellend lief, lag auch an der ausgezeichneten fachlichen Ausbildung der Bibliothekare in der DDR. Bei all den aufgezeigten materiellen Mängeln gab es hier eine weit in die Vergangenheit zurückreichende Tradition. Eine Rolle dabei spielte einerseits die Staatsbibliothek der DDR, deren Ausbildung – trotz der Parteigenossen in allen Leitungsfunktionen – eine hohe Qualität hatte und andererseits die zahlreichen Fortbildungskurse in der Forschungsbibliothek in Gotha, die zum Methodischen Zentrum gehörte. Jedenfalls brauchten sich die in der DDR ausgebildeten und tätigen Bibliothekare bezüglich ihrer Kenntnisse in den traditionellen bibliothekarischen Arbeitsfeldern nicht zu verstecken und wurden gern von Bibliotheken in der BRD angeworben, sofern es Planstellen gab. Lediglich EDV-Kenntnisse fehlten und mussten „nachgebüffelt“ werden, was aber meist schnell gelang.
Bitte fassen Sie meine Ergänzungen nicht als Kritik an Ihrem Artikel auf, den ich gern gelesen habe.
Viele herzliche Grüße – und bleiben Sie gesund in dieser Zeit
Helga Schwarz
#vBIB20
BIB und TIB Hannover mit virtueller Konferenz als teilweiser Ersatz
für den Bibliothekartag
In Zeiten, in denen wir uns nicht persönlich zu Fortbildung, fachlichem und sozialem Austausch treffen können, veranstalten der Berufsverband Information Bibliothek (BIB) und die TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek vom 26. bis 28. Mai 2020 die sogenannte #vBIB20 – die virtuelle Konferenz rund um Bibliotheken, Informationseinrichtungen und alle, die für sie arbeiten.
Aufgrund der aktuellen Lage musste der Bibliothekartag 2020 in Hannover leider abgesagt werden. BIB und TIB möchten nun gemeinsam positiv nach vorne schauen und mit einer digitalen Initiative voranschreiten. Man arbeite mit Engagement und Experimentierfreude an der Organisation der Online-Videokonferenz #vBIB20, heißt es in einer gemeinsamen Ankündigung von BIB und TIB. Hierzu sollen Referierende, die ihre Beiträge zum Bibliothekartag eingereicht hatten, in den nächsten Tagen eingeladen werden, sich am Programm von #vBIB20 zu beteiligen. Sofern Raum bleibt, könnten auch aktuelle Themen aufgegriffen und diskutiert werden.Für Rückfragen wurden die Kontaktadresse vbib20@bib-info.de eingerichtet.
BIB und TIB teilen weiter mit, dass die Konferenz #vBIB20 allen Interessierten kostenlos offenstehen wird. Weitere Informationen werden demnächst auf der #vBIB20-Website veröffentlicht.
High Tech-Informationen
für die Zeit danach
Digitales Industrietreffen als teilweiser Ersatz
für Hannover Messe
Die Hightech-Region „Silicon Saxony“ mit ihrer Expertise für Halbleiter, 5G-Mobilfunk, Software und Internet of Things-Technologie lädt gemeinsam mit der Deutschen Messe AG zu einem digitalen Industrietreffen: Vom 20. bis 24. April 2020 finden Webinare und digitale Messestände statt. Eingeladen sind Industrie- und Investitionsentscheider, Fachmedien, Multiplikatoren und die technische interessierte Fachöffentlichkeit. Angebote und Termine unter: https://smart-systems-hub.de/hannovermesse/ und:
https://www.silicon-saxony.de/nc/termine/aktuelle-veranstaltungen/. Unternehmen und Themen sind unter anderem:
- Phoenix Contact: Elektromobilität – Digitalisierung der Gebäudeautomation – Industrielle Kommunikation – Prozessoptimierung im Schaltschrankbau – Maschinensicherheit – Cyber-Security – Lösungen für eine innovative Stromversorgung – Innovationen für den Gerätehersteller
- SQL Projekt AG: Daten-, System- und Prozessintegration mit Fokus auf Industrial IoT (IIoT)
- N+P Informationssysteme GmbH:Automatisierung im Engineering: Vorteile und Einsatzmöglichkeiten
- Cloud & Heat: Nachhaltige und sichere Infrastrukturen für KI und Big Data
- Salt Solution: Intelligente Lösungen für die digitale Transformation der Supply Chain
Dazu schreiben die Anbieter: „Die deutsche Industrie kapituliert nicht vor COVID-19. Auch wenn sich in diesem Jahr die Welt der Industrie nicht in Hannover treffen kann, der Wandel aller Stufen der industriellen Wertschöpfung – von der Entwicklung über die Produktion, Logistik und Energieversorgung bis hin zu Dienstleistungen – lässt sich von einem Virus nicht stoppen. Eine Rückkehr zu alter industrieller Leistungsfähigkeit wird daher maßgeblich davon abhängen, wie Unternehmen digitale Technologien nutzen, um sich zu vernetzen, zu produzieren und ihre Kunden mit innovativen Produkten zu beliefern.“
BMBF
Corona-Informationen in einfacher Sprache
Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Alphabetisierungs-Kampagne „Lesen & Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt“ hat Informationen zum Corona-Virus in Einfacher Sprache veröffentlicht.
Die „Corona-Infoseite in Einfacher Sprache“ ist online unter folgendem Link abrufbar und wird laufend aktualisiert: https://www.mein-schlüssel-zur-welt.de/de/informationen-zum-corona-virus-1790.html.
Alle Texte wurden in Einfache Sprache übersetzt und sind mit einer Vorlesefunktion unterlegt. Darüber hinaus verweisen weiterführende Links zu externen Medien oder Informationen von Behörden in Leichter und Einfacher Sprache. 6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland können nicht ausreichend lesen und schreiben.
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