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Open Password – Donnerstag, den

  1. August 2018


# 429

Aus- und Weiterbildung – Information Professionals – Bernd Jörs – Steilvorlagen Update – Rainer Michaeli – Competitive Intelligence – International Conference – Institute for Competitive Intelligence – Cornelia Diethelm – Roboter – Data Science – Alphabet – Go-Algorithmen – Automatisierung kreativer Lösungen – Roboter als Geschäftsführer – Humanoider Roboter – Pepper – Großbritannien – Leo Staub – Universität St. Gallen – Boston Consulting – Bucerius Law School – Richard Susskind – Law for less – BILANZ – Axiom Law – Ravel Law – LexisNexis – DFKI – Jürgen Schamberger – Rocket Lawyer – Leverton – ROSS – IK-Newsletter – Wirtschaftswoche

Steilvorlagen Update

Die Dringlichkeit von Reformen
in der Aus- und Weiterbildung
hat sich noch einmal beschleunigt

 

Was wird aus der Competitive Intelligence?

 

Die Kanzleien und ihre InfoPros
im Belagerungszustand

Interview mit Prof. Bernd Jörs, Hochschule Darmstadt

Hat sich aus der Sicht der Keynote-Speaker und Referenten seit ihrem Auftritt auf der Buchmesse-Veranstaltung „Steilvorlagen für den Unternehmenserfolg“ einiges verändert? Wir haben sie gefragt. Keynote-Speaker Prof. Bern Jörs lehrt Informationswissenschaft an der Hochschule Darmstadt und wurde von seinen Studierenden wiederholt zum Professor des Jahres gewählt. Nachdem er vor zwei Jahren eine Brand- und Warnrede gehalten hatte, stellt er heute fest: Es ist alles noch schlimmer geworden. 

Zweiter Teil

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Nehmen wir Rainer Michaeli, der vor zwei Jahren auf der Steilvorlagen-Veranstaltung die Chancen der Wettbewerbsbeobachtung aufgezeigt hat. Macht KI seine Arbeit überflüssig oder könnte Michaeli seine Position durch KI weiter ausbauen?

Zunächst darf ich sagen, dass ich die Arbeit von Rainer Michaeli und sein Engagement seit Jahren sehr schätze. Er hat eine extrem hohe Anerkennung für seine Leistung verdient, Deutschland und Europa zu einer der führenden Anlaufstellen für die immer dynamischer werdende Competitive Intelligence zu machen. Er ist weltweit vernetzt und geschätzt. Allein ein Blick auf das Programm der diesjährigen International Conference Competitive & Market Intelligence in Bad Nauheim (5.-8. Juni) und die hohen Teilnehmerzahlen seit Jahren belegen, dass Rainer Michaeli die richtigen Themen anspricht und antizipiert. Unter dem diesjährigen Motto: „Advances in the Art and Science of Competitive/Market Intelligence“ und auf früheren Konferenzen hat Michaeli Themen mit Big Data-Relevanz, Data-, Text- und Web Mining- und KI-Bezug einbezogen und ein breites Spektrum an Fachthemen zu diesen die CI-Arbeit mitbestimmenden Problemfeldern offeriert. Und das schon seit den Geburtswehen dieser Automatisierungsbestrebungen. Aspekte wie Predictive Analytics, Social Media Monitoring, Smart CI, Digital Health Services, Multilingual Semantics Deep Data wurden dabei antizipativ angesprochen. Für Rainer Michaeli war immer klar, dass die KI-Instrumente kollaborativen Charakter für die CI-Arbeit haben sollen.

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Der intelligente Rechner wird (selbstverständlicher) Partner der InfoPro- und CI-Professionals.

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Ja, Teile der CI-Arbeit, insbesondere die, die den datenanalytischen Bereich betreffen, machen die Algorithmen und Rechner schneller, fehlerfreier und damit überflüssig. Aber die Interpretationskraft und strategisch-operative Lösungskreativität bleibt – noch – in der Verantwortung des menschlichen CI-Professionals. Rainer Michaeli ist ein durchaus kritischer Begleiter der Entwicklungen im Tätigkeitsfeld der CI-Professionals und sammelt seine Erkenntnisse auch durch die weltweiten Qualifizierungsangebote seines Institute for Competitive Intelligence und seine branchenübergreifenden Firmenkontakte.

Aber auch im CI-Bereich ist das ständige Monitoring der KI- und informationstechnologischen Entwicklungen ein Must-Do im Tagesgeschäft, denn die Crawler dieser Welt machen nicht vor irgendwelchen Branchen halt. Unter der Überschrift „Roboter in der Teppichetage“ hat gerade Cornelia Diethelm in der Fachzeitschrift „Informatik-Spektrum“ die Möglichkeiten und Bedingungen aufgezählt, unter denen „Roboter in absehbarer Zeit über genügend Stärken verfügen, um die menschlichen Fähigkeiten innerhalb der Geschäftsleitung zu ergänzen“, um die Entscheidungsträger zu entlasten, schnellere und fundierte sowie gar bessere (emotionslosere) Entscheidungen zu treffen. Der Einsatz von solchen KI-Lösungstools auch und gerade in der wissensbasierten Tagesarbeit von CI- und InfoPros-Verantwortlichen wird unumgänglich sein, um die menschliche Leistungsfähigkeit bei der Bewältigung der exponentiell zunehmenden Menge an strukturierten und unstrukturierten Daten zu erweitern. Auch die Akzeptanz durch beauftragenden Unternehmen für die CI-Arbeit wird entscheidend davon abhängen, wie sehr die einzelnen InfoPros und CI-Verantwortlichen nachweisen, wie sie mithilfe solcher KI-Lösungen ihre Informationsarbeit mit Data Science fundieren. Alles andere wird nicht mehr akzeptiert oder ernstgenommen. Der intelligente Rechner wird (selbstverständlicher) Partner des InfoPro- und CI-Professionals.

 

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Die Lösungen zur Automatisierung kreativer Lösungen befinden sich bereits im Einsatz.

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Diese „intelligenten“ Algorithmen sind aber nicht nur datenanalytische Hilfen. Vielmehr wird in vielen Pilotierungen schon an der Automatisierung von kreativen Lösungen gearbeitet (zum Beispiel eigenständige Kompositionen von Musik und Bildmalerei). Dies belegt nicht zuletzt der Erfolg der Alphabet Go-Algorithmen, die nicht nur mit dem eindeutigen Gewinn gegen den amtierenden (südkoreanischen) Go-Weltmeister, sondern vor allem mit ihren kreativen Spielzügen beeindruckten. Ich bin überzeugt, dass InfoPros und CI-Professionals, wenn sie sich mit diesen KI-Lösungen, gerne auch in Form humanoider und androider Roboter – Pepper läßt grüßen –  für die Daten-, Informations- und Wissensarbeit beschäftigen, ihre Tätigkeitsfelder für die Unternehmer ausweiten und festigen können. Hier ist Kompetenz angesagt. Und noch einmal, es handelt sich hierbei nicht um Science-Fiction-Vorstellungen eines verquer denkenden Hochschullehrers, sondern um vorliegende Lösungen, wie die Anwendungsbeispiele in den USA, Japan, China, Frankreich und der Schweiz zeigen, wo diese Service-Roboter bereits zum Einsatz gekommen sind.

Zurückhaltung aus Berührungsangst oder Dauerpessimismus sind hierauf die falschen Antworten. Es gilt auch hier die alte Managementweisheit: Das größte Risiko ist, kein Risiko einzugehen. Inwieweit dann der letzte Schritt erfolgt, dass solche humanoiden oder androiden Roboter gleichberechtigte Partner der Geschäftsleitung werden, möchte ich gar nicht wagen vorhersagen.

Wenn wir schon von Krise reden, wie sieht diese im Bereich der Rechtsinformationen aus?

Mit dem Begriff „Krise“ gehe ich in diesem Zusammenhang vorsichtig um. Bei Nichtstun und Nicht-Kümmern wird es unweigerlich zu krisenhaften, existenzbedrohenden Entwicklungen gerade für den Beschäftigungsbereich kommen. Ja, da ist der Term „Krise“ berechtigt. Das sind aber größtenteils selbstverschuldete „Krisenerscheinungen“ durch Unterlassen, Bequemlichkeit und Verdrängung.

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Werden die Kanzleien und ihre InfoPros substituiert?

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Ich habe bereits auf der Steilvorlagenveranstaltung auf die Auswirkungen von Informations- und Recherchearbeit in Anwaltskanzleien in Großbritannien hingewiesen. Ein nicht unbeachtlicher Teil der juristischen Arbeit der Rechtsanwälte und Richter wird durch professionelle Recherchetools, die zeitaufwändiges Recherchieren und juristischen Vorarbeiten bedingen, substituiert. Crawler bzw. Software, die in einer Stunde alle Präzedenzfälle, Urteile und Revisionen auf drei verschiedenen Ebenen (EU-Recht, deutsches Recht, US-Recht) auswertet, ist schlichtweg besser, schneller und effizienter als menschliches Suchen und verschafft einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil.

Der Schweizer Rechtsprofessor Leo Staub (Universität St. Gallen) hat schon 2016 auf die KI-basierten Folgeeffekte unter anderem in Großbritannien und vor allem im Einzugsbereich von London hingewiesen, die über tausend Kleinkanzleien und Tausenden von Kanzleiangehörigen und Unternehmensjuristen die Existenzgrundlagen unter den Füssen weggezogen haben.

Auch in Deutschland werden nicht wenige Anwälte in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen: Das untere Kanzlei-Segment wird noch viel stärker unter Druck geraten (L. Staub, in: BILANZ, April 2016, S. 57). In einer Untersuchung der Beratungsfirma Boston Consulting und der Bucerius Law School in Hamburg kommen die Forscher zu dem Schluss, dass sich mit der Digitaltechnik ein Drittel, wenn nicht gar die Hälfte der Arbeitszeit in Kanzleien einsparen ließe. Der britische Jurist und Autor Richard Susskind erwartet, dass sich „in den kommenden zwei Jahrzehnten in der Welt des Rechts mehr verändern wird als in den vergangenen zwei Jahrhunderten“ zuvor. In zwanzig Jahren würden solche „Automaten“ viele Anwälte bzw. Anwaltsarbeit überflüssig machen.

Und letztendlich geht es ja darum, was die Klienten wollen: Die KI-Technologie macht Rechtsberatung billiger, demokratisiert den Zugang zum Rechtssystem und bietet Konzernen fortschrittlichere Lösungen (Law for less). Es wird anders abgerechnet: Statt nach Stundensätzen werden fix vereinbarte Honorare dominieren. Vorreiter in der Rechtsinformationsbranche fragen sich (BILANZ, April 2016): „Warum sollte man einen Anwalt bezahlen, dessen Tagessatz höher ist als der Streitwert, um den es geht?“ „Und warum sollte ein Unternehmen 30 Anwälte dafür bezahlen, Hunderttausende Dokumente zu prüfen, wenn ein gutes Programm und ein einziger Anwalt das für ein Zehntel der Kostenübernehmen könnten?“

Relativ unbemerkt haben sich Konkurrenzfirmen entwickelt, „die den Traditionskanzleien das Geschäft streitig machen“. Beispiele sind Axiom Law in New York, die mit der Vermittlung von Juristen auf Projektbasis betraut sind, und Ravel Law in San Franzisco, die die Konzeptionierung und Implementierung fachlich einschlägiger, semantisch geprägter Algorithmen vorangetrieben haben, die die Eigenschaft besitzen, sinn- und gehaltvolle Relationen zwischen einzelnen Rechtsfällen herzustellen und „sogar Richter finden, die zugänglich für bestimmte Argumentationsmuster sind“. Was das für die Branche bedeutet, die bisher auf die Datenbankanbieter sowie Daten- und Informationsprovider wie vor allem LexisNexis und Westlaw (Thomson Reuters) gebaut haben, lässt sich leicht ausmalen.

„Die Mächtigkeit dieser Software deutet heute schon darauf hin, welche Möglichkeiten es in Zukunft geben wird“, sagt Leo Staub. Führende Venture Capitalists vor allem im angloamerikanischen Raum handeln in ihren Investitionsentscheidungen entsprechend. Schon 2014 wanderte in den USA frisches Start-Up-Kapitel in aufstrebende FinTechs für die Rechtsinformation von mehr als 80 Millionen Dollar. Alphabet Inc., die Mutter von Google, investierte zwischen 2009 und 2014 gut 40 Millionen Dollar in den Online-Rechtsdienstleister Rocket Lawyer. In Deutschland versucht die Berliner Firma Leverton, ein Start-up des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), einen Algorithmus zu entwickeln, der ganze Verträge, in allen Sprachen, lesen, auswerten und verstehen kann: „Sucht ein Anwalt in Tausenden Vertragsseiten nach Informationen, zeigt ihm der Robo-Gehilfe die entscheidenden Stellen“ (BILANZ, April 2016). Jürgen Schamberger weist in seinem IK-Newsletter 1/2018 schon mal auf die Leistungsfähigkeit solcher Supercrawler hin: „Zum Vergleich, in großen Rechtsanwaltskanzleien wird ROSS, eine spezifische juristische Anwendungsplattform von Watson, bereits eingesetzt, um innerhalb einer Sekunde eine Million Seiten an Rechtsprechung zu durchsuchen. Das erspart den Unternehmen pro Fall zwischen 20 und 30 Stunden an kostenpflichtigen Recherchen“ (J. Schamberger, IK-Newsletter, Januar/Februar 2018, S. 4).

Die InfoPros sollten sich solche branchenbezogenen Entwicklungen genau ansehen. Bleiben sie passiv, wird ihnen über kurz oder lang die Geschäftsgrundlage entzogen, andere Anbieter werden ihre Rolle einnehmen. Kein Wunder, dass die Studien zum Beschäftigungsabbau durch die Algorithmisierung der Ökonomie mit einem Rückgang an Richtern und Anwälten im zweistelligen Bereich rechnen (Wirtschaftswoche, 26. Januar 2015, AS.  23).

Lesen Sie in der nächsten Folge: Viele zukunftsfähige Elemente der Qualifizierung für Studierende der Informationswissenschaft – Widerstände in der Informationswissenschaft gegen eine zukunftsfähige Ausbildung – Data Science hat die Informationswissenschaft nahezu überflüssig gemacht

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