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Open Password – Freitag, den 22. Februar 2019

# 517

 

DSGVO – Fake News – Qualitätsmedien – Framing-Manual – ARD – Zeitungsverleger – Elisabeth Wehling – Willi Bredemeier – Meedia – Süddeutsche Zeitung – Die Zeit – Der Spiegel – Donald Trump – Europäisches Urheberrecht – Europäisches Parlament – Upload-Filter – Lizenzierungszwang – Snippets – Leistungsschutzrecht – YouTube – Blogging – George Orwell – 1984 – Helmut Kohl – Spin-Doktoren – Olaf Scholz – Gutes-Kita-Gesetz – Internet-Konzerne – Ethisch basierte Unternehmensführung – Bürokratisierung – Zivilgesellschaft – Wissenschaft – Stefan Weber – Universität Salzburg – Textmining – Data-Mining – Unkultur der Oberflächlichkeit – Expertenbefragungen

2018 – 2019
Fehlentwicklungen des Jahres:

DSGVO und Fake News
in den Qualitätsmedien (1)

Das Framing-Manual der ARD
und der Zeitungsverleger:


Absage an den Diskurs

zugunsten finanzieller Interessen

Von Willi Bredemeier

Vor kurzem habe ich für den Zeitraum 2018/2019 zum 33. Mal Trends, Information Professionals und Unternehmen des Jahres gewählt. Erstmalig bestimmte ich auch die zwei größten Fehlentwicklungen, soweit sie unsere Branche betreffen: die Verbreitung von Fake News in unseren „Qualitätsmedien“ und die EU-weite Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Dies geschah in der stillen Hoffnung, dass sich diese Fehlentwicklungen nicht fortsetzen mögen.

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Das Framing-Manual für die ARD – ein noch größerer Skandal als der Fall Relotius.
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Vor wenigen Tagen wurde das „Framing-Manual“ der Linguistin Elisabeth Wehling bekannt, das sie für 120.000 Euro für die ARD erarbeitet hat und fortlaufend in Workshops für Mitarbeiter eingesetzt wird. Da aus Frau Wehlings Sicht „objektives, faktenbegründetes und rationales Denken“ nicht möglich ist, kann es im öffentlichen Streit der Meinungen nur mehr darum gehen, die eigenen Sprachregelungen durchzusetzen und die Rezipienten über Emotionalisierungen und implizite moralische Bewertungen über den Tisch zu ziehen. So sollten Bürger, die den Zwangsbeitrag für Rundfunk und Fernsehen nicht zahlen wollen, als „demokratieferne, wortbrüchige und illoyale Beitragshinterzieher“ gebrandmarkt werden und sind „unserem gemeinsamen freien Rundfunk ARD“ die „medienkapitalistischen Heuschrecken“ entgegenzustellen. Derweil berichtet Meedia von einem zweiten Fall Relotius, einem freien Journalisten, der für die Süddeutsche Zeitung, die Zeit und den Spiegel geschrieben hat und soeben mit einer frei erfundenen Geschichte von der SZ überführt wurde.

Das „Framing-Manual“ erscheint mir als ein noch größerer Skandal als der Fall Claas Relotius mit seinen vielen erfundenen Geschichten im Spiegel und praktisch der gesamten weiteren „Qualitätspresse“, weil die Spitzen der ARD und mit ihnen die nachgeordneten Strukturen das Manual von Frau Wehling willkommen geheißen haben und weiterhin zur Indoktrination ihrer Mitarbeiter verwenden. Fake News und die damit verbundene Kriegserklärung an Wahrheit und Wissenschaft kommen nicht von Donald Trump, sie werden selbst generiert und breiten sich ungehindert mit Wissen und Willen der Verantwortlichen in unserem „Qualitätsfernsehen“ aus.

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Und die Reform des europäischen Urheberrechts? Es hätte noch schlimmer kommen können.

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Und die Reform des europäischen Urheberrechts, die in einem Referentenentwurf nunmehr finalisiert wurde und wahrscheinlich in dieser Form im März oder April vom Europäischen Parlament verabschiedet wird? Ist sie eine Fortsetzung der DSGVO, die, wie ich nach meinen Eindrücken mit Zustimmung meiner Leser schrieb, unsere Zivilgesellschaft beschädigt? Nehmen wir uns der kritischen Artikel 13 und 15 an, so lässt sich sagen: Es hätte noch schlimmer kommen können.

  • Faktischer Zwang zur Einführung von Upload-Filtern und damit verbundene inhaltliche Verödung des Internets: Immerhin werden Unternehmen, die jünger als drei Jahre sind, einen Jahresumsatz von weniger als zehn Millionen Euro erzielen und auf weniger als fünf Millionen Nutzer pro Monat kommen, von dieser Verpflichtung ausgenommen. Hier kommt es stark darauf an, wie die Mitgliedsstaaten das neue europäische Urheberrecht in nationale Verordnungen umsetzen. Da jedes Unternehmen, das auf dem Markt besteht, irgendwann mal das dritte Lebensjahr überschreitet, sollten die Einflussnahmen auf nationaler Ebene darauf zielen, die Ausnahmeregelung auch dann gelten zu lassen, wenn nur eins oder zwei der genannten Kriterien erfüllt sind.
  • Lizenzierungszwang für das Zitieren anderswo erschienener Beiträge: Die Übernahme „einzelner Worte“ oder „sehr kurzer Textabschnitte“ werden weiterhin erlaubt sein, ohne dass gleich ein Lizenzierungsvertrag geschlossen werden muss. Wieder kann es entscheidend auf die Umsetzung und Handhabung der EU-Bestimmungen in nationales Recht und darauf ankommen, was sich in der täglichen Praxis durchsetzt. Dabei müssten auch die Presseverlage, die ansonsten auf Einnahmen aus ihrem „Leistungsschutzrecht“ drängen, ein Interesse daran haben, dass die „sehr kurzen Textabschnitte“ nicht zu restriktiv interpretiert werden, weil sie auf den Traffic angewiesen sind, den die Suchmaschinen zu ihnen leiten.

Kurz, es muss nicht ganz so schlimm kommen, wie viele erwartet haben. Allerdings wird jetzt der „Kampf ums Kleingedruckte“ nunmehr auf der Ebene der Mitgliedsstaaten wichtig.

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Anschlag auf die inhaltliche Vielfalt des Internets und die Betätigungsmöglichkeiten der kleinen Anbieter. Im Framing-Manual der Verleger werden die tatsächlichen Verhältnisse umgekehrt.

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Gleichwohl teile ich die Befürchtungen, dass das neue europäische Urheberrecht zu einer inhaltlichen Verödung des Internets führt, weil YouTube, die Gefahr möglicher finanzieller Sanktionen in Rechnung stellend, eher zuviel als zuwenig löschen wird und ein individueller Blogger, das Leistungsschutzrecht im Nacken, womöglich ganz mit dem Schreiben aufhört, statt sich mit einem anderswo erschienenen Beitrag auseinanderzusetzen. Auch stimme ich der Ansicht zu, dass das europäische Urheberrecht zu einer Verdrängung kleiner Anbieter führt, weil sich nur die Großen den Aufbau einer Lizenzierungsbürokratie leisten wollen und können.

Kehren wir zu Frau Wehlings Handbuch und ihre Absage an den rationalen Diskurs zurück. George Orwell hat die sprachliche Umwertung der Begriffe in totalitären Staaten, die es den Untertanen unmöglich machte, anders als von der Propaganda vorgeschrieben zu denken, in seinem Roman „1984“ beschrieben. Ich erinnere mich an die Zeit des jungen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Dessen Mitarbeiter waren von den amerikanischen Spin-Doktoren fasziniert und suchten nunmehr ihrerseits Begriffe zu erfinden, beispielsweise den der „geistig-moralischen Wende“, um das Meinungsklima zu Lasten der Linken zu wenden. Mittlerweile haben sich das Erfinden neuer moralisch aufgeladener Begriffe und der Kampf um ihre Durchsetzung im allgemeinen Sprachgebrauch im gesamten Politikbetrieb durchgesetzt, strebte etwa Olaf Scholz die Lufthoheit für seine Politik in den Kinderzimmern an und gibt es neuerdings sogar ein „Gutes-Kita-Gesetz“, damit wir ja nicht hinter die Kulissen schauen und uns eine eigene Meinung bilden.

In diesem Zustand allgemeiner begrifflicher Verwirrung haben sich die Zeitungsverleger mit am stärksten im Lobbying um eine für ihre finanziellen Interessen maßgeschneidertes europäisches Urheberrecht durchgesetzt. Kunststück, sie verfügen ja über ein Heer abhängig beschäftigter Schreiberlinge, die sich  , soweit sie sich instrumentalisieren lassen, gut für ihre PR-Zwecke einsetzen lassen. Auch kam ihnen zugute, dass sie sich scheinbar vor allem gegen die Internet-Konzerne wandten und diese in Europa ein schlechtes Image haben. Nicht alle nehmen daher zur Kenntnis, dass sich diese nicht in allen Punkten im Unrecht befinden müssen, wenn sie eine aggressive Politik der Steuerminimierung betreiben und den Missbrauch ihrer Daten für sinistre politische Zwecke ermöglichen. So hat sich heute der Begriff des „Leistungsschutzrechtes“, der ein Anrecht auf Alimentierung der Verlage als selbstverständliches Grundrecht vorausgesetzt, im allgemeinen und offiziösen Sprachgebrauch durchgesetzt.

Weisen wir ein weiteres Mal nach, dass sich die Zeitungsverleger mit ihrem „Framing-Manual“ nach allen Regeln eines rationalen Diskurses im Unrecht befinden und von ihren Argumenten am Ende nichts übrigbleibt, als dass sie bezuschusst werden wollen und die Internet-Konzerne sie subventionieren können, weil sie so viel verdienen? Den Plattform-Betreibern soll selbst überlassen bleiben, wie sie urheberrechtlich geschützte Inhalte vermitteln? Aber nichts als der Upload-Filter befindet sich an technischen Möglichkeiten in der Pipeline. Es geht darum, die Interessen der Nutzer und der Kreativen zu schützen? Nun, die Nutzer sind an einem inhaltlich reichen und vielfältigen Internet interessiert und die Verleger haben bislang mit keinem Wort verlauten lassen, wie sie die von den Internet-Konzernen erzwungenen Gelder an Künstler, Blogger und Journalisten weiterleiten wollen.

Die Leistungen der Verlage müssen vor den Internet-Konzernen und weiteren Abschreibern geschützt werden? Mit dem Begriff des „Leistungsschutzrechtes“ werden die tatsächlichen Verhältnisse umgekehrt. Es sind die Suchmaschinenbetreiber, die den großen Traffic an die Zeitungen weiterleiten. Es bleibt den Verlagen unbenommen, eine Paywall vor ihren Artikeln zu errichten, oder noch besser, aus dem zu ihnen kommenden Traffic ein Geschäftsmodell zu entwickeln.

Im Zeichen einer zunehmend weltweiten kritischen Öffentlichkeit setzen sich derzeit Überlegungen zu einer ethisch basierten Unternehmensführung durch. Die Verleger hätten hier sogar angesichts ihrer weitgehenden Verfügungsgewalt über Sprache und Inhalte sogar eine größere Verantwortung als das Management in anderen Branchen. Wie ihr „Framing Manual“ zur Herstellung eines verlegerfreundlichen europäischen Urheberrechtes zeigt, nehmen sie keine Rücksicht auf die Richtigkeit von Zusammenhängen, sobald es um ihre finanziellen Interessen geht, und sind sie weit davon entfernt, in der Debatte um eine ethisch basierte Unternehmensführung aufzuschließen.

2018 – 2019
Fehlentwicklungen des Jahres:

DSGVO und Fake News
in den Qualitätsmedien (2)

Das Wuchern der DSGVO-Bürokratie
und die Verunmöglichung
von Wissenschaft

DSGVO und europäisches Urheberrecht schwächen nicht nur die Zivilgesellschaft, sondern verunmöglichen auch wissenschaftliches Arbeiten. Stefan Weber, Medienwissenschaftler in Salzburg, hat über seine Erfahrungen und die seines Umfeldes in „Kommentar: DSGVO: EU-Urheberrecht und der Ruin der Digitalwirtschaft“ berichtet (https://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Urheberrechtsreform-Massive-Kritik-von-fast-allen-Seiten-4301159.html). Unter anderem schreibt er:

„Noch mehr Datenmüll in Form von endlosen Zustimmungserklärungen, eine zunehmende Erschwernis von Geschäftsbeziehungen und enorm viel Rechtsunsicherheit. … Ich werde an keiner Universität Auskunft über die Person N.N. bekommen, und dies, obwohl sie den Doktortitel öffentlich trägt. … Es ist nicht mehr möglich, Falschangaben zu erkennen. …

Text- und Data-Mining-Unternehmen wird die kommerzielle Nutzung von Daten erschwert, wenn nicht verunmöglichst werden. Eine ganze Branche könnte kaputt gehen, Innovation wird verhindert. Dabei sind gerade Big Data und Data Mining eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft! …

Von der DSGVO ist im Alltag der Menschen – beruflich wie privat – nichts sichtbar außer mehr Bürokratie, mehr Zettelwirtschaft, viele Einwilligungen, viel Zustimmungsklicks … Ein Mitarbeiter eines großen europäischen Konzerns erzählt mir, die DSGVO habe nur dazu geführt, dass Tonnen von neuen Ordnern befüllt werden – mit von Kunden unterschriebenen Einwilligungserklärungen, die diese fast nie gelesen hatten. Die DSGVO bewirkte also nicht nur eine Zunahme der Bürokratie, sondern auch eine neue Kultur der Öffentlichkeit. Neue Datenschutzbestimmungen von Banken, Versicherungen, Automobilherstellern, Webdiensten u.v.a. erreichen uns per gedrucktem Brief, per E-Mail oder im Web – aber es gibt erste empirische Hinweise darauf, dass diese fast niemand liest. Wozu dann das Ganze? …

Das hat nun erstmals im laufenden Semester dazu geführt, dass E-Mail-Befragungen so gut wie verunmöglicht werden. Denn welcher Experte druckt eine Zustimmungserklärung aus, unterschreibt sie, scannt sie ein und hängst sie an eine E-Mail an, deren Beantwortung ihn oder sie ohnedies vielleicht schon nervt … Nun, die DSGVO hat also de facto Expertenbefragungen gekillt.“

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