Open Password – Donnerstag, den 20., bis Freitag, den 21. April 2017
#190
Digitalisierung – Dietrich Nelle – Industrie 4.0 – Umweltverträglichkeit – Nachhaltigkeit – Individualisierte Medizin – Selbstbestimmte Lebensführung im Alter – Landwirtschaft – Big Data – Bildung und Wissen – Wissenschaft – Forschungsdateninfrastruktur – Rat für Informationsinfrastrukturen – FAIR Data – Mehrwertdienstleistungen – Internationale Anschlussfähigkeit – Facebook Dateneingabe
Gedanken zur Digitalisierung
Handlungsfelder und Handlungsbedarf
Von Dr. Dietrich Nelle, Köln/Bonn
Digitalisierung ist eine Herausforderung für alle Lebensbereiche – der damit verbundene beschleunigte Wandel muss in allen Bereichen rasch und aktiv gestaltend aufgegriffen werden – der Schlüssel zum Erfolg ist Bildung und Wissen.
Wir leben in Zeiten eines sich immer weiter beschleunigenden Wandels. 90% des heute verfügbaren Wissens wurde allein in den letzten beiden Jahren erzeugt. Dies eröffnet ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten, verlangt aber gleichzeitig ein geschärftes Orientierungsvermögen, um die damit verbundenen Herausforderungen rechtzeitig zu erkennen und erfolgreich zu bewältigen und so die damit verbundenen Chancen in Wohlstand und Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger umzusetzen. Dabei gilt es zu verstehen, dass Digitalisierung nicht ein Handlungsfeld neben vielen anderen ist. Es ist vielmehr eine Querschnittsaufgabe, die in allen Politikfeldern anzunehmen und zu gestalten ist, eine Querschnittsaufgabe, die in keinem Bereich warten kann, sondern jetzt gestaltet werden muss. Die Qualität, mit der diese Aufgabe bewältigt wird, wird sich schon in kurzer Zeit als entscheidend für Erfolg oder Misserfolg im jeweiligen Handlungsfeld erweisen.
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Digitalisierung in diversen Handlungsfeldern.
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Dazu einige Beispiele:
Industrie 4.0: Die Digitalisierung verändert in fast allen Sparten nicht nur die Art und Weise, wie produziert wird, auch nicht nur die Logistik und die Interaktion mit den Kundinnen und Kunden, sondern ermöglicht vielfach überhaupt erst völlig neue Produkte und Dienstleistungen. Der Erfolg bei Industrie 4.0 ist eine entscheidende Voraussetzung für den künftigen Unternehmenserfolg, für die Wertschöpfung am Standort Deutschland und für die Sicherheit von Arbeitsplätzen.
Umwelt und Nachhaltigkeit: Das im digitalen Zeitalter verfügbare neue Wissen ermöglicht effiziente, auf den individuellen Bedarf abgestimmte und stärker dezentralisierte Produktionsweisen. Damit können Ressourcen eingespart und Mobilitätsaufwände reduziert werden. Erst das im digitalen Zeitalter verfügbare Wissen ermöglicht ein systemisches Verständnis der Zusammenhänge im System Erde, von Veränderungen beim Klima und in der Biodiversität. Es schafft notwendige Grundlagen für eine ganzheitliche Umweltpolitik und ein vorausschauendes, langfristig tragfähiges Wirtschaften.
Gesundheit: Eine individualisierte Medizin, die nicht primär auf typisierte Krankheitsbilder und Behandlungsmethoden schauen muss, sondern gezielt den individuellen Patienten mit unzähligen, komplex zusammenwirkenden Einflussfaktoren umfassend in den Blick nehmen kann, wird erst durch eine intelligente Verknüpfung vielfältiger Daten aus unterschiedlichen Quellen – bei voller Gewährleistung der Ansprüche an Datenschutz und Datensicherheit – möglich.
Selbstbestimmte Lebensführung im Alter: Haushaltsgeräte einer neuen Generation können eine eigenverantwortliche Haushaltsführung auch in vorgerücktem Alter unterstützen und Abhängigkeiten von fremder Hilfe reduzieren. Intelligente Prothesen können dabei helfen, verloren gegangene Handlungsspielräume zurückzugewinnen. Voraussetzung für die Praxistauglichkeit sind neben der ausgereiften technischen Leistungsfähigkeit auch leichte Bedienbarkeit und Kontrollierbarkeit durch die Nutzerinnen und Nutzer. Dies wird in immer stärkerem Maße entscheidend von einer effektiven Verarbeitung und Verknüpfung relevanter Daten – auch hier natürlich bei Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit – abhängen.
Landwirtschaft: Die Landwirtschaft der Zukunft muss gleichermaßen ökonomisch wie ökologisch tragfähig bleiben. Dies erfordert es, Ressourcen wie Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmittel, Tiermedikamente oder auch Wasser nicht großflächig aufzubringen, sondern gezielt an den Stellen und in dem Umfang einzusetzen, wie es jeweils die individuellen Verhältnisse von Böden, Wetter usw. erfordern. Eine solche Präzisionslandschaft ist nur mit einer intelligenten Erfassung und Nutzung vielfältiger Daten möglich.
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Was ist zu tun?
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Der Schlüssel für eine erfolgreiche Gestaltung ist Bildung und Wissen. Dies gilt für alle Lebensbereiche. Wissen ist überall eine notwendige Grundlage, um neue Möglichkeiten zu erschließen, um neue Entwicklungen beherrschen zu können und um Werte und Wohlstand zu schaffen. Zuallererst kommt es dafür auf Bildung im Sinne von Allgemeinbildung an. Gerade in Zeiten immer unüberschaubarer Informations- sowie Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten wird die Fähigkeit zur Orientierung in schwierigen Zeiten zu einer immer wichtigeren Alltagskompetenz. Eine selbstbestimmte, an Werten orientierte Einordnung viraler Stürme in sozialen Medien kann nur vornehmen, wer über eine solide Grundlage geschichtlicher und gesellschaftlicher Zusammenhänge besitzt und wer die verantwortungsvolle, kritische Reflexion scheinbar einfacher Thesen gelernt und geübt hat. Gerade die besonderen Erfahrungen in unserer eigenen Geschichte machen die zuverlässige Gewährleistung einer guten Allgemeinbildung für alle Bürgerinnen und Bürger aber nicht nur zu einer praktischen Notwendigkeit, sondern zu einer Frage der Verantwortung vor der Zukunft der kommenden Generationen.
Eine erfolgreiche Gestaltung der Entwicklungen in allen Lebensbereichen erfordert es deshalb zwingend, dass wir in Deutschland an der Erweiterung unseres Wissens über die aktuellen Grenzen hinaus arbeiten und dieses Wissen dafür nutzen, Chancen zu ergreifen und Herausforderungen zu bewältigen. Dazu sind kontinuierliche Kraftanstrengungen zur Steigerung unserer Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung erforderlich – auf allen Ebenen, von den Kommunen über die Länder bis zum Bund und zu Europa.
Auch die Wissenschaft selbst wird am Standort Deutschland nur wettbewerbsfähig und erfolgreich bleiben können, wenn sie die Herausforderungen der Digitalisierung zügig und umfassend annimmt. Dies macht die Etablierung der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur wie vom Rat für Informationsinfrastrukturen kürzlich gefordert (Empfehlung: „Leistung aus Vielfalt“[1]) vordringlich. Dies bedeutet nicht nur den weiteren Ausbau von Hardware und IKT-Forschung. Digitale Fähigkeiten gehören inzwischen in allen Disziplinen zum notwendigen Rüstzeug für aussichtsreiche wissenschaftliche Laufbahnen. Zum guten Umgang mit Daten gibt es gerade in Deutschland an vielen Stellen eindrucksvolle und beispielgebende Vorhaben. Es mangelt aber bisher an einer kohärenten Verbindung der Einzelstrukturen, um den Austausch von Daten über die Grenzen von Fächern und Einrichtungen hinweg zu beschleunigen. Notwendig ist es, dass Daten gut auffindbar, zugänglich, wechselseitig anschlussfähig („interoperabel“) und wiederverwendbar vorgehalten werden (im englischen Akronym: FAIR Data[2]) und darauf aufbauend eine reichhaltige Landschaft von Mehrwertdienstleistern aus diesem Fundus einen größtmöglichen Ertrag für Wissenschaft und Gesellschaft zieht.
Deshalb kommt es jetzt mit größter Dringlichkeit darauf an, diese Aufgabe rasch und überzeugend zu lösen. Das setzt zunächst voraus, dass in jeder datenerzeugenden Institution eine zentrale Stelle vorhanden ist, die – ganz ähnlich, wie es seit Jahrhunderten Bibliotheken mit klassischen Publikationen tun – für eine gute Aufbewahrung und Erschließung („Katalogisierung“) gewonnener Daten für weitere Nutzer sorgt. Auf diese Weise kann zugleich die Gewährleistung hoher Standards von Datensicherheit, Datenschutz und Wahrung geistiger Eigentumsrechte in effektiver Weise gesichert werden. Datensuchenden aus anderen Einrichtungen eröffnen diese Stellen einen kompetenten und niedrigschwelligen Zugang zu den dort vorhandenen Daten und entlasten zugleich die Forschenden von der Bearbeitung ungezielter Anfragen. Die so geschaffene Struktur bildet zugleich das Fundament für die eigentliche Wertschöpfung durch Mehrwertdienstleister, die intelligente Algorithmen für das Auffinden, Verknüpfen und Verarbeiten von Daten und von anderswo erarbeiteten Wissen entwickeln und so neue Methoden, Modellierungen und Dienstleistungen für Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft realisieren können.
Zu den notwendigen Mehrwertdienstleistungen gehört auch die Arbeit an der Entwicklung übergreifender Standards und der Gewährleistung europäischer und internationaler Anschlussfähigkeit. Die dauerhafte Funktionalität und Entwicklungsfähigkeit eines solchen Systems wird von der Etablierung effektiver monetärer und nicht-monetärer Anreize auf allen Ebenen sowie einer Begleitung durch regelmäßige externe Evaluierungen abhängen.
Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Verfassers wieder. Dr. Nelle ist Interimsdirektor der ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften.
[1] http://www.rfii.de/download/rfii-empfehlungen-2016/
[2] Findable, Accessible, Interoperable, and Re-usable; vgl. https://www.force11.org/group/fairgroup/fairprinciples
Briefe
Anforderungen ans
Forschungsdatenmanagement
Lieber Herr Bredemeier,
es wäre schön, wenn Sie auf folgende Veranstaltung des Berliner Arbeitskreis Information (BAK) aufmerksam machen könnten.
Vielen Dank und herzliche Grüße aus Berlin,
Tania Estler-Ziegler, Berliner Arbeitskreis Information
Kerstin Helbig spricht zum Thema „Forschungsdatenmanagement“ Forschungsdatenmanagement ist derzeit ein heißes Thema – nicht nur in Universitätsbibliotheken. Doch worum geht es dabei überhaupt? Woher kommen Anforderungen? Wie sieht Forschungsdatenmanagement praktisch aus? Kerstin Helbig fasst in ihrem Vortrag Begriffe, aktuelle Anforderungen sowie Stakeholder zusammen und zeigt an praktischen Beispielen, welche Rolle Forschungsdaten inzwischen in der Wissenschaftskommunikation und -politik einnehmen.
Kerstin Helbig ist studierte Sozialwissenschaftlerin und seit März 2015 Koordinatorin für Forschungsdatenmanagement an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor war sie beim GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften am Aufbau von da|ra, einer Registrierungsagentur für sozialwissenschaftliche Forschungsdaten, beteiligt.
Vortrag und Diskussion finden am Dienstag, den 25. April 2017 um 17:30 Uhr im Auditorium des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, Geschwister-Scholl-Straße 1/3, 10117 Berlin statt.
Im Anschluss gibt es die Möglichkeit, die sich ergebenden Fragen bei einem Snack und Getränken mit der Vortragenden zu diskutieren. Die Veranstaltung ist kostenlos. Bitte melden Sie sich trotzdem telefonisch (030-755 183 66) oder per Mail (bak[at]ub.tu-berlin.de) an.
Rückblick 2016 – Ausblick 2017
Die Gewinner des Jahres
Trends des Jahres
- Die Mobilisierung der Branche Interview mit Interim-Direktor
zur Rettung der ZB MED Dietrich Nelle am 7. Februar erschienen – #159
– im gesamten Jahr fortlaufende
Berichterstattung - Die Verwandlung des Internets Statement von Redaktion Open
in Fake News, Hass, Shitstorms, Password, am 9. Januar erschienen,
Manipulation, Cyber War und (#142)
Unterstützung autoritärer Regime
- Postfaktizität
Die Entwicklung zur Beitrag von Marc Sander
postfaktischen Gesellschaft am 12. Dezember erschienen (#138)
Postfaktische Wellnessblase Beitrag von Dieter Schumacher
am 9. Januar erschienen (# 142)
Fake News oder: Haben wir einen Beitrag von Willi Bredemeier
ausreichenden Wahrheitsbegriff? – erscheint in Kürze
- Digitalisierung: Perspektiven Beitrag von Dietrich Nelle, am 21. April
und Handlungsbedarf erschienen (#190)
Information Professionals des Jahres
- Rudolf Mumenthaler, Institut für
Informationswissenschaft, HTW Chur Beiträge am 17. Februar erschienen (#164) - Vera Muench, Branchenjournalistin Beiträge am 15. März erschienen (#173)
- Guido Heinen, Leiter der wissen-
schaftlichen Dienste des Bundestages Tagungsbericht „Steilvorlagen“
am 16. Januar erschienen (#146)
Zuckerbergs Visionen: Gehirnstrom-Auswertung
Facebook forscht an einer Technologie, mit der menschliche Gedanken ohne eine Tastatur online bringen könnten. Nein, es geht jetzt nicht um Spracheingabe! Hierfür sollen Gehirnströme ausgewertet werden und diese direkt online übertragen.
Die Idee: Es gehe zum Beispiel um die Möglichkeit, einem Freund eine Textnachricht zu schicken, ohne das Smartphone herauszuholen, referierte Facebook-Managerin Regina Dugan am Mittwoch auf der Facbook Entwicklerkonferenz F8 in San Jose.
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