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Open Password – Freitag, den 16. Juni 2017

# 212


PATINFO – Willi Bredemeier – Jochen Lennhof – Minesoft – Programm – Brexit – Information Professionals – Europäisches Patent – Claus Matthes – WIPO – Bundesverfassungsgericht – Christoph Hoock – Sabine Milde – Deutsches Patent- und Markenamt – Günther Schmitz – Europäisches Patentamt – Patentinformationen – Heiko Wongel – Susann Reinhardt – engel-Patentanwaltskanzlei – Markenrecht – Marius Leber – Markenrechtslinie – Henning Hartwig – Bardehle Pagenberg – Designrecht – Markus Ortlieb – Nichtigkeitsverfahren – FTO-Gutachten – Common Content Classification – Susanne Köhler – Meissner Bolte – Jutta Heußer – Japanisches Patentamt – Ben Grau – Julia Harrasz – Murgytroyd


PATINFO

Monopolposition bei Patentinformationen
locker verteidigt

 

Patentwelt nicht nur juristisch,
sondern auch wirtschaftlich, technisch
und politisch erörtern!

Die kritische Funktion für Veranstaltungen
nicht außer Kraft setzen

Von Willi Bredemeier

PATINFO 2017 – Kolloquium der TU Ilmenau über Patentinformation – Europäische Schutzrechtsysteme im Wandel mit 41 Softwareanbietern und Informationsdienstleistern als Ausstellern.

Das Kolloquium verteidigte locker seine Monopolstellung für Tagungen zu Patentinformationen im deutschsprachigen Raum und war aus der Perspektive der Informationsanbieter eine gute Plattform, um Kundenakquisition und Kundenpflege zu betreiben. Jochen Lennhof von Minesoft, zu dessen Product Review 30 Teilnehmer kamen, bezeichnete die Betreuer des Veranstaltung als „Super-Team“. Die Inhalte der Konferenz wären den Erwartungen gerecht geworden, würde man sich damit abfinden, dass man als Referenten jene nimmt, die von selbst kommen, dass man zusätzlich allenfalls nach Position und Institution akquiriert (so dass beispielsweise das DPMA und Europäische Patentamt immer dabei sein müssen) und dass man die Referate nicht gemeinsam mit den Vortragenden in Briefings vorbereitet.

Im Falle höherer Ansprüche hätte man sich aber wohl für eine andere Struktur des Programms entschieden:

  • Es wurde vor allem eine juristische Perspektive gewählt, während wirtschaftliche, technische und politische Sichtweisen allenfalls peripher eingenommen wurden. Unternehmer, Politiker und Produktdesigner kamen demnach nicht oder kaum zu Wort. Das mag man insoweit für gerechtfertigt halten, als sich viele rechtliche Änderungen ergeben haben bzw. diese anstehen. (Aber ist das nicht eigentlich immer so?) Jedenfalls hätte ich mir Beiträge gewünscht, wie der Brexit in Patentzusammenhängen nicht nur juristisch, sondern auch politisch und wirtschaftlich zu bewerten ist, wie mit Patentinformationen gutes Geld verdient werden kann und was hier Elemente eines „Best Practice“ sind und was die künftigen technologischen Herausforderungen und Chancen sein mögen. Im Übrigen hätten auch unsere InfoPros mehr zu sagen gehabt als sie das durften.
  • Es wurde eine konventionalistische Perspektive manchmal fast im Stil von Verlautbarungen gewählt, so als ob man nur den zuständigen Autoritäten zuhören müsse und von vornherein alles in Ordnung sei. So gab der Veranstalter den Teilnehmern gleich mit auf dem Weg, dass trotz Brexit und anderer politischer Turbulenzen mit Konsequenzen für den „Intellectual Property“-Bereich das „europäische Patent einheitlicher Wirkung auch ohne EU-Mitgliedschaft Großbritanniens in Kraft treten“ werde, und Claus Matthes vom WIPO (= Weltorganisation für das geistige Eigentum) stimmte dem zu („WIPO II services, especially in the context of changes within in Europe“). Aktuell hat das Bundesverfassungsgericht das „Einheitspatent“ aber gerade gestoppt und war der Weg zum Einheitspatent ausgesprochen aufwändig, mühsam und politisch immer gefährdet. Hätte man zu dieser Genese nichts sagen sollen? Auch ohne dieses Beispiel stelle ich mir vor, dass Veranstalter die kritische Funktion ihrer Tagung nicht außer Kraft setzen und ihre Aufgabe unter anderem darin sehen, auch Außenseiter zu gewinnen, die mit ihrer Sicht außerhalb institutioneller Darlegungen für anregendere Debatten sorgen würden.
  • Die Referate beschränkten sich insgesamt gesehen zu sehr darauf, Bestimmungen zu referieren und damit implizit davon auszugehen, dass diese befolgt werden. Hier wünsche ich mir für die kommenden Jahre, dass diese normativen Betrachtungen durch empirische Überlegungen ergänzt und so beispielsweise Compliance-Erörterungen möglich gemacht werden.

Siehe dazu auch Christoph Hoock und Sabine Milde (Herausgeber), Europäische Schutzsysteme im Wandel – Proceedings des 39. Kolloquiums der TU Ilmenau über Patentinformationen (PATINFO), Ilmenau, 31. Mai – 2. Juni 2017, Ilmenau: Technische Universität 2017, ISBN-10 3-9324-88-21-0.

 

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Optimismus war Pflicht bei der Bewertung rechtlicher Regelungen und Bewertungen.

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Für 2016 verzeichnete der Vizepräsident des Deutschen Patent- und Markenamtes Günther Schmitz mit fast 68.000 Patent- und mehr als 69.000 Markenanmeldungen erneut ein Rekordjahr und eine gute Geschäftslage. Als Herausforderungen für die kommenden Jahre sah er vor allem die hohen Anmeldezahlen, den rasant zunehmenden Prüfstoff besonders aus Asien, den Zeitdruck und den eigenen Qualitätsanspruch. Um auch in Zukunft Dienstleistungen mit der derzeit anerkannt hohen Qualität anbieten zu können, müsse die Effizienz des täglichen Handelns durch eine Vereinheitlichung der Geschäftsprozesse, die Bündelung von Kompetenzen und eine Erhöhung der Transparenz gesteigert werden („Strategische Positionierung des Deutschen Patent- und Markenamtes als nationales Patentamt“).

Hat die Patentinformation einen positiven Einfluss auf die Innovationskraft der Unternehmen? Dieser Frage suchte das Europäische Patentamt mit einer Umfrage beizukommen. Allerdings machten es sich die Forscher zu einfach, indem sie lediglich die Frage stellten: „Are patents used as a source of information in the innovation process?“ und die Möglichkeit, dass Schutzrechte auch den technischen Fortschritt behindern, gar nicht erst in den Blick nahmen. Die Ergebnisse waren gleichwohl interessant, da 30% der Respondenten die obige Frage mit „Nein“ beantworteten. Acht von zehn Mitglieder dieser Untergruppe gaben an, Patentinformation noch nie als Informationsquelle benutzt zu haben. 19 Prozent hatten diese früher genutzt, ihre Nutzung aber aufgegeben. Die am häufigsten genannten Gründe, nicht auf Patentinformationen zuzugreifen, lauten: Patentinformation wurde als nicht notwendig für die eigene Arbeit angesehen. Es mangelte an Wissen darüber, wo man Patentinformationen findet. Patentinformation wurde als komplex wahrgenommen. Referent Heiko Wongel folgerte: „Es gäbe also womöglich ein Potenzial, diese Gruppe an die Nutzung von Patentinformation heranzuführen“ („Die Patentinformation im Dienste der Innovation“).

Susann Reinhardt von der engel-patentanwaltskanzlei in Suhl gab sich ähnlich optimistich wie der Veranstalter wenngleich in anderer Hinsicht: Die aktuellen Änderungen im europäischen Markenrecht würden zu mehr Rechtssicherheit und Klarheit führen („Aktuelle Änderungen des Unionsmarkenrechts – aus HABM wird EUIPO – Die wichtigsten Änderungen durch die europäische Markenrechtsreform im Überblick“).

Auch Marius Leber vom Bundesministerium für Justiz lobte die bis 2019 ins nationale Recht umzusetzende Markenrechtslinie, insbesondere

  • den Wegfall des Erfordernisses der grafischen Darstellbarkeit (die damit bald auch für Klänge, die sich nicht in Noten beschreiben lassen, die Einführung einer Marke ermöglichen),
  • die Schaffung einer Rechtsgrundlage für das Verbot der Durchfuhr von Waren im Transit (während dies bislang nur bei der Einfuhr und Ausfuhr möglich ist) sowie
  • die Einführung einer neuen Markenform für Gewährleistungstechniken (das sind „Gütezeichen“ wie zum Beispiel das Siegel „Trusted Shops“ für Online-Händler).

Insgesamt werde, so Leber, „das nationale materielle Markenrecht durch die Reform an die Erfordernisse des modernen Digitalzeitalters angepasst, der Rechtsschutz der Markeninhaber greifbar gestärkt und die Bandbreite an Rechtsinstrumenten sinnvoll ergänzt“ („Die Umsetzung der EU-Markenrechtsrichtlinie ins deutsche Recht“). Dazu sprach Henning Hartwig von Bardehle Pagenberg von einer beachtlichen Rechtssicherheit im Designrecht („Rechtsverletzungen im Designrecht“).

„Recht in Aktion“ stellte Markus Ortlieb vom DPMA (Jena) am Beispiel des Nichtigkeitsverfahren für eingetragene Designs vor. Das geltende Verfahren wurde 2014 eingeführt. Dazu Ortlieb: „Durch die Konzentration der materiellrechtlichen Prüfung des Designrechts beim DPMA bietet sich die Möglichkeit, zu vergleichsweise günstigen Kosten und abweichend von dem früheren isolierten Klageweg zu den unterschiedlichen ordentlichen Gerichten den Bestand eines eingetragenen Designs zu prüfen.“ 2016 wurden 70 Nichtigkeitsanträge gestellt und 67 Beschlüsse gefasst. Jeder dritte Antrag blieb ohne Widerspruch. Es wurden 16 Anhörungen durchgeführt. Die Eingangszahlen liegen weit über der Prognose des Gesetzgebers („Das Nichtigkeitsverfahren für eingetragene Designs beim DPMA – 3 ½ Jahre praktische Erfahrungen“).

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Warum nicht mehr FTO-Gutachten in kleinen und mittleren Unternehmen – Common Content Classification mit China und bald mit Japan?

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Susanne Köhler von Meissner Bolte Patentanwälte Rechtsanwälte Partnerschaft (München) nahm sich der FTO-Recherche in einem Referat an, das sie zu einem Praxis-Ratgeber von der „Annahme des Auftrags“ bis zur „Empfehlung strategischer Maßnahmen durch Patentanwalt“ ausbaute. Einem FTO-Gutachten liegt als Ausgangslage immer die gleiche Frage zugrunde: Verstößt ein bestimmtes Produkt und Verfahren gegen ein noch unbekanntes oder gegen ein bestimmtes Schutzrecht eines Dritten, so dass die Ausübungsfreiheit des Unternehmens (FTO = „freedom to operate“) bedroht ist? Kleine und mittlere Unternehmen nutzen dieses Instrument zu selten. Allerdings leiden FTO-Gutachten häufig darunter, dass Auftraggeber und Auftragnehmer nicht angemessen kommunizieren und das Team für die Erstellung eines FTO-Gutachtens (Management/Erfinder, Rechercheur, Patentanwalt) suboptimal besetzt ist („Die FTO-Recherche – kreatives Spannungsfeld zwischen Rechercheur, Management/Erfinder, Patentanwalt“).

Weltweit setzte sich der Siegeszug eines einheitlichen und dennoch detaillierten Klassifikationssystems, der Common Patent Classification (CPC), einer gemeinsamen Initiative des Europäischen und US-Patentamtes, fort. So meldete Jutta Heußer vom Europäischen Patentamt, dass schon einiges an chinesischen Patentdokumenten damit klassifiziert worden sei. Auch die Japaner würden immer wieder in die Diskussionen einbezogen und man hoffe, sie irgendwann an Bord zu bekommen. Auf der anderen Seite wollten die Japaner ihre seit 1885 getätigten Investitionen in eine eigene Dokumentation nicht einfach abschreiben („Klassifikationsinitiativen des JPO – Möglichkeiten für den europäischen Rechercheur“).

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Geht mit dem Brexit das Europäische Patent verloren?

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Eine teilweise skeptischere Haltung als die Mehrheit der Referenten nahmen Ben Grau und Julia Harrasz von Murgytroyd (München) ein, als sie nach den Folgen des Brexit für den „Intellectual Property“-Bereich fragten. Hier könnte es leicht zu „Unfällen“ aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit kommen, weil die Aspekte des Gewerblichen Rechtsschutzes einen nur sehr kleinen Teil der Verhandlungsmasse ausmachen und kaum im Fokus der Verhandelnden auf beiden Seiten stehen dürften. Allerdings bleiben die EU-Richtlinien Großbritannien erhalten, weil sie in nationales Recht umgewandelt werden mussten. Das gilt aber nicht für die EU-Verordnungen, da diese direkt geltendes Recht in den Mitgliedsländern sind.

Mit der Brexit-Entscheidung ist die Umsetzung des Europäischen Patents ins Stocken geraten. Die Teilnahme am Europäischen Patent ist für die britische Wirtschaft von großem Interesse, es ist aber strittig, ob Nicht-EU-Mitgliedsstaaten dazugehören können. Die Autoren sehen es als unsicher an, „ob die Idee des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung und die dazugehörende Gerichtsbarkeit den Brexit überleben und ob ein weiterer Schritt zur Harmonisierung des gewerblichen Rechtsschutzes in Europa nach derart langer Zeit Realität wird.“

Die Unionsmarken, das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und der Gemeinschaftliche Sortenschutz sind gewerbliche Schutzrechte der EU und verlieren mit dem Austritt aus der EU für Großbritannien ihre Wirkung. Für das Urheberrecht werden keine wesentlichen Folgen des Brexits erwartet („Brexit – 1 Jahr danach – Auswirkungen auf den gewerblichen Rechtsschutz“).

Lesen Sie in der nächsten Folge: Patentmanagement in Unternehmen und Hochschulen – Patentanalysen für frühe Phasen in Forschung und Entwicklung

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