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Open Password: Freitag, den 19. August 2016

Nadine Adler – Hochschulen & Bibliotheken – Nordrhein-Westfalen – Willi Bredemeier – Svenja Schulze

Briefe

Der erste Fragebogen
kam gleich angeflattert

Zu Open Password: Aufruf zur Unterstützung der Umfrage von Nadine Adler, 17. August 2016

Hallo Herr Bredemeier,

herzlichen Dank! Ich habe die Mail über das Unternehmen auch bekommen und bin sprachlos!

Bereits heute morgen ging mir ein ausgefüllter Fragebogen zu! Vielen Dank für diese tolle Unterstützung!

Mit freundlichen Grüßen, Nadine Adler

Hochschulen & Bibliotheken

Eine bürokratische Anordnung,

die es in sich haben könnte

 

Nach 35 Jahren Politikverzicht
in Nordrhein-Westfalen
vor einer Entprofessionalisierung
der wissenschaftlichen Infrastruktur?

Von Willi Bredemeier

Auf den ersten Blick handelt es sich um eine harmlose vielleicht sogar belustigende Anordnung des Landes Nordrhein-Westfalen: Mit ihr wird eine Vielzahl von Amtsträgern in der Hochschuladministration  der Zusatzbegriff „Verwaltungs-“ in ihrem Titel verliehen. So gibt es jetzt zum Beispiel eine „Verwaltungsamtsfrau“ oder einen „Verwaltungsamtmann“. Insider sprechen hingegen von einem „erneuten Schlag gegen die Informationsberufsbranche“. Ist da etwas dran?1

Wir müssen uns nicht bei Max Weber rückversichern, um behaupten zu dürfen, dass die Bürokratie allen Wettbewerbern um politischen Einfluss auf ihrem ureigenen Feld überlegen sei, der Herausgabe von Dekreten in ihrer eigenen Sprache. Ihrer Herkunft aus dem monarchischen Absolutismus verpflichtet, kommt sie mit ihren Regulierungen über unsere Häupter, ohne diese erklären oder begründen oder gar die Argumente nennen zu müssen, die gegen diesen Ukas gesprochen hätten. Oder nur ihren Zweck zu benennen oder sie in einen Kontext zu stellen. Oder dies jemals zu tun.

Eine entmutigende mühsam zu entzifferende wenn nicht unverständliche Sprache trägt mit dazu bei, den Gedanken an eine Befassung mit dem, was die Bürokratie tut, gar nicht aufkommen zu lassen.

Wohl führt die Politik große Debatten im Zusammenhang mit jenen Gesetzesvorhaben, denen sie große Bedeutung beimisst. Aber zwischen den allgemeinen Prinzipien, wie sie die Politik vor sich herträgt, und den Ausführungsbestimmungen der Verwaltung können große Lücken, gar Widersprüche, klaffen. Und was ist mit den Regulierungen, an denen die Politik nicht interessiert ist oder die sie lieber im Geheimen gemeinsam mit ihren Ministerialbeamten vorantreiben möchte?

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Nach der administrativen Alleinherrschaft in der Fachinformationspolitik besondere Anfälligkeit Nordrhein-Westfalens für Politikverzicht.

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Ein gutes Beispiel für die Möglichkeit einer aktuellen Alleinherrschaft der Verwaltung bildet das vor einigen Jahren eingegangene Milliardenprogramm der Fachinformationspolitik, das ausschließlich von einer Abteilung im Bundesforschungsministerium und viele Jahre nur von einem Beamten bestimmt wurde. Weder wurde diese Beamtenherrschaft von der Politik (denen das Thema zu kompliziert war) noch von der Fachöffentlichkeit (selbst an Zuwendungen interessiert) relativiert.

Mein Heimatland Nordrhein-Westfalen ist für Tendenzen administrativer Alleinherrschaft besonders anfällig, weil es bis circa 1980 die falsche Politik betrieben hat, indem es fast alle freien Gelder in Maßnahmen der Strukturerhaltung vergeudete. Nach 1980 betrieb das Land von wenigen Ausnahmen in der Sozial- und Bildungspolitik abgesehen überhaupt keine Politik mehr, weil die Kassen leer waren und die Politik keine konzeptionelle Kraft in Richtung Modernisierung aufbrachte. Mittlerweile ist das Land mit seiner wirtschaftlichen Stagnation auf den letzten Platz hinter allen anderen Bundesländern zurückgefallen und liegt bei fast allen Modernisierungsindikatoren noch hinter Sachsen-Anhalt.

Führen starke Tendenzen zu einer Alleinherrschaft der Verwaltung zu besseren oder zu schlechteren Entscheidungen? Das Fiasko der Fachinformationspolitik und die Entwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen lassen Schlimmes vermuten. Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele, beispielsweise die Berufungspolitik Preußens an den Hochschulen, die den Aufstieg Deutschlands zur damaligen Wissenschaftsnation Nummer 1 mit befördert hat. Es darf aber vermutet werden, dass Verwaltung, Politik, Fachöffentlichkeit und allgemeine Öffentlichkeit desto mehr auf angemessene Entscheidungen drängen, je mehr sie sich dafür in einer öffentlichen Debatte qualifiziert haben.

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Verwaltungssekretär, Verwaltungsobersekretär, Verwaltungshauptsekretär, Hauptsekretär. Und so weiter.

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Schauen wir uns vor diesem Hintergrund die NRW-Anordnung zu Umwidmung von Beamtentiteln näher an:

„Gesetz- und Verordnungsblatt (GV.NRW)
Ausgabe 2016 Nr.21 vom 8.7.2016

Anordnung über die Festsetzung von Zusätzen an den Grundamtsbezeichnungen für die Beamtinnen und Beamten der Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen gemäß § 1 Absatz 2 Hochschulgesetz

Vom 29. Juni 2016

Auf Grund des § 22 Absatz 4 des Landesbesoldungsgesetzes vom 14. Juni (GV.NRW,S.310) werden für die Beamtinnen und Beamten der in § 1 Absatz 2 des Hochschulgesetzes vom 16.September 2014 (GV.NRW, S.547) aufgeführten Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen im Einvernehmen mit dem Finanzministerium und dem Ministerium für Inneres und Kommunales folgende Zusätze zu den Grundamtsbezeichnungen festgestellt.              Grundamtsbezeichnung                                      Zusatz

Sekretär oder Sekretärin                                     Verwaltungs-
Obersekretär oder Obersekretärin
Hauptsekretärin oder Hauptsekretär
Amtsinspektorin oder Amtsinspektor
Inspektorin oder Inspektor
Oberinspektorin oder Oberinspektor
Amtsfrau oder Amtmann
Amtsrätin oder Amtsrat
Rätin oder Rat
Oberrätin oder Oberrat
Direktorin oder Direktor
Leitende Direktorin oder Leitender Direktor

  1. Bei den Amtsbezeichnungen mit der Grundamtsbezeichnung „Leitende Direktorin“ oder „Leitender Direktor“ wird das Wort „Leitende“ beziehungsweise „Leitender“, bei den Amtsbezeichnungen mit der Grundamtsbezeichnung „Oberrätin“ beziehungsweise „Oberrat“ wird das Wortteil „Ober“ vorangestellt.
  2. Ohne Zusatz werden folgende Grundamtsbezeichnungen verwendet: Oberamtsmeisterin oder Oberamtsmeister, Werkmeisterin oder Werkmeister, Oberwerkmeisterin oder Oberwerkmeister, Hauptwerkmeisterin oder Hauptwerkmeister, Betriebsinspektorin oder Betriebsinspektor.
  3. Die in den Nummern 1 und 3 aufgeführten Amtsbezeichnungen sind mit dem ergänzenden Hinweis auf den jeweiligen Dienstherrn zu führen.

Diese Anordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Anordnung über die Festsetzung von Zusätzen zu den Grundamtsbezeichnungen für die Beamtinnen und Beamten der Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 1. Januar 2007 (GV,NRW,S.25), die durch Anordnung vom 6. September 2011 (GV.NRW,S.494) geändert worden ist, außer Kraft.

Düsseldorf, den 29. Juni 2016

Die Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen
Svenja Schulze

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Was ist, wenn die Beamtenschaft ihre eigenen Titularien ernst nehmen sollte?
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Ein Laie, dem dieser Text auf den Tisch gelegt wird, würde ihn nach dem Lesen weniger Worte als „unlesbar“ und „irrelevant“ klassifizieren und auf die Seite legen. Oder er würde sagen: „Haben die Beamten nichts Besseres zu tun?“ und eine Beamtenschaft vermuten, die sich im Stande des Leerlaufs befindet und nur noch mit sich selber befasst ist. Immerhin hat die Beamtenschaft den Bemühungen des Feminismus zur Verschandelung unserer Sprache nachgegeben, indem sie seiner Forderung, die Hälfte der Menschheit mit einem zusätzlichen „-in“ zu belegen, gefolgt ist.

Also sollten wir es dabei bewenden lassen? Aber was ist, wenn die Beamtenschaft ihre eigenen Titularien ernst nehmen sollte und Konsequenzen daraus zieht, die unangenehm sind und uns angehen?

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Mit einem Federstrich die Universitätsbibliotheken in die weitere Defensive gedrängt.
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Hingegen muss man schon ein Insider der Informationsbranche wenn nicht ein Bibliothekar sein, um zu sehen, dass mit der obigen Anordnung per Federstrich alle bibliothekspezifischen Beamtenbezeichnungen an den Hochschulen entfallen sind. Damit ist aus einem „Bibliotheksinspektor“ ein „Verwaltungsinspektor“, aus einem „Bibliotheksrat“ ein „Verwaltungsrat“ geworden und so weiter. Und natürlich könnte auch ein Bibliotheksrat gegen diese Benennung keinen politischen oder anderweitigen Widerspruch einlegen, wenn er von der Angelegenheit erst erfährt, da diese erlassen ist.

Das ist nun doch relevant und bedürfte einer Debatte auf Landesebene und darüber hinaus. Mit der Eliminierung bibliotheksspezifischer Titel wird der Wert bibliothekarischer Ausbildungen und Qualifikationen für die Außenwelt stark reduziert. Wenn alle Leute Verwaltungsinspektoren sind, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass man sie beliebig innerhalb der Hochschule versetzen kann, ohne dass diesen möglich ist, sich auf ihre Fachlaufbahn zu berufen. Wenn aus der Sicht der Entscheider der eine Verwaltungsrat wie der andere ist, muss dann noch der Leiter der Bibliothek eine Person mit einer bibliothekarischen Ausbildung sein? Wenn der Wert einer Universitätsbibliothek nirgendwo mehr herausgestellt wird, erst nicht mehr in den Stellenplänen, dann in anderen Bereichen, steht dann nicht auch ihr Budget und darüber hinaus die gesamte Infrastruktur für Forschung und Lehre stärker zur Disposition?

Der Ermöglichung eines weitgehenden Zugriffs auf alle Mitarbeiter durch Entdifferenzierung kann im Interesse der Verwaltung sein. Oder sie mag das so sehen. Möglich ist auch, dass die Anordnung nicht durch eine unwissende, vielmehr durch eine zustimmende Politik, in diesem Fall der „Innovationsministerin“ Svenja Schulze, zustande gekommen ist. Die Gene beinahe aller im Landtag NRW vertretenen Parteien sind stark durch die Arbeiterbewegung geprägt. Die konnte schon immer viel mit der „Entfesselung der Produktivkräfte durch neue Technologien“ anfangen, nicht aber mit der Autonomie der Hochschule und der Fr eiheit von Lehre und Forschung.

Aber wenn lediglich eine Anordnung erlassen wird, ohne dass es eine vorangegangene Debatte dazu gegeben hat, wie soll die Innovationsministerin erfahren, dass Innovationen nicht dadurch gefördert werden können, dass man die Infrastruktur für Forschung und Lehre entprofessionalisiert?

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