Open Password – Dienstag, den 2. April 2019
# 539
Internet – Mark Zuckerberg – Facebook – Datenschutzgrundverordnung – Willi Bredemeier – FAS – Regulierung – Öffentliche Reaktionen – Ruhr-Universität Bochum – Freund-Feind-Schema – Frank-Walter Steinmeier – Internet-Konzerne – Standards – Datenschutz – Datenschutzszene – Zivilgesellschaft – Kollateralschäden – Google – Street View – Amazon – DSGVO – VDI – KI – Deutschland – USA – China – Ingenieurmangel – Informatikermangel – PwC – Industrieunternehmen – Produktentwicklung – VDE – Schwchstellen – Russland – Indien – Hannover-Messe – Hochschulen
Internet
Nehmt Mark Zuckerberg beim Wort!
(außer für den Bereich der Datenschutzgrundverordnung)
Von Willi Bredemeier
Der Gründer und CEO von Facebook, Mark Zuckerberg, hat in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (und in weiteren internationalen Zeitungen) eine stärkere Regulierung des Internet, unter anderem seines eigenen Unternehmens, verlangt.
Die bisherigen Reaktionen der bundesdeutschen Öffentlichkeit sind durchweg enttäuschend, sei es, dass die früheren und teilweise anhaltenden Praktiken von Facebook kritisiert werden, sei es, dass Zuckerberg wohl aufgrund seiner öffentlichen Auftritte in der Vergangenheit für grundsätzlich unglaubwürdig gehalten wird, sei es, dass die eigenen Forderungen weitergehen als die Vorschläge Zuckerbergs (und dabei die Annäherung der Positionen ignoriert wird) oder sei es, dass seine Vorschläge als unrealistisch abgetan werden (Zuckerberg also mit ihnen zu weit gegangen ist). Oder man beschränkt sich darauf, die eigenen politischen Forderungen zu wiederholen, ohne auf Zuckerbergs Vorstellungen konkret einzugehen.
Diese Kritiken erinnern mich an die Zeit, als ich mich als Student an der Ruhr-Universität Bochum für progressiv hielt, weil ich über Ostkontakte verfügte. Dort dominierte ein Debattenstil, in dem jedes Argument erledigt war, sobald man es einer Person zuschreiben konnte, die dem gegnerischen Lager („Klassenfeind“) angehörte. Wenn man aber Zuckerberg immer kritisieren muss, unabhängig davon, was er sagt und dies auch, wenn er die eigenen Positionen übernehmen sollte, so kommt dies einer Gesprächsverweigerung gegenüber Facebook und wohl auch gegenüber den anderen Internet-Konzernen gleich.
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Was Zuckerberg sagt, hätte auch unser Bundespräsident sagen können. Warum dann diese Fundamentalkritik?
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Schauen wir uns erst einmal an, was Zuckerberg gesagt hat. Grundsätzlich gelte: „Wir müssen die Regeln für das Internet neu aufstellen, um das Gute zu bewahren – die Freiheit für jeden Einzelnen, sich auszudrücken, und für Unternehmer, neue Ideen zu verwirklichen – und gleichzeitig die Gesellschaft vor Schaden zu schützen.“ Das bedeute auch, dass Facebook mit seiner „riesigen Verantwortung“ überfordert sei: „Aus der Politik bekomme ich häufig zu hören, dass wir zu viel Macht darüber haben, was gesagt werden darf und was nicht. Offen gesagt, ich stimme zu.“ Folglich brauchen wir „eine aktivere Rolle von Regierungen und Regulierungsbehörden“. Diese sollten möglichst weltweit und in mindestens vier Bereichen neue Regeln einführen: „unzulässige Inhalte, Integrität von Wahlen, Datenschutz und Datenportabilität“. Als Voraussetzung dafür seien einheitliche Standards zu definieren und zu etablieren. Um soweit zu kommen, sollten wir „eine breite Debatte darüber führen, was wir als Gesellschaft erreichen wollen und wie Regulierung dazu beitragen kann. … Es ist an der Zeit, die Regeln zu überarbeiten und klare Verantwortlichkeiten für Menschen, Unternehmen und Regierungen zu definieren.“
Was ist gegen diese Worte einzuwenden, außer dass sie nicht in das übliche Freund-Feind-Schema passen? Hätte man sie unserem Bundespräsidenten in den Mund gelegt, würde sich kein Wort der Kritik erhoben haben, was auch für einen guten Teil von Zuckerbergs Vorschlägen gilt. Diese stellen dar, wie man aus Zuckerbergs Sicht in den genannten vier Bereichen weiterkommen könnte. Die Vorschläge lassen sich sicherlich kritisch betrachten, aber davor sollte man sich mit den Inhalten auseinandersetzen.
Ich habe mich mehrere Male nach dem Motto „Die Internet-Konzerne können auch mal was richtig machen“ gegen eine starke Tendenz in der Öffentlichkeit gewandt, diese seien grundsätzlich negativ zu beurteilen. Noch wollte ich mich von dem moralisierenden Furor unserer Datenschutzszene, der notfalls Kollateralschäden an der Zivilgesellschaft hinnimmt, mitreißen zu lassen. So fand ich es beinahe lustig, als unsere Datenschützer den Eigentumsbegriff neu entdeckten, um Google und seinem Projekt „Street View“ das Fotografieren von Häuserfassaden zu verbieten. Als ob Fassaden nicht so wären wie sie sind, weil man in der Öffentlichkeit einen guten Eindruck machen möchte.
Als Reaktionen auf die Erörterungen Zuckerbergs empfehle ich, nicht die Praktiken von Facebook noch seine Glaubwürdigkeit noch seine nur spekulativ zu ermittelnden Motive in den Fokus zu rücken, sondern von seinen Inhalten auszugehen. Reichen wir also Mark Zuckerberg die Hand und sehen, wohin uns das führt. Dabei können wir auch zugeben, dass Facebook und Google und Amazon bei all ihren Defiziten einen hoch nachgefragten Service für die Weltgemeinschaft leisten und dass wir auf das Knowhow und die Forschungspotenziale von Google und Facebook kaum verzichten können, wenn wir das Internet intelligent neu erfinden wollen. Es ist schade, dass man das angesichts der Qualität unserer Internet-Debatten einmal sagen muss.
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Werden wir jetzt mit Hilfe von Facebook totreguliert?
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In einem für Deutschland besonders wichtigen Bereich bin ich mit Zuckerberg allerdings ganz und gar nicht einverstanden, nämlich dort, wo Zuckerberg die DSGVO als weltweites Vorbild darstellt. Zuckerberg sagt:
„In Anlehnung an die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) fordern Menschen auf der ganzen Welt haronisierte Datenschutzbestimmungen. Ich stimme dem zu. Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn mehr Länder einen gesetzlichen Rahmen wie die DSGVO beschließen würden.
Neue Datenschutzbestimmungen in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt sollten auf den Prinzipien der DSGVO aufbauen. Sie sollten die inforrmationelle Selbstbestimmung schützen und es Unternehmen gleichzeitig ermöglichen, Inforrmationen für Sicherheitszwecke zu verwenden. … Und es sollte einen Weg gehen, Unternehmen wie uns zur Rechenschaft zu ziehen, indem Sanktionen verhängt werden, wenn wir Fehler machen. …
Ich hoffe, dass Gesetzgeber bei der Verabschiedung neuer Datenschutzbestimmungen auf einige der Aspekte eingehen werden, welche die DSGVO bislang offenlässt.“
Leider sagt Zuckerberg nicht, welche DSGVO-Prinzipien ihm speziell gefallen, welche Merkmale als weltweites Vorbild dienen sollten und was auf der Grundlage der jetzigen DSGVO weiter ausgebaut werden sollte, so dass man mit ihm auf einer konkreten Ebene nicht diskutieren kann. So drängt sich der Verdaht auf, dass er sich mit seinen Ausführungen zur DSGVO vor allem bei den europäischen Datenschützern und der öffentlichen Meinung anbiedern wollte, ohne sich mit der Verordnung in Einzelheiten auseinandergesetzt zu haben. Dass Zuckerberg nicht auf die Beschädigungen eingeht, die die DSGVO Tag für Tag in unserer Zivilgesellschaft anrichtet (und ihm die Zivilgesellschaft wahrscheinlich herzlich gleichgültig ist), ist ihm allerdings nicht anzulasten, da diese auch in unseren heimischen Debatten keine Rolle spielen.
Eines darf man allerdings voraussetzen: Wenn sich die DSGVO wirklich gegen Facebook und die anderen Internet-Konzerne richten würde, wie dies in der Debatte um die Durchsetzung der DSGVO als zentrale Begründung immer wieder behauptet wurde, dann wäre Zuckerberg von seinen Beratern von einem Lob des europäischen Datenschutzes abgehalten worden. Solches ist ein weiteres Indiz für meine früher geäußerte These, dass die Internet-Konzerne mit der DSGVO gut zurechtkommen werden, nur leider unsere Zivilgesellschaft nicht.
Das wäre schon eine eigenartige Allianz aus Facebook und unseren Datenschützern, wenn sie uns am Ende gemeinsam totregulieren.
VDI Verein Deutscher Ingenieure
Deutschland verliert in KI
den Anschluss
China auf Überholspur zu den USA
Nur noch 14 Prozent der Befragten sehen Deutschland in einer Führungsposition im internationalen Wettbewerb um die Künstliche Intelligenz – ein Minus von 53 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so eine Mitgliederumfrage des VDI.
Fernes wird es in diesem Wettbewerb um die Spitzenposition voraussichtlich bald einen Führungswechsel geben: Wo vor knapp einem Jahr noch eine Lücke von 25 Prozent zwischen den USA und China klaffte, können die Asiaten den Abstand deutlich verkürzen. Aktuell sehen noch 67 Prozent der Fachleute die USA vorne und 61 Prozent China.
Neben dem fehlenden Know-how trägt auch der leergefegte Arbeitsmarkt nicht dazu bei, dass zeitnah ein Aufwärtstrend in Deutschland in Sicht ist. Im vierten Quartal 2018 gab es monatsdurchschnittlich 126.000 offene Stellen auf dem Ingenieur- und Informatikerarbeitsmarkt. Ein Drittel – knapp 43.000 – fielen dabei allein auf den IT-Bereich. Im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht das einer Steigerung der offenen IT-Stellen von rund sechs Prozent.
41% der Industrieunternehmen nutzen
Künstliche Intelligenz in der Produktentwicklung
Nach der PwC-Studie „Digital Product Development 2025: Agile, Collaborative, AI Driven and Customer Centric“ nutzen 41 Prozent der Industrieunternehmen Datenanalyse und Künstliche Intelligenz in der Produktentwicklung. Durchschnittlich 19 Prozent Effizienzsteigerung werden in den nächsten fünf Jahren erwartet.
Digitale Spitzenreiter setzen konsequent auf Kundenzentrierung und Personalisierung und erzielen bis zu 30 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit digitalen Produkten und Services. Die Mehrheit der Unternehmen vernachlässigt die Cybersicherheit.
VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik
Schwachstellen Mitarbeiter,
zugekaufte Produkte,
Wettbewerber aus Russland und Asien
73 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern waren bereits Opfer von Cyber-Angriffen. Auch kleine Unternehmen, mit bis zu 50 Mitarbeitenden, die vor allem aus der innovativen Start-up-Szene kommen, sind in hohem Maße betroffen. 37 Prozent sagen, sie wurden schon einmal attackiert. Das ist das Ergebnis des VDE Tec Reports 2019, einer Umfrage des Technologieverbandes VDE unter den 1.300 Mitgliedsunternehmen und Hochschulen der Elektro- und Informationstechnik, die auf der Hannover-Messe vorgestellt wurde. Alarmierend ist, dass 81 Prozent der Befragten als Schwachstelle und Einfallstor für die Angriffe zugekaufte Produkte nennen. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert bei 68 Prozent.
Auffällig ist, dass bei jedem zweiten Unternehmen (50 Prozent) mit bis zu 50 Mitarbeitern die Täter aus dem Bereich der organisierten Kriminalität kommen, sie sind erpresst worden. Jeder vierte Angriff wurde von Mitbewerbern verübt. Es scheint offensichtlich, dass Konkurrenten vor allem aus dem asiatischen Raum, aus Russland und Indien mit den Cyber-Angriffen an das Know-how der deutschen Unternehmen, darunter die Start-up-Szene, und Hochschulen heranwollen. Allerdings werden die Mitarbeiter als das größte Sicherheitsrisiko (69 Prozent) gesehen. Infektionen mit Schadsoftware (59 Prozent) und die Erpressung mittels Trojaner (51 Prozent) folgen auf den Plätzen zwei und drei und werden meistens von den Beschäftigten unwissentlich unterstützt, indem sie schadhafte Dateien und Produkten die Tür in das eigene System öffnen. Weitere Sicherheitsrisiken sind Angriffe über Internet-verbundene Steuerungskomponenten, über Office-/Enterprise-Netze, externe Hardware oder der Einbruch über Fernwartungszugänge. 73 Prozent der Unternehmen sind überzeugt, dass viele mit Blick auf die wachsenden Anforderungen an IT-Sicherheit finanziell und personell überfordert sind.
27 Prozent der Hochschulen waren bereits Opfer eines Hacker-Angriffs, über die Hälfte weiß es allerdings nicht. Keine der angegriffenen Hochschulen konnte herausfinden, woher die Täter stammten. Die größte Bedrohung stellt für sie die Infektion mit Schadsoftware (73 Prozent) und die Erpressung mit Hilfe von Trojanern dar. Auf Rang drei steht das menschliche Versagen (60 Prozent). 60 Prozent der Hochschulen investieren nicht in die IT-Sicherheit. 20 Prozent der Hochschulen sagen, sie haben kein Budget, um sich zu schützen.
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