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Open Password – Donnerstag,
den 14. Mai 2020

# 753

 

Theodor Heuß – TH Wildau – RFID – iBeacon – Pepper – Bibliothekarischer Diskurs – Interne Debatten – Frank Seelinger – Etnohistorie – James Cook – Marshall Salins – Gananath Obeyesekere – Gott Leno – Troja, Traum und Wirklichkeit – Heinrich Schliemann – Manfred Korfmann – Frank Kolb – RFID – Roboter – David Lankes – Erwarten Sie mehr – Albert Einstein – Postbank Digitalstudie 2020 – Mobile Internetnutzung – Smartphone – Laptop – Tablet – Desktop-PC – Corona-Krise – Lockdown – Thomas Brosch – Homeoffice – Social Distancing – Streaming – Digital Natives

Wildau als Lab

Von Mut und Erfahrung im Umgang mit neuen Technologien: RFID, iBeacon und bis hin zu Pepper

Bibliotheken als Screening-Maschine
für neue Möglichkeiten

Für eine auf Dissens und Alternativen angelegte externe und interne bibliothekarische Diskussion

Von Frank Seeliger


Zweiter Teil

Die Pflicht zum Widerspruch ist im Gehalt inbegriffen (Theodor Heuss).

Werke sind im Regelfall in sich schlüssig aufgebaut und haben einen Argumentationsstrang, der den anderen Blick nicht freigibt. Das heißt, man hat einiges damit zu tun, nicht in allen Punkten der Überzeugungskraft eines Werkes zu widerstehen. Für meinen Beitrag bedeutet dies, es ist nur ein Point of View, es gibt andere und ebenso berechtigte Sichtweisen, die ich nicht ausschließen möchte, nur weil ich meine Perspektive habe. Es soll also widersprochen werden, unter diesem Motto wirkte ich bis zu meiner Einstellung in Wildau. In der Wissenschaft wird natürlich heftig gestritten, werden Deutungshoheiten nicht verschenkt. Aus meiner Studienzeit, die viel mit Ethnohistorie zu tun hatte, betraf dies z.B. das Ableben von James Cook und die Troja-Ausstellung. Für Außenstehende seien die Problemzonen kurz umrissen:

Der englische Seefahrer James Cook ist durch seine drei Südseereisen im 18. Jahrhundert berühmt geworden. Als er in Hawai anlegte, wurde er zunächst herzlich willkommen geheißen und beim wiederholten Anlegen ermordet. Wie konnte das geschehen? Darüber entspann sich in den 90er Jahren zwischen zwei Ethnologen eine Debatte. Nach dem US-amerikanische Anthropologen Marshall Sahlins hielten die Hawaiianer James Cook für den Gott Lono. Dessen Rückkehr und der damit einhergehende Mord symbolisieren die Erfüllung einer mythischen Geschichtserwartung. Dieser Auffassung widersprach der aus Sri Lanka stammende US-amerikanische Anthropologe Gananath Obeyesekere. Nach seiner Auslegung der bekannten Fakten handelt es sich bei der Gleichsetzung von Cook mit Gott Lono nur um eine Wunschprojektion der Engländer. Cook wurde vielmehr ermordet, weil er in mehreren seiner Handlungen Tabus gebrochen hatte und dafür zu bestrafen war.

Zum Jahrtausendwechsel war in Bonn in der Ausstellung „Troia – Traum und Wirklichkeit“ eine plastische Rekonstruktion des von Heinrich Schliemann entdeckten Ausgrabungsortes zu sehen. Dafür zeichnete der in Tübingen lehrende Ausgrabungsleiter und Prähistoriker Manfred Korfmann verantwortlich. Im Modell wird eine für ihre Zeit große und bedeutende Handelsstadt sichtbar. Aber geben die archäologischen Funde diese Interpretation her? Dem widersprach der ebenfalls in Tübingen lehrende Althistoriker Frank Kolb. Dieser Streit fand unter dem Titel „Troja-Streit“ Eingang in Wikipedia und führte zu einem Symposium zu diesem Thema. Letzten Endes erbrachte die Debatte eine Sensibilisierung – Was kann gerade noch und was kann nicht mehr gesagt werden? – bei der Auswertung archäologischer Befunde.

Das sind nur zwei Debatten aus der Ethnologie unter vielen, über die ich gleichfalls berichten könnte. Wurde man in dieser Streitkultur sozialisiert, so nimmt sich die Bibliothekszunft in ihren Veröffentlichungen und in ihren Konferenzen als sehr homogen und ohne jede Neigung zum Widerspruch aus. Man hört und sammelt Eindrücke von gerade herausgekommenen oder für demnächst angekündigten Tools, optimierten Geschäftsprozessen und ambitionierten Konzepten. Das alles wird erst einmal hingenommen. In eine solche Reihe möchte sich der Beitrag nicht einreihen!

Über Best Practice zu schreiben bedeutet nicht, vorliegende und vielleicht nachahmenswerte Beispiele unwidersprochen hinzunehmen, sondern Fragen folgen zu lassen wie: Lohnt sich der technische und finanzielle Aufwand für den Einsatz humanoider Roboter wirklich, oder war es nur ein Marketing-Gag, welcher die Aufwendungen dafür kaum rechtfertigt? Oder: Ist im Zeitalter zunehmend digitaler Information der Einsatz von RFID nach wie vor wirtschaftlich sinnvoll?

Die Entscheidung über den Einsatz stets begrenzter personeller, finanzieller und zeitlicher Ressourcen ist keinesfalls simpel. Die Sichtung möglicher Alternativen lohnt sich stets. Darin sehe ich eine Grundvoraussetzung für Innovationen, ob im Top-down- oder im Bottom-up-Verfahren: Welche Konsequenzen haben projektbezogene Neuerungen für die gesamte Einheit Bibliothek, ob im Bereich Kommunikation, auf Geschäftsgänge bezogen, für das Angebotsportfolio usw.?

Innovationen greifen in mehr als nur den vorgesehenen „Kernbereichen“ ein. Deshalb ist jeder Umsetzung von Ideen eine breite Debatte vorzuschalten, um alle Aspekte ob auf Team- oder Kundenebene angemessen in Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen. Soll Innovation gelingen, sind die vorliegenden Handlungsmöglichkeiten zunächst kritisch zu hinterfragen, die notwendigen Anpassungen an das eigene Haus zu ermitteln und eine breite Basis der Akzeptanz herzustellen.

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„Librarian as multipurpose machine.“

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Aus David Lankes Werk “Expect More” (2012) [1] wird im Folgenden ein fiktiver Dialog herausgegriffen:

„Albert Einstein goes to a party. The host is keen to show off the world-famous physicist to his mostly blue-collar friends, so he escorts Einstein around, introducing him. The first guest asks Einstein, “So what is it you do, Albert?” Einstein replies, “I seek to understand time.” “Wow,” says the guest, “We’re in the same business. I sell watches.”

The host introduces him to the second guest, who asks, “So Albert, what is it you do?” Einstein, trying to impress, replies, “I seek to understand how all the planets and stars in heaven move about the universe.” “Wow,” says the second guest, “We’re in the same line of work. I build telescopes.”

A third guest asks Einstein, “What is it you do?” Einstein replies, “I have discovered how light, magnetism, and electricity are connected.” “Wow,” says the third guest, “We’re in the same business. I repair TVs!”

The host takes a now depressed and exasperated Einstein to meet a fourth guest. “What is it you do, Albert?” asks the fourth guest. Now completely deflated, Einstein says, “Nothing. I don’t sell anything. I don’t build anything. I can’t even repair anything. I’m useless.” “Wow,” says the fourth guest, “I’m a tenured professor too!”

Few would actually see a watch salesman, a telescope builder, and a TV repairman as in the same business as Einstein, but the joke illustrates an important point: Functional definitions of professions in general, and of librarianship in particular, do not work. That is, if you seek to define the worldview of librarians by the functions they do, you will run into all sorts of problems—problems we have all seen played out at conferences and on blog posts.

Let us recast the joke. This time it is a librarian being introduced around instead of Albert Einstein (feel free to put a snide comment here).

“What do you do?” asks the first guest. “I help people find information,” says the librarian. “Wow,” says the guest, “We’re in the same business. I work at

Google [or Bing, or Yahoo].”

To the second guest, the librarian answers, “I provide access to books, CDs, and all types of materials.” “Wow,” says the second guest, “We’re in the same business. I work at Amazon.”

To the third guest, the librarian replies, “I answer people’s questions when they ask.” “Wow,” says the third guest, “We’re in the same business. I work at the Sears Helpdesk.”

[1] Als Volltext online unter https://davidlankes.org/wp-content/uploads/2014/01/ExpectMoreOpen.pdf

Screenen nach neuen Möglichkeiten

Foto: Marcel Fenske-Pogrzeba

Kurzum, die bibliothekarischen Aufgaben und Zuständigkeiten enden oft nicht dort, wo es manchmal erwartet wird und sie überschneiden sich mit benachbarten Aufgabenfeldern, die gleichfalls für Innovation und Best Practice stehen. Als die Automobilindustrie noch nicht von dem selbstfabrizierten Dieselskandal gebeutelt wurde, benutzte ich die Metapher des Autos in dem Sinn, dass sich die deutschen Autoschmieden als Weltmarktführer nach Technologien umsahen, die sie für mehr Sicherheit und Komfort unter ihre Karosserien verbauen konnten. Ganz ähnlich, so argumentierte ich seinerzeit, sollten Bibliotheken den Markt nach neuen Entwicklungen screenen, um spannende Lösungen für ihren Aufgabenbereich in das Serviceportfolio zu übernehmen (Suchmaschinentechnologie, Wissensallmende, App-Entwicklungen usw.). Man sollte auf dem Head-up-Display seiner Bildungs- und Forschungskarriere stets die tatsächlichen und möglichen Angebote der Bibliothek im Blick haben, so meine Vorstellung.

Postbank Digitalstudie 2020

Lockdown wird Internet-Nutzung
weiter verstärken

Die jüngeren Deutschen
fast permanent online

Smartphone baut Vorsprung
vor Laptops und Tablets aus

Das Internet immer zur Hand: Das Smartphone hat alle anderen Geräte abgehängt und ist ständiger Begleiter der Deutschen. 79 Prozent der Bundesbürger gehen mit ihrem Handy ins Netz. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Laptops, die 71 Prozent der Deutschen zum Surfen verwenden, und Desktop-PCs, die 58 Prozent nutzen. Zu Tablets greifen 47 Prozent der Bundesbürger, 37 Prozent sitzen vor einem Smart-TV. Dies sind Ergebnisse der repräsentativen Postbank Digitalstudie 2020, die das Nutzungsverhalten der Deutschen vor Beginn der Corona-Krise erhoben hat.

Auf das Smartphone entfallen laut der Studie auch die meisten Wochenstunden der Internetnutzung. Von den 56 Stunden, die die Deutschen im Durchschnitt pro Woche online verbringen, entfallen rund 16 auf das Smartphone, gut 13 auf den Desktop-PC und fast ebenso viele auf Laptops. “Mit 56 Stunden war das Surfen im Internet für die Deutschen bereits vor der Corona-Krise mehr als ein Vollzeitjob. Der Lockdown dürfte die Internetnutzung noch verstärkt haben”, sagt Thomas Brosch, Chief Digital Officer der Postbank. “Eine logische Folge des veränderten Alltags: Nicht nur beruflich wird verstärkt auf Online-Kommunikation gesetzt, da viele krisenbedingt im Homeoffice arbeiten. Auch privat werden digitale Kommunikationskanäle verstärkt genutzt, um Kontakt zu Freunden und Familie zu halten. Social Media gewinnt in Zeiten des Social Distancing an Bedeutung.”

Nicht zuletzt will die Freizeit gefüllt werden, wenn Kinos, Restaurants, Bars und Clubs geschlossen haben und Kulturveranstaltungen ausfallen. Streaming hat während des Shutdowns massiv zugenommen. Das Smartphone zeigt die größten Zuwachsraten unter den Geräten. Waren es 2015 erst 57Prozent der Deutschen, die mit ihren Smartphones im Netz surften, haben die Nutzungszahlen binnen fünf Jahren um knapp 40 Prozent zugelegt. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der deutschen Smartphone-Nutzer erneut um drei Prozentpunkte gestiegen. Bei Laptops ist die Nutzung leicht rückläufig, Desktop-PCs stagnieren, Tablets legen minimal um einen Prozentpunkt zu.

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Jüngere Deutsche fast permanent online __________________________________________________________________________________

Die jüngeren Deutschen waren auch schon vor der Corona-Pandemie und den massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens fast permanent online – und zwar fast alle auch mit dem Smartphone. Die unter 40-jährigen sogenannten Digital Natives 27 Stunden pro Woche mit dem Handy online. Insgesamt beläuft sich ihre Internetnutzung auf knapp 75 Stunden wöchentlich, das sind im Schnitt knapp elf Stunden täglich. “In dieser Altersgruppe dürften die Kontaktbeschränkungen vor allem bei Singles und Kinderlosen zu mehr Zeit vor dem Bildschirm führen. Sie tritt an die Stelle von Freizeitaktivitäten außerhalb der vier Wände, die im Shutdown wegfallen”, sagt Brosch.

Das veränderte Nutzungsverhalten wird auch nach überstandener Virus-Krise nachwirken. “Internetnutzung und Smartphone-Gebrauch haben auch immer etwas mit Gewohnheiten zu tun. Social Media, Messenger Dienste und Videocall-Funktionen werden wohl auch nach der Krise weiterhin intensiver genutzt werden als vorher”, so Thomas Brosch.

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