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Open Password – Montag, den 12. Juli 2021

# 946

ISI 2021 – B. Jörs – Information Behavior – Daniel Kahneman – Informing Science – Prospect Theory – Proceedings – Nachbardisziplinen – E. B. Cohen – Information Behavior and Information Literacy – Information Seeking – Information Search – Informations- und Medienkompetenz – Informationssuch-Kompetenz – Dunning-Kruger-Effekt – Suchmaschinenoptimierung – S. Schultheiß – D. Lewandowski – Thomas Schmidt – Christian Wolff – Google – Algorithmen – Neurobiologie – Wissenschaftstheorie – Philologie – M. Spitzer – Nervenheilkunde – Kritischer Rationalismus – D. Cetta – J- Griesbaum – T. Mandl – E. Montanari – M. Burghardt – Christa Wormser-Hacker – Digital Humanities- Deutsche Nationalbibliothek – Forschungsdateninfrastruktur – Digitale Geisteswissenschaften – Digitale Sozialwissenschaften – Text+ – Gemeinsame Normdatei – NFDI – FIZ Karlsruhe – Gemeinsame Wissenschaftskonferenz – NFDI4Culture – NFDI4Chem – FAIR – NFDI4DataScience – NFDI4MatWerk – MaRDI

I.

Titelgeschichte:

ISI 2021 – Ein kleines Fach zwischen „Daten“ und „Wissen“ I

Deutsche Nationalbibliothek: Eine Forschungsdateninfrastruktur für die digitalen Geistes- und Sozialwissenschaften

III.

FIZ Karlsruhe: In drei Konsortien der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur dabei

ISI 2021

Ein kleines Fach zwischen „Daten“
und „Wissen“ I

Anmerkungen zum (virtuellen) „16th International Symposium of Information Science“ (ISI 2021“, Regensburg)

Von Prof. Dr. Bernd Jörs, Hochschule Darmstadt

Wenn ein Programmkomitee für ein wissenschaftliches Symposium mit 65 Personen 7besetzt wird, dann darf man sich auf ein breites und qualitativ fundiertes Programm und Symposium freuen, auch wenn der Abstimmungsbedarf zwischen den 65 Komiteemitgliedern extrem aufwendig gewesen sein muss.

Coronabedingt musste das dreitätige Symposium virtuell stattfinden und organisiert werden. Dennoch wurde als offizieller Tagungsort Regensburg gewählt und wohl auch in Erinnerung an den leider viel zu früh verstorbenen Rainer Hammwöhner das Thema „Information Science and its Neighbours from Data Science to Digital Humanities“ im Subtitel des Tagungsthemas „Information between Data and Knowledge“ gewählt.

Schließlich war es Rainer Hammwöhner (in Zusammenarbeit mit David Elsweiler und Christian Wolff), der schon 2015 auf den für die deutschsprachige Informationswissenschaft erschreckenden Tatbestand einer langjährig naiv anmutenden Ignoranz des internationalen „Information Behavior“-Forschungsfeldes hinwies:

Man wird der deutschsprachigen Informationswissenschaft nicht wirklich unrecht tun, wenn man sie in Sachen Informationsverhalten als Spätentwickler charakterisiert. Einem der Herausgeber dieses Themenheftes ist diesbezüglich noch gut in Erinnerung, wie er 2007 im Rahmen des informationswissenschaftlichen Symposiums in Köln von einem Kollegen aus Down Under gefragt wurde, warum es denn in Deutschland keine Forschung zu diesem Thema gebe, wo dies doch in der englischsprachigen Community seit Jahren ein heißes Thema sei“ (David Elsweiler, Rainer Hammwöhner und Christian Wolff, Regensburg: Informationsverhalten als Forschungsgegenstand, in: Information. Wissenschaft & Praxis 2015; 66(1): 1–2).

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Daniel Kahnemann und den gesamten Forschungszweig der „Informing Science“ vergessen.

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Spätestens die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises 2002 an den Psychologen und Verhaltensökonomen Daniel Kahneman (zusammen mit Amos Tversky/posthum), der die Wirtschaftswissenschaften erschütterte und frontal angriff, hätte hier ein frühzeitiges Erwachen und früheres Forschungsengagement des „kleinen Faches“ der Informationswissenschaft bedingen müssen. Denn Kahnemans „Prospect Theory“ gilt seit ihrem Erscheinen 1979 als die in der Scientific Community und ihren unzähligen Fachdomänen am häufigsten zitierte Theorie der letzten gut vierzig Jahre. Informations- und Bibliothekswissenschaftler lieben doch angeblich solche wissenschaftlichen Zitationsmaße, aber vielleicht nur als reine Zahlenwerte ohne fachliche Bindung und Bezugnahme. Diese Ignoranz der bekanntesten Theorie der Verhaltenswissenschaft scheint weiterhin seitens des „kleinen Faches“ zu bestehen, wenn man sich die Mühe macht, die Beiträge und die jeweiligen Literaturverzeichnisse zum Proceedings-Tagungsband (ISI 2021) zu studieren und nicht einmal den Namen Kahneman findet. Ein ernüchterndes Dokument, das einen fehlenden Austausch mit den Nachbardisziplinen belegt. Eben Randstellung.

Bei solch eher provinziell anmutendem Wissenschaftsverständnis verwundert es nicht, dass wissenschaftliche Entwicklungen wie die gleichfalls angloamerikanisch geprägte „Informing Science“ trotz ihren zahlreichen Tagungen zur „Informing Science and Information Technology“, trotz ihrer fachwissenschaftlichen Präsenz (Informing Science – The International Journal of an Emerging Transdiscilpline; https://www.informingscience.org/Journals/InformingSciJ/Overview) und trotz ihren Forschungsschwerpunkten hierzulande nicht zur Kenntnis genommen wird. Solches wäre allerdings dringend geboten, beschäftigt sich doch gerade diese Wissenschaftsrichtung seit Jahrzehnten inter- und transdisziplinär mit Fragen des Information Behavior in der Library and Information Science:

„The fields that comprise the transdiscipline of Informing Science: provide their clientele with information, in a form, format, and schedule that maximize its effectiveness: 1. Biological and psychology issues in how clients attend, perceive, and act on information provided; 2. The decision making environment itself, including sociology and politics; 3. Issues involving the media for communicating information and 4. Error, bias, misinformation, and disinformation in informing systems” (Eli B. Cohen: A Philosophy of Informing Science in: Informing Science: the International Journal of an Emerging Transdiscipline Volume 12, 2009, Seite 5).

Auch die Suche nach Literaturbezügen zur “Informing Science” verläuft im Tagungsband ISI 2021 erfolglos. Liegt es daran, dass man aus „Konkurrenzgründen“ nicht auf den Namensvetter „Institute of Informing Science“ (ISI) verweist? Wohl eher nicht.

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Ein sehr eingegrenzter Blick auf Information Behavior.

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Anerkennenswert ist dennoch, dass man das mit zwei Sessions bestückte Themenfeld „Information Behavior and Information Literacy“ angegangen ist und Einblick in die verschiedenen Forschungsaktivitäten zum Information Behavior gegeben hat. Das geschah allerdings meistens mit einem sehr eingeschränkten nutzerseitigen Blick auf einen reduzierten Information-Behavior-Forschungsfokus mit Blick auf die „Information Seeking“- oder „Information Search“-Teilfrage, was eine ganzheitliche verhaltenswissenschaftliche Betrachtung der Nutzer außer Acht lässt. Andere fundamentale verhaltens- und kognitionswissenschaftliche sowie neurobiologische Heuristiken des Information Behavior lassen sich selten, wenn überhaupt in informationswissenschaftlichen Forschungsarbeiten finden. So auch nicht in den Beiträgen zur ISI-Tagung 2021. Man denke nur an die Mental Accounting-, Repräsentativitäts-, Anchoring-, Priming-, Nudging-, Framing-, Availability-, Affekt-, Salience-, Group-Thinking-, Choice-Overload-, Simplification- und Herd-Behavior-Heuristiken oder Dutzende von bekannten Bias-Formen (Recall-, Overconfidence-, Confirmation-Bias-, Halo-, Recency- und Primacy-Effect). Und so weiter.

Wiederum gewinnt man den Eindruck, dass das vollmundig zum Hauptgegenstand der Tagung erkorene „Information Behavior“-Forschungsfeld der Informationswissenschaft nur gewählt worden ist, um es mit der angeblich einmaligen und domänengeschuldeten „Information Literacy“-Kompetenz der deutschsprachigen Informationswissenschaft zu verknüpfen. Das ist eine äußerst eingegrenzte Sicht auf Information Behavior. Mit dieser „Information Seeking“- oder „Information Search“-Brille die Gründe für die vermehrte Nutzung von Fake News oder Desinformationen sowie „Information Literacy“-Effekte aufdecken zu wollen, dürfte in der Wissensgemeinschaft die Randstellung des „kleinen Fachs“ Informationswissenschaft eher verstärken. Es besteht die Gefahr, dass man mit dieser reduzierten Sicht international nicht ernstgenommen wird.

Wie auch die Beiträge in den Proceedings zeigen, ist die deutschsprachige Informationswissenschaft nach wie vor der Ansicht, sie sei die von vornherein bestimmte Domäne und verantwortliche Disziplin für „Informations- und Medienkompetenz“. Man fühlt sich zuständig, diese Fragen in allen Wissenschaftsrichtungen insbesondere im Bildungsbereich umfassend zu erforschen. Unter Hinzunahme und Berufung auf computerlinguistische Verfahren beansprucht man nahezu einen Alleinanspruch auf diesen Kompetenzbereich. Damit wird die Teildisziplin des Information Behavior missbraucht, um den Anspruch auf einen bis heute nicht geklärten „Kompetenzbegriff“ zu untermauern.

Wiederum wird ein altes Dilemma diesmal von den Proceedings aufgezeigt. Alle weisen auf die exorbitant gestiegenen Gefahrenpotenziale von Desinformation oder Fake News hin, als ob es diese Formen der absichtlichen und unabsichtlichen Falschinformation geschichtlich nicht gegeben hätte. Alle wünschen verstärkt die Vermittlung von „Informationskompetenz“ (Information Literacy) und/oder „Medienkompetenz“, möglichst schon in oder ab der Grundschule, manche sogar schon ab dem Vorschulalter.

Der Bibliothekswissenschaft sei die Vermittlung dieser „Kompetenz“ als Alleinstellungsmerkmal zugewiesen und gegönnt, dies nach dem Motto: „Wo finde ich was?“ Es geht also konkret um die Vermittlung einer „Finde-Kompetenz“ bzw. „Informationssuch-Kompetenz“, also einer Art Recherche-Kompetenz. Aber auf die kognitive Verzerrung, also die auf Selbstüberschätzung des eigenen Wissens und Könnens beruhende Beanspruchung einer „Richter-Funktion“, was richtige und falsche Information sei, wurde bereits mehrmals kritisch in Open Password hingewiesen. Man muss hier an den Dunning-Kruger-Effekt denken. Wirkliche operative Hilfen für die Praxis etwa in Schulen und Unternehmen leisten auch die Dokumentation der Forschungsbemühungen und Sessionsbeiträge der ISI 2021 wenn überhaupt dann am Rande. Der Begriff der Informationskompetenz bleibt unverbindlich im Raum stehen, wird nicht konkret operationalisiert und kaum mit Transferangeboten angereichert. Nachweise, dass damit Desinformationen nachhaltig „bekämpft“, Fake News rascher erkannt, relevante von irrelevanten Informationen herausgefiltert und schneller auffindbar werden, wahre von unwahren Aussagen unterschieden sowie Suchmaschinenergebnisse besser bewertet werden, fehlen wieder einmal.

Wohl sind allgemeine Hinweise auf Kenntnisse der Suchmaschinenoptimierung und der Differenzierung von generischen und werbebasierten Anzeigen von Suchergebnissen als erweiterte Schulungen von Informationskompetenz dienlich, weil sie die Defizite in den Kenntnissen der Nutzer offenlegen (Sebastian Schultheiß; Dirk Lewandowski: (Un)bekannte Akteure auf der Suchergebnisseite? – Ein Vergleich zwischen selbst eingeschätzter und tatsächlich vorhandener Suchmschinenkompetenz deutscher InternetnutzerInnen; in: Thomas Schmidt; Christian Wolff (Eds): Information between Data and Knowledge. Schriften zur Informationswissenschaft 74, Regensburg, 2021, S. 218-247). Aber auch hier ist Bescheidenheit wenn nicht Demut vonnöten. Denn die Algorithmen der (Google-)Suchmaschine mit ihren über 200 Variablen und der Anwendung von mathematisch hoch komplexen „Fast Fourrierer Transformationen“ sind juristisch als Betriebsgeheimnis geschützt und keiner Öffentlichkeit zugänglich. Es bleibt also beim Raten. Suchmaschinenoptimierer sind Teilnehmer eines dauerhaften Test- und Ratespiels gegen die Suchmaschinenbetreiber. Sie wissen nicht, wie die Suchergebnisse wirklich algorithmisch auf den Weg gebracht werden.

Was also bleibt an Substanz für die Ansprüche an „Informationskompetenz“, die man so gern als eigene Kernkompetenz bzw. unumgängliche Kulturtechnik (wie Rechnen, Schreiben und Lesen) „verkaufen“ möchte? Auch die Proceedings der ISI 2021 zeigen, dass man den Erscheinungen der Desinformation mit „Informationskompetenz“ entgegenwirken möchte. Das ist innerhalb und außerhalb pädagogischer Einrichtungen ein ehrenwertes Ansinnen. Aber ist dies eine „Kompetenz“?

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Wo bleiben die Inputs aus der Neurobiologie, der Wissenschaftstheorie und der Philologie?

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Eine breitere Sicht auf das interdisziplinäre Forschungsfeld des Information Behavoir würde helfen, mehr über die Nutzererwartungen und -verhaltensmuster bei der Fake-News-Thematik und der absichtlichen Produktion von Desinformationen offenzulegen und nicht nur auf „Information Search“ oder „Information Seeking“ zu schauen. Wenn man die Gründe für eine mangelhafte „Informationskompetenz“ und die „Copy-Paste-Unkultur“ im Zeitalter des „Information Overload“ nur auf fehlende Kenntnis der richtigen „Informationssuchstrategien“ in Bibliotheken und Fachdatenbanken zurückführt, mindert dies den Erklärungsgehalt der eigenen Forschungsergebnisse beträchtlich. Wenn „Information Behavior“-Ansätze als endogene und exogene Erklärungsvariable miteinbezogen werden sollen, dann sollten die Untersuchungen zum Informationsverhalten schon weit früher ansetzen, zum Beispiel bei der Willensbildung bzw. der intrinsischen Motivation der Nutzer.

Die neurobiologische Verhaltensforschung legt dazu seit längerem bemerkenswerte Forschungsergebnisse vor:

Das Nutzerverhalten ist erschreckend naiv: „Beim Umgang mit zwei sich widersprechenden Informationen wird meist versucht, durch Befragung kompetenter Personen oder die Suche nach einer weiteren Quelle eine der Quellen zu bestätigen. Dabei werden Fachbücher eher selten herangezogen. Projektteilnehmer gaben signifikant häufiger an, einfach die verständlichere Quelle zu nutzen, und versuchten seltener, eine Quelle zu widerlegen. […] Außerdem zeigte sich, dass Schüler dazu tendieren, einfach zugängliche Quellen unabhängig von ihrer Glaubwürdigkeit zu bevorzugen“ (M. Spitzer: Digital 0.0. Wider die postfaktische Bildungspolitik; in: Nervenheilkunde, 4/2017, S. 205-212, Seiten 207-208).

An anderer Stelle wurde mehrfach darauf verwiesen, dass zusätzlich zu dem einschlägigen domänenspezifischen Vorwissen eins hinzukommen muss – die erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Grundhaltung einer kritisch-rationalen Einstellung der NutzerInnen bei der Informations(such-)Kompetenz oder besser Recherche-Kompetenz sowie bei der Aufdeckung von jedweden Fake News:

„Hierzu gehört insbesondere auch eine wissenschaftstheoretische Einstellung, die den Prinzipen gängiger Paradigmen wie der des kritischen Rationalismus folgt. Vielleicht, so lässt sich hier fragen, bildet jenseits fach- oder prozessbezogener Fähigkeiten die Bereitschaft, Dinge kritisch-rational zu hinterfragen (Jörs), die erkenntnistheoretische Fundierung von Informationskompetenz“ (D. Cetta, J. Griesbaum, T. Mandl, E. Montanari: Positionspapiere. Informationskompetenz und Informationskompetenzvermittlung: Aktueller Stand und Perspektiven. Hildesheim 2019; Seite 3).

Nach wie vor sieht die Informationswissenschaft weg, wenn Nachbarwissenschaften wie die Kognitions- und Neurowissenschaften auf die Grenzen hoher Ansprüche an Information Literacy hinweisen. Nicht zuletzt hat es seitens der Neurobiologie wieder verstärkt kritische Hinweise auf das aus ihrer Sicht problematisch besetzte Unwort der „Informations-“ bzw. „Medienkompetenz“ gegeben:

Das Ganze (gemeint sind Informations- oder Medienkompetenz, der Verf.) erscheint bei flüchtiger Betrachtung vernünftig und sinnvoll, hat jedoch einen entscheidenden Haken: Eine allgemeine Fähigkeit, Wahrheit von Falschheit zu unterscheiden, gibt es nicht, weil es eine solche Fähigkeit gar nicht geben kann“ (M. Spitzer: Keilschrift, Kant und Kaufverträge, in: Nervenheilkunde 2020; 39; Seiten 198-205, Seite 201).

Und weiter:

Um ein Urteil über die Wahrheit oder Falschheit einer Aussage über irgendetwas – völlig egal, worum es geht – zu fällen, braucht man ganz grundsätzlich Vorwissen über das Sachgebiet, in das diese Aussage eingebettet ist. Eine Fähigkeit, die Wahrheit oder Unwahrheit von Informationsschnipseln jeglicher Herkunft diesen selbst – ohne jegliche Vorkenntnisse – sozusagen sofort anzusehen (und die nicht mit Intelligenz, Denkvermögen, Durchhaltevermögen oder Willenskraft identisch ist, denn diese Fähigkeiten gibt es ja schon, weswegen sie auch schon einen Namen haben), gibt es nicht. Man kann daher auch nicht Googeln lernen. Es ist vielmehr das Wissen in einem bestimmten Fachgebiet (Seinsbereich), welches einem das Verständnis von Einzelheiten in diesem Fachgebiet erlaubt. Solches Wissen besteht nicht in einer strukturlosen Ansammlung von irgendwelchen Fakten (Schnipseln wie etwa die Antwort auf die Frage „Welcher hinterindische Nacktfrosch kann bei minus 4 Grad Celsius kopulieren?“), sondern ist grundsätzlich, wie in der Philologie schon lange bekannt, vernetzt und handlungsrelevant (M. Spitzer, a.a.O., Seite 201).

Die Proceedings zur ISI 2021 machen nicht den Eindruck, dass diese Ergebnisse und Einwände der verhaltenswissenschaftlich relevanten Nachbardisziplin(en) wirklich zur Kenntnis genommen worden sind. Das Verhältnis zwischen Informationswissenschaft und Digital Humanities galt noch vor Jahren als angespannt (Manuel Burghardt*, Christian Wolff und Christa Womser-Hacker, Informationswissenschaft und Digital Humanities, in: Information. Wissenschaft & Praxis 2015; 66(5–6): Seiten 287–294). Dieses Verhältnis wurde auf der ISI 2021 erneut diskutiert (M. Burghardt; Jan Lehmann: Same same, but different? On the Relation of Information Science and the Digital Humanities – A Scientometric Comparison of Academic Journals Using LDA and Hierarchical Clustering, in: Thomas Schmidt; Christian Wolff (Eds): Information between Data and Knowledge. Schriften zur Informationswissenschaft 74, Regensburg, 2021, S. 173-200). Der fachliche Austausch mit den Digital Humanitites sollte von der Informations- und Bibliothekswissenschaft genutzt werden, um ihre einseitige Fixierung auf die „Informationskompetenz“ aus hermeneutisch-philologische kritischer Sicht zu beurteilen.

Ein Grund hierfür ist in dieser Tatsache begründet:

Die Wissenschaft vom Umgang mit Texten gibt es durchaus – schon sehr lange, nämlich seit es Texte gibt, also seit der Keilschrift und den Hieroglyphen. Man nennt sie Philologie. Und so wie wir keine neue Wissenschaft von Stoffen brauchen, die „Molekülkompetenz“ heißt, weil es die Chemie schon lange gibt, brauchen wir keine Medienkompetenz, weil es die Philologie schon sehr lange gibt. … Halten wir fest: Medienkompetenz ist etwas, das es entweder gar nicht geben kann (weil eine „Wahrheitskompetenz im Allgemeinen“ nicht existiert) oder etwas, das es schon sehr lange gibt und wofür man keinen neuen Namen braucht. (M. Spitzer; a.a.O., Seite 202).

Aber das wollen Vertreter des „kleinen Faches“ Informationswissenschaft nicht hören.

Lesen Sie in der abschließenden Folge: In der universitären Informationswissenschaft nur noch Informationsethik, Informationskompetenz und Information Assessment? – Den Niedergang einer praxis- und arbeitsmarktorientierten Informationswirtschaft zugelassen – Von Data Science und Künstlicher Intelligenz kaum zur Kenntnis genommen – Ist die Informationswissenschaft am Ende? Bleiben wird wohl die Bibliothekswissenschaft

Deutsche Nationalbibliothek

Eine Forschungsdateninfrastruktur

für die digitalen Geistes- und Sozialwissenschaften

(DNB) Mit der Bewilligung des Verbundes „Text+“ durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz wird die Initiative für zunächst fünf Jahre durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Mit ihrem Engagement für „Text+“ schreibt die Deutsche Nationalbibliothek entsprechend ihrer Strategischen Prioritäten die Aktivitäten im Bereich der Digital Humanities, der digitalen Geistes- und Sozialwissenschaften, fort und fördert aktiv die Vernetzung mit der Wissenschaft. Dem Verbund „Text+“ gehören mehr als 30 Partner aus universitären sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Gedächtniseinrichtungen an. Er hat das Ziel, text- und sprachbasierte Forschungsdaten langfristig zu erhalten und ihre breite Nutzung in der Wissenschaft zu ermöglichen.

Die Deutsche Nationalbibliothek trägt mit frei nutzbaren Informationen wie Metadaten und digitalisierten Inhaltsverzeichnissen sowie neuen Möglichkeiten, mit ihren digitalen Beständen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben mittels Text- und Data-Mining wissenschaftlich zu arbeiten, zum Datenkorpus von „Text+“ bei. Die Gemeinsame Normdatei GND bietet darüber hinaus eine Basis, als spartenübergreifendes Erschließungsinstrument zur Grundlage einer semantischen Vernetzung zu werden. Sie wird in Kooperation mit Bibliotheken, Bibliotheksverbünden und anderen Institutionen aus Kultur und Wissenschaft erarbeitet. Aktuell enthält die GND rund 8,8 Millionen normierte Datensätze für Personen, Körperschaften, Konferenzen, Geografika, Sachschlagwörter und Werktitel, die ständig ergänzt, aktualisiert und genutzt werden.

„Text+“ baut im Rahmen der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) eine auf Sprach-, Schrift- und Textdaten ausgerichtete Forschungsdateninfrastruktur auf. Als Grundlagen der menschlichen Kultur, des Wissens und der Kommunikation umfassen diese Materialien mehrere tausend Jahre Kulturerbe, die durch Forschende aus den Geisteswissenschaften und den angrenzenden Disziplinen oft über viele Jahre gesammelt und angereichert wurden. Der Verbund konzentriert sich zunächst auf digitale Sammlungen, lexikalische Ressourcen und wissenschaftliche Text-Editionen. Derartige digitale Daten sind von großer Bedeutung für alle sprach- und textbasierten Disziplinen, insbesondere für die Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften, die Philosophie, für Klassische Philologien und für die Anthropologie. Da Text und Sprache in der Kommunikation nach wie vor eine zentrale Rolle spielen, kann eine Vielzahl weiterer Disziplinen von „Text+“ profitieren, u.a. die Sozial-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften.

FIZ Karlsruhe

In drei Konsortien der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur dabei

(FITZ Karlsruhe) Bund und Länder haben die Förderung zehn weiterer Konsortien in der NFDI beschlossen. FIZ Karlsruhe — Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur wirkt an dreien in erster Reihe mit: im Konsortium NFDI for Data Science and Artificial Intelligence (NFDI4DataScience), in dem für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik (NFDI-MatWerk) sowie in der Mathematical Research Data Initiative MaRDI.

Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern hat im Zuge des Aufbaus der NFDI die Förderung weiterer zehn Konsortien beschlossen. Grundlage ist eine Förderempfehlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der ein mehrstufiger wissenschaftsgeleiteter Begutachtungsprozess vorangegangen ist. Bereits in der ersten Förderrunde im Juni 2020 waren insgesamt neun Konsortien bewilligt worden. Die beiden Konsortien NFDI4Culture und NFDI4Chem, an denen FIZ Karlsruhe als Mitantragsteller beteiligt ist, haben mit Förderbeginn im Oktober 2020 ihre Arbeit aufgenommen. Eine dritte Förderrunde wird im nächsten Jahr folgen, so dass insgesamt bis zu 30 Konsortien tätig werden sollen.

Wiederum in der Rolle des Mitantragstellers wirkt FIZ Karlsruhe an dreien der aktuell auf den Weg gebrachten Konsortien maßgeblich mit. Hier liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Implementierung der FAIR-Prinzipien für Forschungsdaten. „FAIR“ steht dabei für Findable (auffindbar), Accessible (zugänglich), Interoperable (interoperabel) und Reusable (wiederverwendbar). Ziel ist es, Forschungsdaten für Menschen und Maschinen optimal aufzubereiten und zugänglich zu machen — ungehindert und verlustfrei.

Das Konsortium NFDI4DataScience verfolgt die Entwicklung, Einrichtung und Aufrechterhaltung einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur für die Bereiche Data Science und Künstliche Intelligenz. Oberstes Ziel ist es, wesentliche digitale Artefakte, also Forschungsdaten, Software und vortrainierte Modelle, verfügbar zu machen, miteinander zu verknüpfen und innovative Tools und Dienste anzubieten.

Im Konsortium NFDI-MatWerk entsteht ein an die Bedürfnisse von Materialwissenschaft und Werkstofftechnik ausgerichteter digitaler Datenraum, der die hochkomplexen Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Materialdaten abbildet und niedrige technologische Barrieren für dessen Nutzung aufweisen soll. Zu diesem Zweck strebt NFDI-MatWerk eine Materialontologie an, die über eine Graphdatenbank-Infrastruktur ein einfaches Teilen von Daten, komplexe Suchanfragen und Auswertungen über verteilte Datenquellen ermöglicht — eine exzellente Basis für die KI der nächsten Generation.

Mathematische Forschungsdaten reichen von Datenbanken für spezielle Funktionen und mathematische Objekte bis hin zu Aspekten des wissenschaftlichen Rechnens wie Modelle und Algorithmen. Mit dem künftigen Portal der Mathematischen Forschungsdateninitiative MaRDI wird eine Infrastruktur geschaffen, die es ermöglicht, Forschungsdaten über dezentrale und vernetzte Wissens- und Datenspeicher systematisch zu sichern, zu erschließen und nutzbar zu machen.

Ziele und Aufgaben der NFDI. Die NFDI soll die heute oft dezentral, projektförmig und temporär gelagerten Datenbestände von Wissenschaft und Forschung für das deutsche Wissenschaftssystem systematisch erschließen. Die NFDI wird durch Nutzende von Forschungsdaten sowie von Infrastruktureinrichtungen ausgestaltet, die dazu in und zwischen Konsortien zusammenarbeiten. Die NFDI soll Standards im Datenmanagement setzen und als digitaler, regional verteilter und vernetzter Wissensspeicher Forschungsdaten nachhaltig sichern und nutzbar machen

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