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Open Password – Mittwoch, den 28. Oktober 2020

# 844

Informationskompetenz – Informationsdidaktik – Antje Michel – Pssword Online – Fake News – Wissenskulturen – Wissenskulturelle Praxis – Wissenskulturelle Perspektive – K. Knorr-Cetina – Wissenskulturen und informationswissenschaftliche Studien – Informationsverhaltensforschung – T. Hapke – R. Farrell und W. Badke – Wissenschaftliche Bibliotheken – Lev Vygotskij – Hans Aebli – T. Rosman – Zielgruppenspezifik – KIBA – Designstudium – Medizinstudium – TH Köln – Kompetenz-Sets – Amboss – Deutsche Informationswissenschaft – Bernd Jörs – I-Science-Zag – Fachliche Differenzierung-

Justice Department – Google – Microsoft – Apple – Amazon – Facebook – Federal Trade Commission – Jeff Rosen – eGovernment MONITOR 2020 – Digitale Verwaltung – Deutschland – Österreich – Schweiz – Initiative D 21 – TU München – Kantar – Awareness – Onlinezugangsgesetz – Markus Richter – Bundesministerium des Innern – Corona – Zufriedenheit – Künftige Vielnutzer – Hannes Schwaderer – Online-Ausweisfunktion – Helmut Krcmar – TAN – SwissID

Informationskompetenz

Informationsdidaktik für verschiedene Wissenskulturen

 

Ein Mathematiker, eine Physikerin und ein Ingenieur – von der wissenskulturellen Dimension der Informationskompetenz und der Relevanz ihrer informationsdidaktischen Analyse

Von Antje Michel, FH Potsdam

In den vergangenen Monaten sind in Password Online eine ganze Reihe von Beiträgen erschienen, die sich mit dem Thema Informationskompetenz auseinandergesetzt haben. Sie alle hatten einen unterschiedlichen Fokus, es einte sie jedoch eine eher kritische Perspektive auf ein universelles Kompetenzset, aus dem sich „Informationskompetenz“ ergibt[1]. Spannend ist insbesondere im Kontext des aktuellen, lebhaften Diskurses zu Fake News, dass einige Autor*innen explizit soziale und emotionale Faktoren als relevante Kriterien für den Umgang mit Information betonen[2].

Mit diesem Text und dem sich anschließenden Beitrag von Inka Tappenbeck möchten wir auf die „wissenskulturelle Praxis“ als einen weiteren Faktor genauer eingehen, der prägt, was in unterschiedlichen Kontexten als Informationskompetenz zu verstehen ist.

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Die wissenskulturelle Perspektive

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„Ein Mathematiker, ein Physiker und ein Ingenieur wollen herausfinden, wie hoch ein bestimmter roter Gummiball abprallt, wenn er aus einer bestimmten Höhe auf eine bestimmte Fläche fällt.

Der Mathematiker leitet die Elastizität des Balls aus seiner chemischen Zusammensetzung ab, leitet die Gleichungen ab, um zu bestimmen, wie hoch er abprallen wird, und berechnet es.

Der Physiker nimmt den Ball mit ins Labor, misst seine Elastizität und setzt die Variablen in eine Formel um.

Der Ingenieur schlägt es in seinem roten Gummiballbuch nach.“[3]

Die offensichtliche Unterschiedlichkeit wissenschaftlicher Disziplinen wird durch entsprechende popkulturelle Darstellungen (z.B. in Filmen oder in Witzen wie dem oben zitierten) seit Jahrzehnten als Faktum kolportiert. Dass Unterschiede nicht nur in den epistemologische Grundannahmen und der Methodenwahl, sondern im gesamten Produktionspraxis wissenschaftlichen Wissens (teils auch die traditionellen Disziplinen übergreifend) existieren, weist die Wissenssoziologin Knorr-Cetina in einer in Soziologie und Wissenschaftsforschung breit rezipierten Studie nach. Knorr-Cetina prägt zur Unterscheidung dieser Typen der Wissenschaftspraxis den Begriff der „Wissenskulturen“.[4]

Der oben zitierte Scherz illustriert, dass sich wissenskulturelle Unterschiede sehr deutlich in der Methode zeigen, mithilfe derer Erkenntnis generiert wird, selbst wenn (was eher selten ist) von einer disziplinenübergreifenden Forschungsfrage auszugehen ist. An der Informationskompetenz der Angehörigen der drei genannten Wissenskulturen ist jedoch besonders interessant, dass bereits die Datengrundlage, auf deren Basis die relevanten Informationen zur Befriedigung des Informationsbedarfs zusammengefügt werden, unterschiedlich ist. Auch die Formen der Datenerhebung (Chemiker, Physiker) bzw. die Informationsmittel (Ingenieur) unterscheiden sich. Zwar würde (hoffentlich) keiner der drei Wissenschaftler den Erkenntnisweg der beiden anderen als unwissenschaftlich ablehnen, aber die Daten- bzw. Informationsgrundlage der anderen Disziplinen hilft ihm zur Befriedigung seines spezifischen Informationsbedarfs nicht weiter. Dieses kleine Beispiel illustriert somit sehr schön, dass nicht nur der Informationsbedarf in unterschiedlichen Wissenskulturen differiert und auf unterschiedliche Weise befriedigt wird, sondern sich das bereits das, was als relevante Information bzw. Datengrundlage gilt, unterscheidet.

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Geringe Bedeutung der Wissenskulturen in informationswissenschaftlichen Studien

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Diese Fragestellungen sind fundamental für die informationswissenschaftliche Informationsverhaltensforschung, die sich in der angelsächsischen und skandinavischen Wissenschaftslandschaft mit einigen Vorläufern in den 1960iger Jahren herausgebildet und seit den 1980iger Jahren breit etabliert hat.[5] Teils sogar mit Bezug auf Knorr-Cetina sind zahlreiche englischsprachige Konzepte und Einzelstudien zum Informationsverhalten von Wissenschaftler*innen und/oder Studierenden unterschiedlicher Disziplinen entstanden. Jedoch ist die Disziplinenspezifik oder wissenskulturelle Spezifik von Informationskompetenz in den forschungsbasierten Veröffentlichungen im Fachdiskurs zur Informationskompetenz bestenfalls ein Randphänomen und spielt in inhaltsanalytischen Auswertungen des internationalen Fachdiskurses keine Rolle.[6]

In der deutschen Informationswissenschaft hat die Erforschung des Informationsverhaltens der Angehörigen spezifischer Fachdisziplinen oder Wissenskulturen bislang eine untergeordnete Bedeutung. Auch im informationswissenschaftlichen und informationspraktischen Fachdiskurs zur Informationskompetenz ist die wissenskulturelle Spezifik bisher kein Kernthema (mit beachtenswerten Ausnahmen wie z.B. bei Hapke oder bei Farrell und Badke).[7] Somit ist wenig verwunderlich, dass ein Großteil der Schulungsangebote zur Vermittlung von Informationskompetenz in deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken fachübergreifend und nicht fachspezifisch angelegt wird – zumal dies aus der Perspektive des Ressourceneinsatzes zunächst durchaus sinnvoll erscheint.[8]

Dies ist jedoch grundsätzlich problematisch, weil eine zentrale Voraussetzung für den Lernerfolg die Anschlussfähigkeit der Lerninhalte an den Wissensvorrat und die Lerngewohnheiten der jeweiligen Lernenden ist, wie dies bereits von lerntheoretischen Klassikern wie Lev Vygotskij oder Hans Aebli postuliert wurde.[9]

Leider stehen generalisierbare bzw. fachübergreifende Evaluationen von Vermittlungsangeboten zur Förderung von Informationskompetenz aus, die prüfen, ob sich der Lernerfolg bei fachkulturell eingebetteten Lernangeboten von fachübergreifenden bzw. extracurricularen Lernangeboten unterscheidet. In einer nicht generalisierbaren Einzelstudie kommen Rosman et. al. jedoch zu dem Ergebnis, dass der Lernerfolg von Studierenden der Psychologie bei Veranstaltungen zur Vermittlung von Informationskompetenz höher ist, wenn die Vermittlung in das fachliche Curriculum der Studierenden eingebettet wird.[10]

[1] Vgl. exemplarisch: Jörs, B. (19. Dezember 2019). Informationskompetenz. Förderung auf der Basis von Fachkompetenz und im Bewusstsein des eigenen Irrtums. Open Password #682. https://www.password-online.de/?wysija-page=1&controller=email&action=view&email_id=838&wysijap=subscriptions. Abrufdatum: 25. September 2020; Rudolph et. al. nach Mitera, Hannah; Zellmer, J.; Cetta, D.; Griesbaum, J. (31. Juli 2020). Informationskompetenz, Demokratie und Bildung – Internationale Perspektiven. Open Password #797. https://www.password-online.de/?mailpoet_router&endpoint=view_in_browser&action=view&data=WzEzMywiMTA5Yjk5ZDQ5YTBkIiwwLDAsMTIzLDFd. Abrufdatum: 25. September 2020. Hapke, T. (03. März 2020). Zu einer ganzheitlichen Informationskompetenz gehört eine kritische Wissenschaftskompetenz. Open Passwort #715. https://www.password-online.de/?mailpoet_router&endpoint=view_in_browser&action=view&data=WzQzLCJkMTY5ZDA2ZGRhMDgiLDAsMCwzNiwxXQ. Abrufdatum: 25. September 2020.

[2] Heck, T. sowie Kurbanoglu, S. nach Mitera, H.; Zellmer, J.; Cetta, D.; Griesbaum, J. (31. Juli 2020). Informationskompetenz, Demokratie und Bildung – Internationale Perspektiven. Open Password #797. https://www.password-online.de/?mailpoet_router&endpoint=view_in_browser&action=view&data=WzEzMywiMTA5Yjk5ZDQ5YTBkIiwwLDAsMTIzLDFd. Abrufdatum: 25. September 2020.

[3] Spektrum.de SciLogs, Reusch, S. (1. Dezember 2010). Ein Mathematiker, ein Physiker und ein Ingenieur – Wissenschaftlerwitze. https://scilogs.spektrum.de/enkapsis/ein-mathematiker-ein-physiker-und-ein-ingenieur-wissenschaftlerwitze/. Abrufdatum: 10. September 2020

[4] Knorr-Cetina, K. (2002). Wissenskulturen: ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen. Suhrkamp, Frankfurt am Main.

[5] Vgl. Ford, N. (2015). Introduction to information behaviour. Facet Publishing.

[6] Vgl. Onyancha, O. B. (2020). Knowledge visualization and mapping of information literacy, 1975–2018. IFLA Journal, 0340035220906536.

[7] Vgl.: Michel, A., & Tappenbeck, I. (2019). Information Literacy, Epistemic Cultures and the Question “Who Needs What?”. In M. Richter (Ed.), LILG-2019: Conference Proceedings of the LILG 2019 Conference (2019) (pp. 1–10). Frankfurt am Main. https://informationliteracy.eu/conference/assets/papers/LILG-2019_Michel-Tappenbeck_IL-epistemic-cultures.pdf); Hapke, T. (2016). Informationskompetenz anders denken. Zum epistemologischen Kern von „information literacy“. In W. Sühl-Strohmenger & M. Straub (Eds.), De Gruyter Reference. Handbuch Informationskompetenz / herausgegeben von Wilfried Sühl-Strohmenger. Unter Mitwirkung von Martina Straub (2nd ed., pp. 9–21). Berlin: De Gruyter Saur; Farrell, R., & Badke, W. (2015). Situating information literacy in the disciplines: A practical and systematic approach for academic librarians. Reference Services Review, 43(2), 319–340. https://doi.org/10.1108/RSR-11-2014-0052.

[8] Statistik Informationskompetenz. http://zpidlx54.zpid.de/wp-content/uploads/2018/08/IK_Bundesstatistik_2017.pdf, Abrufdatum 15. September 2020.

[9] Vgl.: Vygotskij, L. S., Métraux, A., & Kämper, R. (Eds.) (1992). Geschichte der höheren psychischen Funktionen. Fortschritte der Psychologie: Vol. 5. Münster: LIT.; Aebli, H. (2006). Zwölf Grundformen des Lehrens: Eine allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage; Medien und Inhalte didaktischer Kommunikation, der Lernzyklus (13. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta.

[10] Rosman, T., Mayer, A.-K., & Krampen, G. (2016). A longitudinal study on information-seeking knowledge in psychology undergraduates: Exploring the role of information literacy instruction and working memory capacity. Computers & Education, 96, 94–108. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2016.02.011).

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Informationsdidaktik als Matrix für die Entwicklung wissenskulturspezifischer Angebote zur Förderung von Informationskompetenz

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Gegenstand der Informationsdidaktik ist die Erforschung der wissenskulturellen Spezifik von Informationskonzept und Informationsverhalten mit dem Ziel, Wissenstransfer- und Lernprozesse zielgruppenspezifisch passgenauer zu gestalten.[1] Angesichts der oben skizzierten Diskurslücke in Forschung und Praxis hat die Fachgruppe „Informationskompetenz“ der KIBA eine Definition von „Informationsdidaktik“ weiterentwickelt:

„Hinsichtlich der theoretischen Modellbildung zielt die Informationsdidaktik auf 4 Elemente:

  1. die Identifikation der spezifischen Arten von Information in verschiedenen sozialen Kontexten (wissenskulturell orientierte Informationstypologie),
  2. die Beschreibung und Analyse der spezifischen Arten des praktischen Umgangs mit Information in diesen Kontexten (wissenskulturell orientierte Informationspraxis),
  3. den Einbezug der Anforderungen an den Umgang mit Information in diesen Kontexten (wissenskulturell spezifische Anforderungsprofile) sowie
  4. die Berücksichtigung der in diesen Kontexten dominierenden Lernpraktiken (wissenskulturell spezifische didaktische Praxis).“[2]

Diese Definition bildet eine Analysematrix, aus der sich folgende Fragen für Studien zum Informationsverhalten unterschiedlicher Wissenskulturen ableiten lassen:

  • Was ist in der spezifischen Wissenskultur relevante „Information“?
  • Wie wird im spezifischen Kontext mit Information umgegangen?
  • Welche Anforderungen resultieren aus der Informationstypologie und der Informationspraxis für die Entwicklung spezifischer Vermittlungsangebote?
  • Welche Lernpraktiken dominieren in der spezifischen Wissenskultur, an die die Vermittlungsangebote adaptiert werden sollten?

Im Berufsalltag der Informationsberufe in Deutschland und hier insbesondere in wissenschaftlichen Bibliotheken gehört Forschung selten zum Tätigkeitsprofil von Bibliothekar*innen. Anders als z.B. in den USA ist es daher für deutsche Bibliothekar*innen nur in Einzelfällen möglich, systematische Studien zum Informationsverhalten von Wissenskulturen als Grundlage für eine zielgruppengerechte Ausgestaltung von Angeboten zur Förderung von Informationskompetenz durchzuführen. Damit wird es zur Aufgabe der informationswissenschaftlichen Kolleg*innen, Erkenntnisse zum wissenskulturellen Informationsverhalten für die Informationspraxis nutzbar zu machen.

An der FH Potsdam und an der TH Köln sind in den letzten Jahren einige Abschlussarbeiten dazu entstanden.[3] Zwei besonders gute Arbeiten an der FH Potsdam, die das unterschiedliche Informationsverhalten bereits von Studierenden unterschiedlicher Disziplinen und deren Auswirkungen auf die Gestaltung von Angeboten zur Förderung von Informationskompetenz zum Gegenstand haben, befassen sich mit Studierenden des Designs bzw. der Medizin.[4] Ihre vergleichende Lektüre macht deutlich, dass die Beschaffenheit der als relevant nachgefragten Information zwischen den Disziplinen und teils auch je nach Fortschritt im Studium variiert: Während in den Designdisziplinen visuelle Informationsträger dominieren und die recherchierte Information eine eher unsystematische Inspiration mit dem Ziel der Entwicklung von Ansätzen zur Problemlösung ist, sind in der theoretischen medizinischen Ausbildung textliche Informationsträger für vorwiegend faktenbasierte Informationen zum Zweck der Entwicklung eines enzyklopädischen Überblickswissens entscheidend. Hingegen wird in den klinischen Praxisphasen des Medizinstudiums Information eher durch die Beobachtung des ärztlichen Handelns erschlossen und zielt auf die Entwicklung eines prozeduralen Wissens. Diese Unterschiede betreffen nicht nur den als relevante Information beurteilten Gegenstand und die zu erzeugende Wissensform, sondern auch die Praktiken der Aneignung: In den Designdisziplinen werden vorrangig in praxisorientierten Projektarbeiten Prototypen für Produkte oder Services entworfen, in der theoretischen medizinischen Ausbildung Fakten in Vorlesungen aufgenommen und in Einzel- oder Gruppenarbeit memoriert. In den medizinischen Praxisphasen wird Erfahrungswissen im Schüler*innen-Meister*innen-Modus vom Beispiel der betreuenden Ärzt*innen bzw. von Youtube-Videos zur Erläuterung spezifischer Krankheitsbilder bzw. der ärztlichen Praxis „abgeschaut“.

Bereits diese kurzen Schlaglichter auf die Ergebnisse der Prüfungsarbeiten zeigen, dass aus der Analyse des wissenskulturellen Informationsverhaltens eine Erweiterung des Informationsverständnisses gegenüber dem Verständnis resultiert, das der klassischen bibliothekarischen Fachinformation zugrunde liegt. Somit ergeben sich auch fachkulturell unterschiedliche „Kompetenz-Sets“ für das, was als Informationskompetenz zu beschreiben ist. So wäre zum Beispiel anzuraten, Design-Studierenden statt der Literaturrecherche (oder zumindest ergänzend zu ihr) Angebote zur Professionalisierung ihrer Kompetenzen in der Bildrecherche zu unterbreiten statt ein in seiner Genese am wissenschaftlichen Arbeitsprozess der Geisteswissenschaften orientiertes, literaturbasiertes Rechercheverhalten auf den Informationsbedarf von Designer*innen zu übertragen. Für Studierende in der theoretischen Phase des Medizinstudiums ist stark zu überlegen, ob eine Lizenzierung der medizinischen Faktenlernplattform Amboss, ein Training für den sinnvollen Umgang mit ihr sowie die Bereitstellung ausgewählter Lehrbücher hilfreicher ist als eine breit ausgerichtete Lehrbuchsammlung samt Einführung in die thematische Literaturrecherche. Was die Formen der Informationsvermittlung angeht, so ist anzunehmen, dass den Designer*innen problembasierte, workshopartige Formate näher liegen als die in bibliothekarischen Vermittlungsangeboten üblichen vorlesungsartigen Powerpoint-Vorträge. Für die sich stets unter Zeitdruck befindenden Medizinstudierenden wären kurze zeit- und ortsunabhängige Tutorials hilfreich, die aber eher als bei den Design-Studierenden dem klassischen vorlesungsartigen Modell der Wissensvermittlung entsprechen könnten.

Das Ziel der Erarbeitung derartiger Studien zum wissenskulturellen Informationsverhalten liegt zum einen darin, bei den Studierenden für ihre spätere informationspraktische Berufstätigkeit eine Sensibilität für die wissenskulturellen Differenzen zu entwickeln und ihnen ein methodisches Handwerkszeug an die Hand zu geben, mit der in der Berufspraxis wissenskulturelle Spezifika zu erheben sind, soweit dies der Berufsalltag zulässt.

Für die deutsche Informationswissenschaft zielt der – leider zu langsam – wachsende Korpus dieser Studien auf die Bereitstellung von systematischen Zusammenfassungen zum internationalen Forschungsstand von exemplarischen empirischen Einzelstudien sowie auf eine Systematisierung des Wissens über Wissenskulturen und deren spezifisches Informationsverhalten. Mit diesem Anspruch bringen die Aktivitäten der Fachgruppe Informationskompetenz der KIBA ein wissenskulturell differenziertes Verständnis von Informationskompetenz in die informationswissenschaftliche und informationspraktische Fachdiskussion ein, um entsprechende Forschungsaktivitäten an den informationswissenschaftlichen Fachbereichen anzuregen. Ein Forschungsdesiderat besteht darin, die Erkenntnisse in geeignete Formate zu transferieren, um die Angebote zur Vermittlung von Informationskompetenz, die in der Berufspraxis entwickelt werden, zielgruppenspezifisch weiterzuentwickeln.

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Ausblick

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Die Definition von Informationsdidaktik sowie die daraus abgeleitete Analysematrix wurden aus der Analyse wissenschaftlicher Fachdisziplinen und mit Blick auf eine Nutzbarmachung der Erkenntnisse für die Praxis wissenschaftlicher Bibliotheken entwickelt. Jedoch möchte ich anregen, die vier Fragen auch für weitere Zielgruppen zu erproben wie z.B. bestimmte Freizeitkulturen oder Gruppierungen in der beruflichen Bildung. Wir sollten nicht stehen bleiben bei dem, was Kollege Jörs im oben zitierten Open-Password-Beitrag polemisch als „realitätsfern“ an den Vermittlungsaktivitäten von Informationskompetenz beurteilt hat und weniger auf einen fixen Kanon von (häufig in der Disziplin selber nicht eingelösten) universellen Informationskompetenzen zu bestehen, sondern zu ermitteln, was die jeweilige Zielgruppe wirklich braucht und sie punktuell und kreativ dabei zu unterstützen, ihren Informationsbedarf zu befriedigen.

Dabei ist es wichtig, wie auch eine engagierte Diskussion auf dem Potsdamer I-Science Tag 2019 deutlich machte, dass die Entwicklung fachlich differenzierter Angebote mit den verfügbaren Ressourcen der Bibliotheken zu stemmen ist. Davor müssen aber die dabei zu berücksichtigenden fachspezifischen Differenzen erst einmal ermittelt werden. Erste Überlegungen zu einem Transfer der wissenskulturellen Perspektive in die Praxis der Entwicklung von Lernangeboten stellt der Beitrag meiner KIBA-Fachgruppenkollegin Inka Tappenbeck in der nächsten Ausgabe von Open Password vor.

[1] Vgl.: Michel, A. (2017). Die wissenskulturelle Spezifik von Information und Informationsverhalten. In A. Schüller-Zwierlein (Ed.), Informationskompetenz, Informationsverhalten, Informationsverarbeitung (pp. 33–48). Regensburg: Universitätsbibliothek Regensburg. https://epub.uni-regensburg.de/36337/.

[2] Vgl.: Gäde, M., Michel, A., Tappenbeck, I., Wittich, A.: Informationsdidaktische Perspektiven auf die Vermittlungspraxis von Daten- und Informationskompetenz. Vortrag auf dem 8. Potsdamer IScience Tag, 15. Juli 2019, FH Potsdam, S. 16. https://i-science-tag.fh-potsdam.de/wp-content/uploads/2019/10/IScienceTag_G%C3%A4de-u.-Wittich.pdf, Abrufdatum: 10. September 2020.

[4] Vgl.: Hoyer, M. (2019). Trends der Informationskompetenzvermittlung an Studierende in künstlerisch-gestalterischen Studiengängen (Kunstgeschichte, Gestaltung und Design, Bildende Kunst) (Bachelorarbeit). Fachhochschule Potsdam, Potsdam. urn:nbn:de:kobv:525-24649; Claasen, A. (2020). Das Informationsverhalten von Medizinstudenten (Bachelorarbeit). Fachhochschule Potsdam, Potsdam. urn:nbn:de:kobv:525-2485.

The Tech Giants before fundamental changes?

US Justice Department Files Landmark
Antitrust Case Against Google

 

By BIIA

The Justice Department on Tuesday (2020-10-20) sued Google for abusing its dominance in online search and advertising —the government’s most significant attempt to protect competition since its groundbreaking case against Microsoft more than 20 years ago.

And it could just be an opening salvo. Other major tech companies including Apple, Amazon and Facebook are under investigation at both the Justice Department and the Federal Trade Commission.“Google is the gateway to the internet and a search advertising behemoth,” U.S. Deputy Attorney General Jeff Rosen told reporters. “It has maintained its monopoly power through exclusionary practices that are harmful to competition.”

Lawmakers and consumer advocates have long accused Google of abusing its dominance in online search and advertising. The case filed in federal court in Washington, D.C., alleges that Google uses billions of dollars collected from advertisers to pay phone manufacturers to ensure Google is the default search engine on browsers. That stifles competition and innovation from smaller upstart rivals to Google and harms consumers by reducing the quality of search and limiting privacy protections and alternative search options, the government alleges.

Critics contend that multibillion-dollar fines and mandated changes in Google’s practices imposed by European regulators in recent years weren’t severe enough and Google needs to be broken up to change its conduct. The Justice Department didn’t lay out specific remedies along those lines, although it asked the court to order structural relief “as needed to remedy any anticompetitive harm.” That opens the door to possible fundamental changes such as a spinoff of the company’s Chrome browser

eGovernment MONITOR 2020

Digitale Verwaltung: Corona sorgt nicht

für stärkere Nutzung, aber für mehr Offenheit

 

Die Nutzung von E-Government in der DACH-Region nimmt weiter zu. In Deutschland nutzen im Jahr 2020 mit 54 Prozent erstmals mehr als die Hälfte der Onliner digitale Verwaltungsangebote, in Österreich sind es 72 und in der Schweiz 60 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt der eGovernment MONITOR 2020, eine repräsentative Studie der Initiative D21 und der Technischen Universität München, durchgeführt von Kantar.

Eine der größten Barrieren für die Nutzung aus der Vergangenheit ist nahezu überwunden: Das Bewusstsein für digitale Verwaltungsangebote steigt kontinuierlich, fast alle Onliner kennen mindestens einen Dienst (DE: 97% / AT: 99% / CH: 96%). Am bekanntesten sind die Suche nach Informationen, das Herunterladen von Formularen zur Vorbereitung/Abwicklung von Behördengängen, die Vereinbarung von Terminen sowie die Abwicklung der elektronischen Steuererklärung.

Das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen in Deutschland, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. „Die digitale Verwaltung in Deutschland ist in Bewegung und wir sind auf einem guten Weg. Bald wird das auch stärker im Alltag der Bürgerinnen und Bürger ankommen“, so Dr. Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. „Ich sehe die Studienergebnisse als Auftrag, noch stärker im Sinne der Menschen zu denken. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger bei der digitalen Transformation mitnehmen. Nur wer den digitalen Anwendungen vertraut und sie versteht, wird sie später auch nutzen. Ein Schritt dazu war das kürzlich vorgestellte Dashboard zur digitalen Verwaltung, diesen Weg wollen wir weiter gehen.“

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Corona: Auswirkungen auf E-Government-Nutzung gering, aber Offenheit wächst

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Die zeitweise eingeschränkte Verfügbarkeit mancher behördlichen Dienstleistungen durch Corona hatte nur einen geringen Einfluss auf die Nutzung von E-Government-Angeboten: In Deutschland geben sieben Prozent an, dadurch mehr Behördengänge als früher online durchgeführt zu haben, in Österreich sind es 13 und in der Schweiz zwölf Prozent. Eine erstmalige Nutzung digitaler Verwaltungsangebote aufgrund von Corona geben in Deutschland vier, in Österreich und in der Schweiz jeweils drei Prozent an. Die meistgewählte Strategie der Bürger war die vorübergehende Vermeidung von Behördengängen.

Hingegen wächst die Offenheit gegenüber E-Government-Angeboten vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie: Im Kontext Corona gefragt, können sich in Deutschland 75 Prozent vorstellen, zukünftig häufiger Behördengänge online durchzuführen, in Österreich sind es 81 und in der Schweiz 70 Prozent. Die digitale Abwicklung im Vergleich zum persönlichen Gang aufs Amt empfindet eine große Mehrheit als Erleichterung (DE: 70% / AT: 77% / CH: 68%).

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Zufriedenheit hängt an bequemer und zuverlässiger Nutzung

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Die Zufriedenheit mit digitalen Behördendiensten ist in Österreich und der Schweiz mit 79 bzw. 71 Prozent insgesamt hoch, Deutschland liegt mit 62 Prozent dahinter. Die wichtigsten Gründe für die Zufriedenheit sind in allen drei Ländern Bequemlichkeit (sich einen Termin vor Ort auf dem Amt zu ersparen), Zuverlässigkeit der Systeme (stabile Verbindung, kein Abbruch des Prozesses) und die gute Bedienbarkeit der Dienste.

Im Langzeittrend seit 2012 ist die Zufriedenheit mit leichten Schwankungen in allen drei Ländern stabil, größeren Zuwachs gibt es nur in Deutschland (57 auf 62 Prozent), allerdings auf niedrigerem Niveau.

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Unterschiedliche Nutzertypen erfordern individuelle Ansprache.

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Nutzer von E-Government unterscheiden sich stark voneinander – eine reine Betrachtung des Durchschnitts reicht für eine bedarfsgerechte Gestaltung von E-Government in Deutschland nicht aus. Der eGovernment MONITOR 2020 nimmt daher erstmalig eine Typisierung vor, um den Handlungsbedarf für eine künftig stärkere Nutzung von E-Government in Deutschland zu ermitteln.

Die Untersuchung zeigt: Den „typischen“ bzw. die „typische“ E-Government-Nutzer gibt es nicht. Die Bürger, die ihre Behördengange zumindest teilweise online erledigen, lassen sich jedoch in fünf Nutzertypen unterteilen. „Positiv überrascht hat uns vor allem das große Potenzial der ‚zukünftigen Viel-Nutzer‘, die mit 32 Prozent die größte Gruppe darstellen. Sie sind digitalaffin und bereits offen gegenüber digitaler Verwaltung. Hier kann man mit wenig Aufwand viele Bürger aktivieren, man muss sie nur informieren, welche Angebote sie wo finden können“, so D21-Präsident Hannes Schwaderer.

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Smartphone-Schnittstelle kann Durchbruch für Online-Ausweisfunktion werden.
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Der Personalausweis im Scheckkartenformat ist seit zehn Jahren verfügbar, 76 Prozent der für den eGovernment MONITOR befragten Deutschen besitzen ihn. 24 Prozent der Befragten haben die Online-Ausweisfunktion aktiviert, die eine durchgängige Abwicklung von Behördengängen im Internet erlaubt. Trotz verbesserter Anwenderfreundlichkeit stagnieren die Nutzungszahlen, nur sechs Prozent haben laut Umfrage die Online-Ausweisfunktion bereits genutzt. Bis 2017 war die Nutzung nur über ein spezielles Lesegerät möglich, seit 2017 ermöglicht auch die NFC-Schnittstelle modernerer Smartphones das Auslesen. Zunächst war dies nur über Android möglich, seit Ende 2019 erlaubt auch iOS die Schnittstelle. Im Jahr 2021 soll nach den Plänen des BMI der Online-Ausweis auch ohne die Ausweiskarte im Smartphone nutzbar sein. „Im Smartphone schlummert riesiges Potenzial für den Durchbruch der Online-Ausweisfunktion. Aber noch weiß über die Hälfte der Smartphone-BesitzerInnen nichts über diese Möglichkeit. Hier braucht es Aufklärung und mehr nutzerfreundliche Anwendungen“, so Prof Dr. Helmut Krcmar von der Technischen Universität München.

In Österreich verfügen 45 Prozent über die dortige Handy-Signatur. In der Schweiz sind verschiedene Verfahren für die Identifikation im Einsatz, am häufigsten wird das TAN-Verfahren genutzt, gefolgt von der „SwissID“, 57 Prozent haben bereits mindestens eines der Verfahren genutzt.

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