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Open Password – Dienstag, den 8. September 2020

# 819

 

Wissenschaftsbetrug – Fake News – Wissenschaftliche Aussagen – Informationswissenschaft – Elisabeth Simon – Tagesspiegel – Corona – Robert-Koch-Institut – Virologen – Medien – F. Zimmer – K. Scheibe – L. Schmoly – St. Dreisiebner – Stefan Büttner – Medizin – Walther Umstätter – Zigarettenindustrie – Bibliotheken – Wissenschaftliche Laien – Wissenschaft als System – Publikationsflut – Umberto Eco – Impact Factor – Berufliche Chancen – Wissenschaftlicher Mainstream – Hochschulen – Verlage – Kontrolldichte – Wille zur Wahrhaftigkeit – Informationswissenschaft – Willi Bredemeier – Zukunft der Informationswissenschaft – TU Berlin – ZB MED – Arnoud de Kemp – Persönlichkeiten – Willi Bredemeier – Informare! – Springer – DGD – Netzwerken – Password – Elektronische Informationsdienste

Wissenschaftsbetrug

In der Melange zwischen Fake News
und wissenschaftlichen Aussagen
neue Chancen für die Informationswissenschaft?

 

Von Elisabeth Simon und Willi Bredemeier

Elisabeth Simon auf der Leipziger Buchmesse

Die Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen steigt rasant – auch von zweifelhaften. Der Wissenschaftsbetrug könnte neue Dimensionen erreichen. So der Berliner Tagesspiegel am 23. August 2020.

Mit Corona hat es die Wissenschaft geschafft, in der Öffentlichkeit als einer der entscheidenden Player wahrgenommen zu werden. Drosten und andere Virologen sind zu Stars geworden, und das Robert-Koch-Institut mit seinen Wissenschaftlern hat eine Popularität erreicht, die sich die Wissenschaft beispielsweise in der Mikrobiomforschung nie hätte erträumen können. Es kann als großer Vorteil gesehen werden, wenn dem „gemeinen Volk“ klar wird, warum Forschung einen großen Nutzen für einen selbst haben kann gekoppelt mit bangen Fragen: Wann kommen die Medikamente gegen Corona und wann vor allem die Impfstoffe? Damit verbunden steigt das Verständnis, dass Forschung sehr teuer kommen kann.

Allerdings besteht auch die große Gefahr, dass die immense Geltungsmacht der Wissenschaft ihre eigenen Prinzipien erodiert: Laien und nicht nur sie verstehen nicht, wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert, so dass sie Wissenschaft für eine Religion halten mögen, deren Götter mit ihren Aussagen nicht in Zweifel zu ziehen sind. Da aber der wissenschaftliche Streit ein zentrales Merkmal wissenschaftlichen Arbeitens ist, suchen sich viele die „Wissenschaft“ aus, die ihnen am besten passt, ohne zwischen seriöser Wissenschaft und von vornherein zweifelhaften Aussagen unterscheiden zu können. So bekommen auch Aussagen eine Chance, als „Wissenschaft“ durchzugehen, obgleich sie nicht auf wissenschaftlichen Wegen zustande gekommen sind. Zwischen seriöser Wissenschaft und Fake News gibt es, so mag es manchen erscheinen, keinen Unterschied mehr. Die Medien trifft eine Mitschuld an dieser Situation, wenn sie eine These desto eher aufgreifen, wenn sie nur sensationell genug erscheint und genügend laut vorgetragen wird.

Gleichzeitig werden die Techniken, Wissenschaft oder auch nur die unmittelbare Wirklichkeit vorzutäuschen, immer raffinierter. Wir führen gerade eine Diskussion, wie schwer es geworden ist, Bilder danach zu überprüfen, ob sie manipuliert worden sind. Selbst wenn es in unserer täglichen Informationssuche geling, Fake News und wissenschaftliche Aussagen oder den Spreu vom Weizen zu trennen, wie sicher sind wir am Ende, dass wir die richtigen Entscheidungen getroffen haben und welche Zeit mussten wir aufwenden? Siehe auch die Untersuchung von F. Zimmer, K. Scheibe, L. Schmoly und St. Dreisiebner, Fake News im Zeitalter der Social Media – Fake News in der Widerspiegelungstheorie, in der Kohärenztheorie und in der Konsenstheorie, in: Stefan Büttner. Die digitale Transformation in Institutionen des kulturellen Gedächtnisses, ISBN 978-3-945610-50-3.

Die heutige Medizin ist nach wie vor hehren ethischen Zielen verpflichtet. Aber sie ist immer mehr auch ein großes Geschäft. So wächst die Versuchung unter wissenschaftlichem und wirtschaftlichem Konkurrenzdruck, mit Ergebnissen an die Öffentlichkeit zu treten, die nicht genügend abgesichert sind. Andererseits werden wichtige relevante Ergebnisse zurückgehalten, wenn eine Veröffentlichung dieser Ergebnisse dem wirtschaftlichen Konkurrenten nutzen oder den eigenen Interessen schaden könnte. So wies Walther Umstätter nach, dass nur der ungehinderte Zugang zu allen wissenschaftlichen Informationen die veröffentlichten Studien der Zigarettenindustrie zur Ungefährlichlichkeit des Rauchens entkräften konnte (Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum. Bibliotheken als Bildungs- und Machtfaktor der modernen Gesellschaft, ISBN 978-3-940862-13-6). Da es in der Medizin letztlich um Leben und Tod geht, verlangt es dem Laien dringendst nach Hilfen und einfachen Erklärungen, auch wenn diese seriöserweise manchmal nicht zur Verfügung stehen.

Wissenschaft als System hinkt den eigenen Erkenntnisfortschritten stark hinterher. So falsifiziert die Wissenschaft zwar weiterhin ihre Erkenntnisse, es kann aber Jahrzehnte dauern, bis diese Revision Eingang in die Publikationen gefunden hat. Dazu kommt, dass niemand mehr liest oder allenfalls bemüht ist, die Publikationsflut im eigenen engen Spezialisierungsbereich Herr zu bleiben. Paradoxerweise ist es das Begutachtungssystem selbst, das die Forscher überlastet. Das ist nicht einmal neu. Schon Umberto Ecco hat vor mehr als dreißig Jahren ausgerechnet, wieviel Minuten einem Gelehrte übrigbleiben, wenn er zwischen Expertenarbeit, gutachterlicher Tätigkeit und Kongressbesuchen noch essen, schlafen und lieben will. „Nicht genügend“, ist die Antwort, nachdem Eco die Verwendung der Stunden auf die verschiedenen Zwecke zusammengefasst hat (Sämtliche Glossen und Parodien, München 1990).

Hinzu kommt, dass der Impact Factor des Journals, in dem eine Studie veröffentlicht wird, eine zentrale karriererrelevante Zahl ist. Das heißt, die Berufschancen richten sich auch danach, wie oft ein Forscher von anderen in den Arbeiten reichweitenstarker Journale zitiert wird. Dieser Umgang mit dem Impact Factor überhitzt das Wissenschaftssystem weiter und fördert nicht die Erarbeitung neuer Erkenntnisse, sondern die Maximierung voraussichtlicher Zitierungen. Eine solche Strategie kann nur erfolgreich sein, wenn man innerhalb des wissenschaftlichen Mainstreams bleibt. Solches wirkt sich nicht nur auf die künftigen Veröffentlichungen aus, sondern führt auch zu einer Erziehung der Studierenden zur Konformität, obgleich in der Wissenschaft vor allem anderen Innovation gefragt sein müsste. Leider wird diesen Tendenzen weder seitens der Hochschulen noch seitens der Verlage genügend entgegengewirkt. Es gibt keinen nennenswerte Willen zur Aufklärung dieser Zusammenhänge.

Was kann gegen diese Defizite innerhalb der Wissenschaft getan haben? Eine Erhöhung der Kontrolldichte würde wahrscheinlich nur die Bereitschaft zur Konformität weiter führen, nicht den Willen zur Innovation. Es bleibt dabei: Wo sich die Wissenschaftler nicht wie selbst vom Willen zur Wahrhaftigkeit leiten lassen, kann es auch keine Wissenschaft geben. Wenigstens keine gute.

Erwächst aus diesen Zusammenhängen eine Zukunft für die Informationswissenschaft, die über gelegentliche Dienste als Hilfswissenschaft hinausgeht? Im besten Fall könnte ihr Paradigma, wenn sich die Informationswissenschaftler nur auf eines einigen könnten, und ihr Selbstbewusstsein dazu führen, dass sie eine Schlüsselposition für die neue Wissenschaftskommunikation erlangt. Das sind jedenfalls spannende Fragen, so dass vorhersehbar war, dass die Fachtagungen rund um den Reader von Willi Bredemeier: Zukunft der Informationswissenschaft – Hat die Informationswissenschaft eine Zukunft?, ISBN 978-3-945610-46-6 an der Technischen Universität Berlin und an der ZB MED eine große Zahl von Fachleuten anzog. Wie es nun um die Chancen der Informationswissenschaft für die neue Wissenschaftskommunikation nun tatsächlich bestellt ist und inwieweit gegebenenfalls diese Chancen ergriffen werden, ließ sich allerdings auch auf diesen Fachtagungen nicht abschließend klären.

Hommage an Arnoud de Kemp

Does Personality Matter?
Yes, it does. In Networks

 

„Arnoud de Kemp ist Passwords Mann des Jahres. Aber warum?“ schrieb Willi Bredemeier in der ihm eigenen Art über die Nachricht. Zur Begründung folgte die Aufzählung:

  • „Weil Arnoud de Kemp in diesem Jahr die Informare! gestartet hat, dies ist gegenwärtig der einzige vielversprechende Versuch, die Informationsbranche zusammenzuführen.“
  • „Weil 2011 ein gutes Jahr ist, um an die Lebensleistung de Kamps, insbesondere die Pionierleistungen an der Front der Digitalisierung bei Springer und die Entwicklung der DGD zu einem prosperierenden und handlungsfähigen Verband zu erinnern.“
  • „Weil Arnoud de Kemp über in unserer Branche besonders knappe Fähigkeiten verfügt, die wir weiterentwickeln sollten. Das ist die Bereitschaft zur Initiative, die Fähigkeit zum Netzwerken und das schon berufsmäßige Verbreiten von Optimismus.“
  • „Weil Arnoud de Kemp mit einen Anlass gibt, die alte Frage der Historiker neu zu bedenken: „Does Personality matter?“

Bredemeier geht in seiner Berichterstattung zunächst auf die Informare! ein, erläutert seine persönliche Beziehung zu Arnoud de Kemp und stellt seinen Blick auf dessen Leistungen als Präsident der DGD/DGI dar: „Password hat seit nunmehr eineinhalb Jahrzehnten de Kemps Weg begleitet und sich auch an ihm gerieben … Ich bin überzeugt, dass es die DGI ohnede Kemp heute nicht mehr geben würde, und auch die DGI nicht während de Kemps Amtsjahren als prosperierenden und handlungsfähigen Verband gegeben hätte.“

Dann beschäftigt sich der Journalist und Berater, der ebenfalls zu den Pionieren der elektronischen Informationsbranche zählt, am Beispiel von Arnouds Wirken mit der Grundsatzfrage: „Does Personality matter?“ Seine Schlussfolgerung: „Personalities in networks do matter.“ Nicht, dass man erwarten sollte, Arnoud de Kemp möge aus eigener Kraft die Branche zusammenführen und ihre Prosperität zurückgewinnen. Das sei nicht möglich. „Vielmehr sollten wir alle ein Stück weiter als bisher wie de Kamp werden“, umreißt er dessen Vorbildfunktion.

Im Teil 2 der Berichterstattung stellt Bredemeier die Person Arnoud de Kamp vor: den Schauspieler und Kabarettisten, den Manager und den Veranstalter – und nicht zuletzt den Chef, der seine Mitarbeiter immer stark gefördert hat. Der „Weltmeister im Networking kennt auch vertikal immer nur Initiative und insoweit keine Hierarchie“, so Bredemeier.

Aus: Vera Münch, Anne Bein (Herausgeberin), „Wissen und Können verpflichten – Arnoud de Kemp – Vom Oude Rijn zur Havel“, Berlin 2020.

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