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Open Password –  Montag, den
24. September 2018

#442

Aus- und Weiterbildung – Information Professionals – Bernd Jörs – Steilvorlagen Update – Information Retrieval – Künstliche Intelligenz – Wolfgang G. Stock – Universität Düsseldorf – Hochschule Darmstadt – Online Marketing Engineering – Ragna Seidler-de Alwis – Dirk Lewandowski – Joachim Griesbaum – Zukunftsfähige Ausbildung – Indeed – Stepstone – Hochschule Darmstadt – Hochschulpolitik – Wissenschaftlicher Dokumentar – Informationswissenschaft und Wirtschaftswissenschaften – Winfried Gödert – Partikularismen – Data Science – Informationsmanagement – Wissensmanagement – Information Retrieval – Google – Big Data – KI – Klaus North – Mathematik – Informatik – Gerard Salton – Reginald Ferber – Digital Humanities – Digital Library – Claude Shannon – Informationstheorie – Walther Umstätter – Bibliothekswissenschaft – Data Science – Neue Studiengänge – Deal – Bernhard Mittermeier – Internet in Bibliotheken – Elsevier

Steilvorlagen Update

Die Dringlichkeit von Reformen
in der Aus- und Weiterbildung
hat sich noch einmal beschleunigt

 

Was die Studierenden
der Informationswissenschaft

an Zukunftsfähigem lernen

Und was in der Informationswissenschaft alles nicht geht

Interview mit Prof. Bernd Jörs, Hochschule Darmstadt

Hat sich aus der Sicht der Keynote-Speaker und Referenten seit ihrem Auftritt auf der Buchmesse-Veranstaltung „Steilvorlagen für den Unternehmenserfolg“ einiges verändert? Wir haben sie gefragt. Keynote-Speaker Prof. Bern Jörs lehrt Informationswissenschaft an der Hochschule Darmstadt und wurde von seinen Studierenden wiederholt zum Professor des Jahres gewählt. Nachdem er vor zwei Jahren eine Brand- und Warnrede gehalten hatte, stellt er heute fest: In Ausbildung und Weiterbildung und in der Informationswissenschaft allgemein ist alles noch schlimmer geworden. 

Dritter Teil

Vor zwei Jahren sahen Sie auch besondere berufliche Chancen für InfoPros – diese aufgrund ihres Methoden- und spezifischen Fachwissens. Haben Sie Ihre Beurteilung seitdem korrigiert?

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 Viele zukunftsfähige Elemente der Qualifizierung für Studierende der Informationswissenschaft.

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Ich bezog mich in der Steilvorlagen-Veranstaltung auf die informationswissenschaftlichen Themenfelder und Methoden, die seit Jahren Gegenstand der akademischen und nicht-akademischen Ausbildung und Teil der Curricula. So enthält ein Standardwerk des Information Retrieval unter anderem Einzelkapitel zu den Verfahrenstechniken zur Mustererkennung und Ähnlichkeitsmessung durch Einsatz von Data- und Textmining-Methoden, die heute im Rahmen der Data Science und der KI stark nachgefragt werden. Die heute relevanten Bereiche der Klassifikation strukturierter und unstrukturierter Daten, des regel- und instanzenbasierten Lernens, der Aufdeckung von Assoziationen im Rahmen sogenannter Assoziationsregeln und des Clustering sowie der Facettenklassifikation, der Termgewichtung im Rahmen von Vektorraummodellen oder ontologischen Verfahrenstechniken sind bekannte Methodenvarianten der Künstlichen Intelligenz, die in der informationswissenschaftlichen Ausbildung zumindest angesprochen werden.

Wolfgang G. Stock, noch Inhaber des Lehrstuhls für Informationswissenschaft an der Uni Düsseldorf, sagte schon vor Jahren auf der zweiten DGI-Conference 2012: „Information Retrieval ist Google. Und Google ist sexy“. Das Methodenspektrum ist eigentlich breitgestreut: Information Store and Records Management im Sinne des Relevance Overload Informationsmanagements (einschließlich des fachlichen Umgangs mit usergeneriertem Tag Clouding und Folksonomies), der Search Engine- und Landing Page Optimization, des Linkbuilding auf Basis der Information Retrieval- und Wissensrepräsentations-Techniken und des Einsatzes intelligenterer, zeitextensiver Such-, Monitoring-, Archivierungs-, Dokumentations-, Erschließungs- und Indexierungs- sowie Klassifizierungssysteme, der Nutzer- und Suchverhaltensanalyse (Information Behavior, Behavioral Economics), der Informations- bzw. Suchbedürfnisanalyse und der Web-Analyse (Web Controlling einschließlich „Controlling Disinformation“),  der Informationsvisualisierung (Informationsarchitektur), der Competitive Intelligence,  des Projekt- und Geschäftsprozessmanagements als Embedded Information Professional, der Informationsvermarktung und des Market Engineering von unternehmensinternen und -externen elektronischen B2B/B2C-Plattformen und Vorhersagemärkten (Prediction Markets beispielsweise über Google Analytics oder Twitter) oder Empfehlungssystemen (Recommendersysteme für Privatunternehmen oder Öffentliche Bibliotheken, Collaborative Filtering), des Semantic Web (einschließlich Linked Data),  des Data-, Web und Text-Mining (zum Beispiel für das linguistisch-basierte, computergestützte Reputationsmanagement), des Real-Time-Monitoring- und Reporting.

Auch die Anwendung bibliometrischer Analysetechniken und automatischer Erschließungs- und Indexierungstechnologien im Web Search Engine- und Enterprise-Search-Umfeld (MS-FAST-Anwendung) und der Umgang mit Suchmaschinen-Management (Search Engine Optimization, Search Engine Advertising) stehen im Fokus der Bemühungen, Alleinstellungsmerkmale der Qualifizierung für Studierende der Informationswissenschaften sicherzustellen. Die fachlich-methodischen Voraussetzungen waren und sind gegeben: Kenntnisse auf den Gebieten des professionellen Information Retrieval, des Information Broking, der Techniken zur Inhaltserschließung (Klassifikation, Metadaten, Notationssysteme, Indexieren & Abstracting  einschließlich Dokumentationssprachen,  Thesauren und Ontologien sowie Techniken automatischer Wissensverarbeitung), der Wissensrepräsentation (Data Base Design, SQL, Datenbankarchitekturen und  Datenbankmanagement, Non-Standard-Datenbanken, objektorientierte Datenbanken, XML-Datenbanken), des Einsatzes adäquater Multimediatechnologien, der Kenntnisse von Standards und der Anwendung von Auszeichnungssprachen (XML/XHTML, DTD, Xpath, DOM, XSLT, W3C, SVG, DocBook usw.), der Implementierung „Verteilter Systeme“ (Vernetzte Systeme: Kommunikationsmodelle, Protokolle, Sicherheitsstrategien – Web-Programmierung: Skripting-Sprachen, web-basierte Informationssysteme, dynamische Informationsvisualisierung usw.) sowie des Software Engineering und des Informationsdesigns (Interface Design, Usability, Informationsarchitekturen usw.).

Auf dieser Basis habe ich an der Hochschule Darmstadt im Fachbereich Media und im Studiengang Informationswissenschaft den Studienschwerpunkt des Online Marketing Engineering mit der Weiterentwicklung zum „Data Driven Online Marketing Engineering and Business Analytics“ aufgebaut. AbsolventInnen des Diplom-, Bachelor- und Masterstudienganges Informationswissenschaft hatten und haben mit einer Vermittlungsquote von gut 98% exzellente Berufschancen in allen Branchen. Damit verfügen sie über gute Ausgangsvoraussetzungen, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten und in ihrem Beruf zu bewähren.

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Widerstände in der Informationswissenschaft gegen eine zukunftsfähige Ausbildung.

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Allerdings muss ich meine Aussagen auf der Steilvorlagen-Veranstaltung vor zwei Jahren in zweifacher Hinsicht korrigieren:

  1. Korrektur: Die Verbindung von informationswissenschaftlichem Methoden- und Fachwissen mit erfolgreichen arbeits- und berufsmarktrelevanten Qualifikationsangeboten, wie sie für die „Data Driven Online Marketing“-Welt hergestellt worden ist, wird von einigen Vertretern der Informationswissenschaft nicht gewünscht und geradezu bekämpft.

Nur wenige Einrichtungen der Qualifizierung wie die KollegInnen der Informationswissenschaft an der TH Köln (Ragna Seidler-de Alwis), an der HAW Hamburg (Dirk Lewandowski) und an der Universität Hildesheim (Joachim Griesbaum) haben das arbeitsmarkt- und reputationsrelevante Potenzial der informationswissenschaftlichen Qualifikation zum Beispiel für das aufstrebende Segment des Online Marketing erkannt und in ihrer Lehre umgesetzt. Auch hochschulextern ist das Anwendungsgebiet des Online Marketing Engineering mittlerweile sehr anerkannt.

Für einen Teil der im informationswissenschaftlichen Bereich verantwortlich Lehrenden ist Online Marketing Engineering aber schlichtweg eine als unerträglich empfundene Konkurrenz zu ihren wenig nachgefragten Qualifikationsangeboten. Dieser Teil unternimmt alles, um informationswissenschaftliche Lehrangebote nicht in Verbindung mit dem informationswissenschaftlich geprägten Online Marketing zu bringen. Die Berufschancen der jungen Generation und die für sie zu übernehmende Verantwortung interessieren sie nicht. Im Gegenteil, sie sprechen diesen AbsolventInnen über Xing die fachliche Eignung ab. Es dürfte einmalig in der deutschen Hochschullandschaft sein, dass ProfessorInnen ihre AbsolventInnen derart bloßstellen und diskreditieren. Dabei würde ein Blick auf die Stellenangebote der Online-Jobsuchmaschinen Indeed oder Stepstone Bände sprechen, welche Chancen sich hier für die berufliche Zukunft junger Studierender eröffnen. Zudem erhielten die informationswissenschaftlich geprägten Studierenden im Schwerpunkt Online-Marketing im überdurchschnittlichen Maße Aufgaben und Stellen im höheren Management. Was für eine Bestätigung und Anerkennung ihrer Ausbildungsqualität!

Für manche informationswissenschaftlichen HochschullehrerInnen ist es überdies schlimm, dass der verantwortliche Hochschullehrer für Online Marketing mit dem Award „Professor des Jahres“ auf Bundesebene ausgezeichnet wurde. Aus ihrer Sicht sollte das unbedingt sanktioniert werden. Lieber diesen Preisträger aus allen Funktionsämtern entfernen und freiwerdende Professuren mit noch einem Hochschullehrer für das Segment der Bibliothekswissenschaft besetzen, damit man sich die jährlich fünf bis zehn AbsolventInnen für diesen bibliothekarischen Studienschwerpunkt noch besser aufteilen kann.

Nunmehr hat der Studiengang Informationswissenschaft der Hochschule Darmstadt im Rahmen seiner anstehenden Reakkreditierung für 2019 weitere Konsequenzen gezogen, indem er nicht nur zum x-ten-mal seine Bezeichnung in „Information Science“ geändert hat, sondern ihr informationswissenschaftliches Verständnis unter Berufung auf die (nicht nachgefragte) „Breite“ der anderen informationswissenschaftlichen Interessens- und Forschungsfelder über die Eliminierung jeglicher wirtschaftswissenschaftlicher Qualifizierungsangebote im Online Marketing durchgesetzt hat.

Daher sei daran erinnert, dass der informationswissenschaftliche Schwerpunkt der „Wirtschafts- und Finanzinformation“ schon vor der Internet-Ökonomie der am meisten nachgefragte Schwerpunkt war und dass noch vor wenigen Jahren in einem Positionspapier der DGI zu lesen war: „Jeder Dokumentar muss ein generelles ökonomisches Verständnis sowie betriebswirtschaftliche Basiskenntnisse haben. … Daneben benötigt er für die Vermarktung von Informationsprodukten Kenntnisse in der KOSTENRECHNUNG, im CONTROLLING und im MARKETING.“ Zudem, so die DGI, würden zusätzlich zu naturwissenschaftlichem und technischem Know how „wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse“ benötigt, „da es in diesem Bereich einen besonders hohen Bedarf an Fachinformationen gibt“ (Positionspapier DGI/C. Stoll/H. Nerlich 2010).

In Darmstadt aber heißt es: Der erfolgreichste Studienschwerpunkt ist nicht mehr erwünscht. Junge Leute und Studieninteressierte, geht bitte woanders hin!

Wenn der als „Leuchtturm der informationswissenschaftlichen Aus- und Weiterbildung“ gefeierte Studienschwerpunkt des Online Marketing Engineering bzw. der Business Analytics, den circa 80 % der informationswissenschaftlichen Studierenden in Darmstadt für sich ausgewählt haben, zu Grabe getragen wird, darf das freilich nicht zu sehr bekannt werden. Professoral-partikulare Eigeninteressen vertragen keine Öffentlichkeit, laufen heimlich und verschwiegen. Der Steuerzahler muss es ja nicht wissen. Zudem schränkt man im Rahmen der eigenen Masterausbildung von Bibliothekaren deren Karrierechancen ein, indem man parallel eine Weiterbildung für Universitätsabsolventen zum „wissenschaftlichen Dokumentar“ offeriert. Kein Masterabsolvent hat bisher nach über zehn Jahren „Masterstudiengang Informationswissenschaft“ an der Hochschule Darmstadt eine Anstellung im höheren Bibliotheksdienst gefunden, bis auf eine Person und die natürlich an der eigenen Hochschule.

Winfried Gödert hat als Beleg für den sichtbar gewordenen destruktiven und disruptiven Zusammenbruch der deutschsprachigen Informationswissenschaft formuliert: „Es muss festgehalten werden, dass es keine organische Weiterentwicklung dieses (informationswissenschaftlichen, der Verf.) Verständnisses gegeben hat, dass sich der Methodenkern aufgelöst hat und eine Rückkehr in die Partikularisierung der verschiedenen Teilbereiche eingetreten ist. Dabei lässt sich ein Trend stabil beobachten: Immer mehr Angehörige der Informationswissenschaft und -praxis mit unterschiedlichen Herkunftsdisziplinen können zwar noch ihre Verbindung zu ihrer Herkunftsdisziplin, nicht aber ihre Verbindung zur Informationswissenschaft angeben (W. Gödert, Informationswissenschaftliche Besinnungen: Eine Nestbeschmutzung mit Vorschlägen zur Neuausrichtung; in: Hochschulverband.org, 17. April 2016).

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Data Science hat die Informationswissenschaft nahezu überflüssig gemacht.

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  1. Korrektur: Die Datenwissenschaft (Data Science) hat die Informationswissenschaft (Information Science) als Wissenschaftsdisziplin noch stärker an den Abgrund gedrängt, ja nahezu überflüssig gemacht.  

Die unter (1) genannten Gründe sind Ausdruck eines zerbröckelnden uneinheitlichen Qualifikationsverständnisses, einer, wie Gödert sagt, von Partikularinteressen tumorartig durchsetzten Informationswissenschaft, die sich über die durch Vermittlung von informationswissenschaftlichem Methoden- und Fachwissen erzielten Reputation und Erfolgen auf dem Arbeitsmarkt kaum freuen kann.

Dazu kommt, dass die von einer fehlenden Akzeptanz ausgelaugte theorielose Informationswissenschaft das Rennen gegen die „Data Science“ kläglich verloren hat. So wie man das Informations- und Wissensmanagement in den 80er Jahren an andere Disziplinen abgab (Controlling) oder das „Wissensmanagement“ zumindest nicht zum Erfolg geführt hat. So wie 1998 mit dem Beginn der Erfolgsgeschichte des Informations-Retrievals von Google die Chancen eines retrievalbasierten Geschäftsmodells als neues Produkt oder neue digitale Dienstleistung nicht gesehen wurden. Und jetzt ist es im neuen Zeitalter von Big Data und KI wieder passiert. Die sich universal und generalistisch gebende Informationswissenschaft sieht zu, wie die Nachbarwissenschaften die Data-, Text- und Web-Mining-Methoden-Domänen für sich vereinnahmen. Data Science ist in aller Munde, nicht die Informationswissenschaft.

Nach der Wissenstreppe von North beginnt die Wissensgenerierung mit den „Zeichen“ und „Daten“, denen die „Informations-“ und „Wissens“-Generierung auf den höheren Stufen folgen. Dieses Modell wäre geeignet, eine ehrliche Bestandsaufnahme der Informationswissenschaft und des von ihr beanspruchten Methoden- und Fachwissens durchzuführen. Dazu gehört die Anerkennung, dass ein Großteil der quantitativen und qualitativen Methodenwerkzeuge der Informationswissenschaft ihre originären Wurzeln in den Nachbardisziplinen „Mathematik“ und „Informatik“ hat. Die historischen Wurzeln des Information Retrieval sind auf die Arbeiten des aus Nazi-Deutschland geflohenen deutsch-jüdischen Mathematikers und späteren Informatikers Gerhard Anton Sahlmann, später bekannt als Gerard Salton, zurückzuführen. Auch das bekannte Lehrbuch zum Information Retrieval von Reginald Ferber wurde von einem Mathematiker geschrieben. Die von der Informationswissenschaft für sich beanspruchten Erfolge der aus den Geisteswissenschaften stammenden Computer-Linguistik bzw. Digital Humanities wurden durch die Informatik begründet und vorangetrieben. Auch Bibliothekare, die sich der „Digital Library“ verschrieben haben, hatten ihren geistes- oder naturwissenschaftlichen Background um Know how aus der Informatik erweitern. Das sind nur einige Beispiele.

Die methodischen „Mutterwissenschaften“ Mathematik und Informatik haben der universalen Informationswissenschaft das meiste verfahrenstechnische Rüstzeug mit auf den Weg gegeben, wie sie dies auch für die quantitative Linguistik und Literaturwissenschaft und die Wirtschaftswissenschaft getan haben. Die Informatik wurde ihrerseits in ihrer Methodik größtenteils von der Mathematik geformt. Ein wichtiges theoretisches Fundament dieser Informatik bzw. Computer Science wurde von dem Mathematiker und Elektrotechniker Claude Shannon mit der vom ihm entwickelten „Informationstheorie“ gelegt. Auf ihm greift man auch gerne in der DER Informationswissenschaft zurück (Walther Umstätter). „Die Informatik war von Anfang an die Wissenschaft von der insbesondere maschinellen Verarbeitung von Information, sei es durch Rechnen, Speichern, Übertragen oder Darstellen. Zu Beginn stand im Zentrum der Begriff des Algorithmus, der Datenstruktur und der Programmierung“ (W. Brenner; Manfred Broy; Jan Marco Leimeister: Auf dem Weg zu einer Informatik neuer Prägung in Wissenschaft, Studium und Wirtschaft, in: Informatik-Spektrum, 40.Jg., Heft 6, 2017, S. 602-606).

Die Informationswissenschaft hat sich entweder in der Informatik verankert, um dort zumeist blass und randständig zu bleiben. Oder sie machte sich „selbständig“, ohne dass es zu großen disziplinären Klarstellungen und Abgrenzungen kam. Oder sie verschrieb sich den Geisteswissenschaften. Die von Orientierungs- und Heimatlosigkeit gezeichneten „Sammelbecken- und Querschnittswissenschaft Informationswissenschaft“ hat dies jedoch nicht zu eigenen Weiterentwicklungen genutzt und die Entwicklung der Automatisierungstools, der Programmiersprachen und des Coding/Skripting sowie die Künstliche Intelligenz den Mutterwissenschaften überlassen.

Allenfalls in einem kleinen Anwendungsfeld, der traditionellen Bibliothekswissenschaft, hat man sich (noch) eine gewisse Selbständigkeit bewahrt. Das mag solange gutgehen, bis die Digital Library die Vorherrschaft übernimmt, und die kann bekanntlich nicht ohne einen Background in der Informatik betrieben werden. Konstruktive Weiterentwicklungen von Methoden, die das informatiklastige und mathematische Methodenspektrum ergänzt und das Label der Informationswissenschaft gestärkt hätten, erfolgten nahezu nicht. Die erfolgreiche (Weiter-)Entwicklung von KI-Verfahrenstechniken beispielsweise im Bereich der neuronalen Netze, des Deep Learning oder moderner Retrieval- und Web-Mining-Methoden kommt nicht aus der Informationswissenschaft. Stattdessen dümpelt man trotz interdisziplinärem Anspruchsdenken wissenschaftlich isoliert vor sich hin.

Ein Beleg für die Geringschätzung der Beiträge der Informationswissenschaft ist die Schließung zahlreicher Lehrstühle für Informationswissenschaft, dies im Übrigen auch im Informatik-Umfeld. Ein weiterer Beleg ist das vollständige Übersehen der Informationswissenschaft, wenn neue Bachelor- und Masterstudiengänge „Data Science“ wie zum Beispiel an der Hochschule Darmstadt implementiert werden. Damit kann die Informationswissenschaft noch das Feld der Bibliothekswissenschaft (Library Science) zu ihrer Domäne machen, aber hier tickt die Zeitbombe der Digitalisierung laut.

Besteht die einzig richtige Konsequenz aus diesem Zustand nicht darin, die „Informationswissenschaft“ aufzulösen und ihre von Partikularinteressen gezeichneten akademischen Mitglieder in die Mutterwissenschaften (Mathematik, Informatik, Linguistik. Wirtschaftswissenschaft und andere Geisteswissenschaften) zurückzusenden? Mittlerweile ist die Zahl der Studiengänge für kleine Nischen und Spezialqualifikationen in Deutschland auf über 18.500 Angebote explodiert. Auch das überrascht nicht, wenn alle traditionellen natur-, wirtschafts- und geisteswissenschaftlichen Studienfächer tausende ausdifferenzierte „digitale oder online-basierte“ Ausgliederungen und Varianten vornehmen. Wir sollten uns an diesem Spiel nicht weiter beteiligen.

Halten wir fest: Die Methodenkenntnisse und das Fachwissen der InfoPros gebündelt mit ihrem Erfahrungswissen und ihrem Wissen aus den verschiedenen Herkunftsdisziplinen der Informationswissenschaft bilden nach wie vor eine gute Basis, auf der eine anspruchsvolle Weiterbildung aufbauen kann. Aber dieses an sich gute Qualifikationsprofil ist zunehmend KI-basierten Effizienzvergleichen ausgesetzt, das bedeutet, es wird oft als nicht mehr effizient angesehen und nicht mehr in der vorliegenden Struktur gebraucht. Hier gälte es anzusetzen. Dazu brauchte es keiner Berufung auf eine Einzelwissenschaft wie der Informationswissenschaft. Mathematisch-statistische Re-Vitalisierungen, anwendungsbezogene datenanalytische Informatik- und KI-affine Kompetenzverstärkungen und wirtschafts- und verhaltenswissenschaftliche (neurobiologische) Know-how-Erweiterungen mit den Methoden und Werkzeugen aus verschiedenen Disziplinen sollten unsere Weiterbildung anreichern und die Arbeitsmarktchancen unserer Teilnehmer erhöhen.

Lesen Sie in der nächsten Folge:  Was die Information Professionals
in Aus- und Weiterbildung benötigen – Überleben in der Aufmerksamkeitsökonomie

Zitat 

Einstellen auf endgültiges Scheitern
der Verhandlungen mit Elsevier

„Während die DEAL-Verhandlungen mit Springer Nature und Wiley nach wie vor imGange sind, wurden die Gespräche mit Elsevier bekanntlich Anfang Juliunterbrochen. Seit zwölf Wochen haben rund 200 Einrichtungen in Deutschlandkeinen Zugang zu den laufenden Inhalten von Elsevier ohne größereProbleme. Wenn es in den nächsten Wochen zu Abschlüssen mit Springer Natureund Wiley kommt, dann wird vermutlich auch wieder Bewegung in dieElsevier-Verhandlung kommen. Höchstvorsorglich sollten sich Bibliothekenaber darauf einstellen, dass die Verhandlung mit Elsevier endgültigscheitert. Ein dann eben weiter mit den bisherigen Verträgen sollteallerdings keine Alternative zu einem DEAL-Vertrag sein; dass die bisherigenLizenzausgaben in keinem vertretbaren Verhältnis zum tatsächlichen Bedarfstehen zeigen die Erfahrungen im aktuellen vertragslosen Zustand nur allzugut.“

Dr. Bernhard Mittermaier, Forschungszentrum Jülich GmbH, in: Internet in Bibliotheken

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