Open Password – Montag, den 25. Januar 2021
# 876
Blockchain – Spekulationsobjekte – Kriminelle – Facebook – Mark Zuckerberg – Barbara Brandl – Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie – Peer-to-Peer-Netzwerke – Funktionsfähigkeit von Zahlungssystemen – Satoshi Nakamoto – Intermediäre – Kryptowährungen – Google – Amazon – Libra Association – Harald Krekeler – Blockchain – Dokumentchain – Dokumentenmanagement – Hashwerte – Aufbewahrungsvorschriften – Copyright – Immobilienhandel – Smart Contracts – Datenschutz – Kryptowährung
Trend der Jahre – Corona – Wir alle – Zoom – Social Web – Willi Bredemeier – Open Password – Home Office – Google – Internet – Fachinformationspolitik – Bundesministerium für Forschung und Technologie – Deutscher Sonderweg – DGI – COMINFO – Entschwinden der Branche – Wirtschaftsinformationen – Wissenschaftsinformationen – Fachinformationsdienste – Online-Konsumentendienste – World Wide Web – E-Commerce – New Economy – Unabhängige Anbieter im Internet – Tagesaktuelle Nachrichten – Suchmaschinen – Einfachheit – Suchschlitz – Strukturwandel – Einzelhandel – Entfaltung des Social Web – Consumer-Bereich – Peter Müller-Bader – Facebook – Lebensstil – Web 2.0 – Soziale Netzwerke – Zivilgesellschaft – Mark Zuckerberg – Universale Öffentlichkeit – Weisheit der Menge – Ausbreitung der Demokratie – Populismus – Fake News – Instagram – WhatsApp – Arabischer Frühling – China – Zensur – Social Scoring – Influencer – Geheimdienste – Cyber War – Closed Shops – Filterblasen – Etablierte Medien – Überprüfung von Nachrichten – Anonymität – Verrohung der Kommunikation – Polarisierung der Gesellschaften – Donald Trump – Twitter – Attacke auf Wahrheitsbegriff – Regierungen – Öffentlichkeit – Presserecht – Verantwortlichkeiten – Regulierung
Über den Tellerrand (7)
Blockchain nur für Spekulanten und Kriminelle?
Facebooks Zuckerberg will noch im Januar
mit einer eigenen Währung herauskommen
Barbara Brandl, Ist Blockchain das Ende der Banken? – Zur Bedeutung von Schulden und Banken in kapitalistischen Ökonomien, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Volume 72 (2020). Blockchain verspricht, Intermediäre wie Banken überflüssig zu machen und durch dezentrale Peer-to-Peer-Netzwerke zu ersetzen. Dies soll auf einer vollständigen Transparenz für alle Beteiligten beruhen und der Unmöglichkeit, an der „Buchführung“ nachträglich Korrekturen vorzunehmen. „Die Hoffnung, die mit dezentralen Systemen verbunden ist, besteht darin, ein tatsächliches globales Zahlungssystem zu etablieren, das mit sehr viel weniger Gebühren und Verzögerungen auskommt als aktuelle Varianten. Insbesondere für die Etablierung von funktionierenden Zahlungssystemen in Entwicklungsländern, aber auch für die Abwicklung der mit sehr hohen Gebühren belasteten Transfers von in Industrieländern beschäftigten Migranten an ihre Familien in ihren Herkunftsländern scheinen auf Blockchain basierende Systeme eine ideale Lösung zu sein.“
Diese technologische Utopie, unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto 2008 weltweit verbreitet, wirkte nach der Finanzkrise 2007 mit tiefgreifenden staatlichen Engriffen in den Finanzsektor besonders attraktiv. Vor diesem Versprechen schienen in kapitalistischen Ökonomie zentralisierte Intermediäre unverzichtbar zu sein. Dabei handelte es sich in der Regel um einen nationalstaatlichen Nexus „aus einer Zentralbank und individuellen Geschäftsbanken, die mehr oder weniger verlässlich in der Lage sind, Vertrauen in die zeitliche und räumliche Stabilität des Geldes zu erzeugen.“ Wie wichtig dieser Nexus ist, ersieht man daran, wenn dieser nicht existiert oder nur schlecht funktioniert, beispielsweise in Schwellenländern oder in währungsüberschreitenden Transaktionen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.
Leider haben die Hoffnungen um Blockchain wie so viele andere technologische Utopien bislang getrogen. Als kommerzielle Anwendungen gibt es vor allem die Kryptowährungen. Diese „dienen im Wesentlichen als Spekulationsobjekte sowie aufgrund der in den meisten Blockchains garantierten Pseudonymität als Zahlungsmittel für illegale Geschäfte, etwa den Erwerb von Waffen oder Drogen im Internet.“ Dann gibt es noch eine Reihe von Projekten. „Derzeit geht es den beteiligten Banken mutmaßlich darum, sicherzustellen, dass sie an einer etwaigen blockchainbasierten Lösung im Finanzsektor möglichst frühzeitig dabei sind.“ Allerdings wird in diesen Projekten die Technologie einem fundamentalen Wandel unterzogen. „Die treibenden Kräfte hierbei sind Unternehmen, allen voran Banken – und eben nicht mehr autonome Kollektive mit libertären Utopien. Entsprechend ignorieren „die aktuellen Varianten von Blockchain vielfach die initiale Intention der Erfinder, indem sie den Zugang zu den jeweiligen Blockchains beschränken, die Identität der Nutzer offenzulegen oder eine nachträgliche Korrektur der Einträge ermöglichen. … Die entscheidende Frage ist also nicht, ob Blockchain Intermediäre ersetzt, sondern welche Intermediäre in der Lage sind, sich durchzusetzen.“
Dabei haben die Banken vor allem die Konkurrenz durch große Technologiefirmen zu fürchten. „Denn Firmen wie Facebook, Google und Amazon bringen drei Voraussetzungen mit, die es ihnen ermöglichen könnten, ein friktionsloses Finanzsystem aufzubauen: eine riesige globale Kundenbasis, Zugriff auf deren persönliche Daten sowie ein breites auch den Handel einschließendes Geschäftsmodell.“ Die von Facebook gelenkte Libra Association will noch im Januar mit einer eigenen Währung herauskommen.
Blockchain
Anwendungen im Dokumentenmanagement
Von Dipl.-Wi-Ingenieur Harald Krekeler *
In der Unternehmenspraxis bietet die Documentchain (https://de.documentchain.org), eine speziell für das Dokumentenmanagement entwickelte dezentrale Blockchain, die Möglichkeit, verschlüsselte Beschreibungen sowie Hashwerte einer Dokumentdatei gemeinsam mit einem Zeitstempel in der verteilten Datenbank dauerhaft zu hinterlegen und später mit dem Originaldokument abzugleichen. Auf diese Weise wird der Beweis erbracht, seit wann ein Dokument vorhanden ist. Hieraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten. Denn es geht nicht nur um die Erfüllung von Aufbewahrungsvorschriften, sondern insbesondere um den Schutz des Copyrights. …
Mietverträge, Verträge mit Dienstleistern oder Kaufverträge mit Immobilien oder Kautionszahlungen: Diese können als so genannte „Smart Contracts“ fälschungssicher in der Blockchain erfasst werden. Denkbar ist es auch, dass mit Hilfe der Blockchain Gutachten für die Gebäudebewertung, Grundbucheinsichten und Notare beim Immobilienhandel entfallen können, denn die Blockchain „spuckt“ alle hinterlegten Daten auf Knopfdruck aus. So ließe sich ein Immobilienkauf binnen weniger Minuten statt Wochen oder Monate abwickeln. Das ist technisch bereits möglich, ist aber noch Zukunftsmusik. Die große Herausforderung ist es nämlich, die Technologie mit rechtlichen Standards und die Umstellungen auf digitale Verträge zu bewältigen beziehungsweise zu vereinbaren. Hier muss Text in Code umgewandelt werden. Auch in Sachen Datenschutz hinkt das Recht der Technik hinterher …
Wer sich für die Blockchain-Technologie interessiert, findet darin auch günstige Investitionsmöglichkeiten. Beispielsweise beinhaltet die oben beschriebene Dokumentchain ein Kryptowährung. Diese dient in erster Linie der Gebührenordnung für hinterlegte Dokumente, wird aber auch als allgemeines Zahlungsmittel verwendet. Grundsätzlich können Interessierte durch Mining eigene Coins erzeugen, Masternodes betreiben oder Coins günstig an Handelsbörsen kaufen.
*Harald Krekeler ist Entwickler einer Blockchain für die fälschungssichere Dokumentenablage. Der obige Text ist ein Auszug aus Krekelers Beitrag für Open Password, „Blockchain: Reelle Chancen auch für Mittelständler“.
Trend der Jahre
2021 – 1986
Trend des Jahres 2021/2020: Corona
Personen des Jahres: Wir alle
unter dem Joch von COVID-19
Zoom: Das Unternehmen des Jahres 2020
Trend des Jahrzehnts 2011 – 2020: Die Entfaltung und Degeneration des Social Web
Von Willi Bredemeier
Corona
In der letzten Ausgabe des Jahres wählte Open Password als Trend des Jahres – was hätte es anderes sein können? – „Corona“ – und als Personen des Jahres „Wir alle“, da wir fast ausnahmslos in ähnlicher Weise unter der Pandemie litten und nach Lösungen für unser berufliches und privates Leben unter eingeschränkten Möglichkeiten suchten (18. Dezember). Am 8. Januar wählten wir als Unternehmen des Jahres Zoom, das mit seiner Videokonferenzplattform und weiteren Kollaborationstools besser und vor allem einfacher als seine Konkurrenten die durch Corona ins Home Office verbannten Manager virtuell zusammenführte. So bleibt nur mehr eine Wahl, die wir uns für diese Tage vorgenommen haben: der Trend des Jahrzehnts, also der Jahre 2011 – 2020.
Da die erste Ausgabe von Password im Januar 1986 erschien, konnten bislang drei dieser Wahlen durchgeführt werden (wobei sich die früheste Wahl nur auf ein Jahrfünft, also auf die Jahre 1986 – 1990 bezieht). Diese sind:
2001 – 2010: Google;
1991 – 2000: Internet;
1986 – 1990: Aufstieg und Niedergang der deutschen Fachinformationspolitik.
Zoom
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Trendsetter über die Jahrzehnte: Fachinformationspolitik, Internet und Google.
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Wir hatten uns vorgenommen, die Wahlen zum Trend eines Jahrzehnts möglichst so vorzunehmen, dass die wichtigsten Entwicklungen des Jahrzehnts in ihm sichtbar werden. Das stellt eine schier unmögliche Aufgabe dar, sollte man angesichts der revolutionären Entwicklungen der Elektronik und des Internets meinen, von denen immer weitere Innovationswellen ausgehen. Sieht man sich die getätigten Wahlen von Password im Nachhinein an, so wird aber doch einiges deutlich.
Noch 1990 wurde die Entwicklung der deutschen Branche weitgehend von den Fördergeldern des Bundesministeriums für Forschung und Technologie und der Voraussetzung dieser BMFT-Förderpolitik bestimmt, dass ein deutscher Sonderweg für die deutsche Online-Branche möglich und im Interesse der deutschen Wirtschaft sei. Allerdings waren die Zeichen des Niedergangs bereits 1990 deutlich erkennbar. Password ging diesem Niedergang unter anderem in drei „Trends des Jahres“-Geschichten nach:
- 1997: „Das Ende der Fachinformationspolitik – Von der Gestaltung der Branche bis zu den Sektierern der Hypsistratie“;
- 2004: „DGI fährt COMINFO gegen die Wand – Die Branche zwischen Ausfransen, Integration und Konsolidierung“;
- 200:7 „Das Entschwinden der Branche“.
Heute können wir im Besitz des Wissens späterer Jahre feststellen, dass nationale Alleingänge im Online-Bereich auf die Dauer nicht funktionieren und dass es vor allem um Wirtschafts-, nicht Wissenschaftsinformationen geht. Nur sehr wenige Fachinformationsdienste, die damals gegründet wurden, haben bis heute überlebt und sind, wenn es sie dem Namen nach noch gibt, in neue Abhängigkeiten eingetreten.
1990 kannte man das Internet vor allem als militärisches Netz. Password würdigte den Durchbruch des Internets zum weltweiten universalen Massenphänomen in den 90er Jahren, das am Ende beinahe der ganzen Menschheit zu Diensten war, in mindestens sechs „Trend-des-Jahres“-Geschichten:
- 1994: „Internet“;
- 1995: „Die Online-Konsumentendienste starten“;
- 1996: „Kommerzieller Durchbruch des World Wide Web“;
- 1998: „E-Commerce und der Boom der New Economy“,
- 1999: „Die unabhängigen Anbieter im Internet“;
- 2000: „Immer mehr tagesaktuelle Nachrichten“.
Wer kann sich heute noch, zwei Jahrzehnte später, vorstellen, ohne Internet zu leben? Wo ständen wir in der Corona-Epidemie, wenn wir uns nicht über das Internet untereinander vernetzen könnten?
Das Internet hatte sich wechselseitig auf der Nutzungs- und Anbieterseite in einem einzigartigen Boom hochgeschaukelt. Um die Jahrtausendwende gab es kaum mehr ein Unternehmen, das nicht über eine eigene Webseite verfügte. Doch wie sollte man sich in der scheinbar unendlichen Vielfalt des Internets zurechtfinden? Die Antwort darauf wurde mit den Suchmaschinen gefunden.
Bereits 1998 mehrten sich die Anzeichen, dass Google dabei war, die konkurrierenden Suchmaschinen aus dem Felde zu schlagen. Google setzte neue Standards der Einfachheit und wurde damit zum Vorbild für fast alle Netzanbieter, indem es reichte, einen Internet-unerfahrenen Adepten vor den legendären Suchschlitz von Google zu setzen und ihm einen Suchbegriff eingeben zu lassen. In fast allen Fällen erhielt dieser passende Antworten, die von einem Algorithmus nach ihrer Relevanz für den Nutzer geordnet worden waren. Das Vorbild von Google vor Augen, setzten die Webseitenbetreiber ihren Aufschwung nach dem Motto „Mit einem Fingertipp zum Wissen der Welt“ und „Mit einem Fingertipp zu den Waren dieser Welt“ fort und beförderten den wirtschaftlichen Strukturwandel. Aktuell hat dies beispielsweise dazu geführt, dass sich der Einzelhandel doppelt existenziell, nämlich durch die Online-Händler und durch die Pandemie, bedroht sieht.
Google kam zu seiner „Trend des Jahres“-Geschichte im Jahr 2003.
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Das Versprechen des Social Web: Jeder ein Leser und ein Autor, jeder ein Käufer und ein Verkäufer.
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Bei der Trendwahl für die Jahre 2011 – 2020 kam uns zugute, dass wir bereits für das Jahrfünft 2011 – 2015 eine Vorwahl getroffen hatten: Die Entfaltung des Social Web. Das Social Web startete mit Plattformen für Statements und Kommentare vorwiegend für den Consumer-Bereich und erfuhr von Anfang an ein großes Echo in den Medien. Aber die Wirtschaft wusste zunächst nicht recht, wie sie mit diesem neuen Phänomen umgehen sollte. Noch um die Jahrtausendwende fragte ich einen der bedeutendsten deutschen Unternehmer in der Online-Branche, Peter Müller-Bader (GBI), ob das Social Web für unsere Branche und generell für die Wirtschaft wichtig werde. Müller-Bader antwortete uneingeschränkt mit „Ja“. Die Richtigkeit seiner Antwort war nicht mehr zu übersehen, als Facebook beträchtliche Teile der Menschheit als Mitglieder gewonnen hatte und ein neuer Lebensstil – das Smartphone immer in der Hand, um Nachrichten einzugeben oder abzurufen – kreiert worden war. Password ging auf diese gewaltige Entwicklung in den 00-er Jahren mit mehreren „Trend-des-Jahres“-Geschichten ein:
- 2006: „Web 2.0“,
- 2009: „Soziale Netzwerke“ und
- 2010: „Zivilgesellschaft und Soziales Web“.
Mark Zuckerberg, Gründer und CEO von Facebook wurde von Password zum „Mann des Jahres“ für das Jahr 2010 gewählt.
Die Formulierung „Die Entfaltung des Social Web“ ist offensichtlich mit positiven Konnotationen verbunden. In der Tat überwogen 2015 noch der Optimismus, die Begeisterung, die Hoffnungen und die Erwartungen an die Leistungen und Verdienste des Social Web, auch wenn bereits kaum überhörbare skeptische Stimmen dazugekommen waren. Wir fragen in einem etwas romantisierenden Rückblick, was viele von uns voraussahen oder vielleicht besser erhofften:
- die Vereinigung nahezu der gesamten Menschheit auf wenige Plattformen wenn nicht auf einer einzigen Plattform (Facebook);
- die Aufhebung örtlicher Grenzen, indem die Menschen weltweit auf einer Plattform zusammengeführt wurden;
- die Aufhebung zeitlicher Grenzen, weil ein Kontakt in Echtzeit herzustellen war, unabhängig davon, wo die in Kontakt zueinander tretenden Personen sich aufhielten;
- die damit verbundene Beschleunigung der Entwicklungen, die, wenn man an einen letztlich universalen und irreversiblen Fortschritt glaubte, nur positiv zu sehen war;
- die tendenzielle Herstellung einer universalen Öffentlichkeit, indem alle Menschen zumindest die Möglichkeit hatten, sich nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Produzenten von Texten, Podcasts, Videos und Filmen zu betätigen und im Zuge von E-Commerce auch als Käufer und Verkäufer;
- die Anzeichen eines umfassenden Diskurses, der dank der „Weisheit der Menge“ zu weit besseren politischen Ergebnisse führte als die Auseinandersetzungen zwischen Politikern und veröffentlichten Meinungen;
- vielversprechende Ansätze zur Ausbreitung der Demokratie verbunden mit der Hoffnung, dass am Ende die autoritären Herrscher verjagt wurden;
- die Potenzierung der Möglichkeiten, sich unter Gleichgesinnten zu treffen, die einander Hilfestellung leisteten und
- das bereits von Google eingeläutete „Zeitalter des Endes aller Fragen“, weil sich irgendwo auf dem Globus doch jemand finden sollte, der noch die abseitigste Frage zu beantworten wusste.
Donald Trump
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Die Enttäuschung aller Träume durch Populismus und Fake News.
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2020 stand das Social Web nach wie vor im Fokus der Fach- und der allgemeinen Medien. Seine rasanten Entwicklungen nach Mitgliederzahlen und Umsatzvolumen hatten sich fortgesetzt. Wenn die Wachstumsraten von Facebook kleiner wurden, wuchsen die Facebook-Ableger Instagram und WhatsApp desto mehr.
Aber das Bild des „Social Web“ hatte sich mittlerweile weitgehend verdunkelt, so dass der Trend der Jahre 2016 – 2020 auch mit „Social Web und Fake News“ umschrieben werden kann. Das ist eine eindeutig negative Bewertung des Social Web. Allerdings blieben die positiven Funktionen des Social Web erhalten, so dass zusammenfassend als Trend für die Jahre 2011 – 2020 die „Entfaltung und Degeneration des Social Web“ gewählt wurde.
Diese Entwicklungen – teils reale Entwicklungen, teils Veränderungen in den Perspektiven der Öffentlichkeit – und die Therapievorschläge dazu wurden in drei „Trend-des-Jahres“-Geschichteh behandelt:
- 2013 Cyberspionage ;
- 2016 Fake News – Was brauchen wir für einen Wahrheitsbegriff?
- Daten-, Informations- und Wissenskompetenz.
Eine mögliche „Wasserscheide“ in der Entwicklung des Social Web stellte der „Arabische Frühling“ dar. Die autoritären Regierungen des Nahen Ostens erwiesen sich zunächst als hilflos, als sich oppositionelle Bürger „spontan“ über das Social Web koordinierten. Aber 2015 hatten die Regierungen sich im Social Web kundig gemacht und dort aufgerüstet und weitere Maßnahmen der Unterdrückung eingesetzt, so dass der „Frühling“ weitgehend in einen demokratiefeindlichen „Winter“ übergegangen war. China perfektionierte seine Zensur über das Internet und führte mit Zustimmung seiner Bürger ein System des „Social Scoring“ ein, das von Europäern als Versuch der totalen Kontrolle über die Individuen mit digitalen Mitteln gesehen wird. Unternehmen und Regierungen hierarchisierten und professionalisierten das Web und suchten mit ihren überlegenen Ressourcen das Social Web zu gestalten, ohne ihre Maßnahmen und Interessen, beispielsweise die Zusammenarbeit mit Influencern, offenzulegen. Die Geheimdienste nahmen das Social Web und darüber hinaus das Internet teilweise in Besitz und ersetzten den früheren „Kalten Krieg“ durch einen Cyber War, in dem in feindlich gesinnten Ländern Anlagen von strategischer Bedeutung mit Hilfe von Hacking zerstört wurden und Armeen von Bots gegen ahnungslose Nutzer in „Feindesland“ zwecks Manipulation von Wahlen aufmarschierten.
Die bedenklichste Entwicklung war der Aufstieg von Fake News vor allem im Social Web. Die traditionellen Medien, die über eine jahrhundertelange Praxis der Prüfung des Wahrheitsgehaltes von Informationen verfügten, taten sich schwer mit dem Internet und waren dort nur eine Informationsquelle unter anderen. Viele Nutzer zeigten die Tendenz, sich ausschließlich über das Social Web zu informieren und sich von den schrillsten Effekten vereinnahmen zu lassen, ohne den Wahrheitsgehalt auch der abstrusesten Behauptung nachprüfen zu können noch zu wollen. Im Social Web entstanden abgeschlossene Gemeinschaften, deren Mitglieder nur aufeinander hörten und Informationen und Argumente Andersgesinnter außerhalb ihrer eigenen „Filterblase“ nicht zur Kenntnis nahmen. Möglich wurde dies durch die Unverantwortlichkeit der sozialen Plattformen, die nur an ihre Werbeeinahmen dachten, während sie ihren Nutzern Anonymität zugestanden und damit einen risikolosen Überbietungswettbewerb der Behauptungen förderten, in dem die Wahrheit wieder und wieder unter die Räder kam. Weitere Folgen waren eine Verrohung der Kommunikation im Social Web und ein erheblicher Beitrag zur Polarisierung von Gesellschaften.
Der Aufstieg des Populismus auch in demokratisch regierten Ländern wäre ohne das Social Web kaum möglich gewesen. Donald Trump wäre 2020 fast ein zweites Mal zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden, obgleich oder weil er täglich über Twitter neue Lügen verbreitete und die traditionellen Medien von seiner letzten Lüge ablenkte, indem er eine weitere haarsträubende Behauptung aufstellte. Letztendlich stellt der Populismus eine Attacke auf den Wahrheitsbegriff dar, die, wäre sie rundum erfolgreich, wissenschaftliches Arbeiten, das funktionsfähige Wirken demokratischer Institutionen und ein auf Vertrauen basierendes Zusammenleben der Bürger unmöglich machen würde.
Möglich wurde dies auch durch technikgläubige und ansonsten blinde Regierungen, die die Netzwerke machen ließen anstatt dafür zu sorgen, dass die Netzwerke wie die konventionellen Medien für alle Inhalte, die sie veröffentlichten, die Verantwortung übernahmen. Auch die etablierte Öffentlichkeit zeigte sich teilweise blind, indem in ihren Kommentaren von einer Übertragung des Presserechts, indem die Verantwortlichkeiten für jeden Text klar geregelt sind, auf die sozialen Netzwerke kaum jemals die Rede war.
Über die Entfaltung des Social Web, seine Degenerierung und die anstehenden Notwendigkeiten zu seiner Regulierung, wird im nächsten Jahrfünft weiter zu reden sein.
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