Open Password – Dienstag,
den 2. Juni 2020
# 763
TIB-AV-Portal – Wissenschaftliche Filme – Margret Plank – Bastian Drees – Technische Informationsbibliothek – Audioviduelle Medien – Visualisierung – YouTube – Vimeo – Hasso-Plattner-Institut – IWF und Medien – Creativ-Commons-Lizenzen – Benutzerzentriertes Design – Digital Object Identifier – Media Fragment Identifier – Erschließung – Gemeinsame Normdatei – Metadaten – RDF-Daten – ORCID – SIL – GND-ID – Forschungsgruppe Visual Analytics – Visual Concept Detection – Uni Münster – Uni Heidelberg – Uni Hamburg – Massive Open Online Courses – Videolectures – Spaactor – Science Cinema – Alleinstellungsmerkmale – E-Government – Covid-19-Beschränkungen – Digitale Verwaltung – Onlinezugangsgesetz – E-Government-Gesetz – „Branchenkompass Public Sector 2020“ – Sopra Steria – F.A.Z.-Institut – Bernd Baptist – Vergabe öffentlicher Aufträge – Datenschutz – IT-Sicherheit – eID – E-Rechnungen – Ulf Glöckner – Kultureller Wandel – BayernID – München – Kooperationen – ELFE – Bremen
TIB-AV-Portal
Eine verlässliche Infrastruktur
für wissenschaftliche Filme
Entstehung und Positionierung
im internationalen Vergleich
Von Margret Plank und Bastian Drees, Technische Informationsbibliothek
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Einführung
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Der Austausch wissenschaftlicher Ergebnisse über audiovisuelle Medien ist zu einem wichtigen Bestandteil der wissenschaftlichen Kommunikation geworden. Zusätzlich zu Textpublikationen und Materialien wie Forschungsdaten sind audiovisuelle (AV) Materialien immer häufiger Teil der Forschungsergebnisse. AV-Materialien dienen der Visualisierung von Forschungsergebnissen (z.B. Simulationen, Animationen), der Wissensvermittlung (z.B. Tutorialvideos und Aufzeichnungen von Vorträgen und Konferenzen) sowie dem tieferen Verständnis von Forschungsaspekten (z.B. Interviews, Projektdokumentationen und Aufzeichnungen von Experimenten). Angesichts der stark zunehmenden Zahl digitaler audiovisueller Medien in Wissenschaft und Bildung ist es notwendig, die Bedingungen für die Nutzung dieser Materialien zu verbessern.
Da die meisten Repositorien für Text und Daten konzipiert sind, nutzen Forschende und Lehrende in erster Linie Plattformen wie YouTube und Vimeo zur Bereitstellung ihrer Videos. Diese Plattformen sind jedoch nicht für wissenschaftliche Materialien geeignet, insbesondere mit Blick auf Zitierbarkeit, Langzeitverfügbarkeit und Lizenzmanagement. Mit dem TIB AV-Portal[1] hat die TIB eine nutzer- und bedarfsorientierte offene Plattform zum Teilen wissenschaftlicher Videos entwickelt. Der Fokus dieser verlässlichen Infrastruktur liegt auf dem Hosting sowie der Erschließung und Bereitstellung wissenschaftlicher Videos zum Zweck der Recherche [Plank 2016].
[1] https://av.tib.eu/
Abbildung 1: Startseite TIB-AV-Portal
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Entwicklung
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Das TIB-AV-Portal wurde von 2011 bis 2014 von der Technischen Informationsbibliothek in Kooperation mit dem Hasso-Plattner-Institut Potsdam entwickelt und ist seit Frühjahr 2014 online verfügbar. Bereitgestellt werden im Portal derzeit mehr als 22.000 qualitätsgeprüfte wissenschaftliche Videos (Stand: September 2019). Ein großer Teilbestand umfasst etwa 4.000 historische Filme der ehemaligen IWF Wissen und Medien gGmbH. Größtenteils liegen die Videos des AV-Portals unter Creative-Commons-Lizenzen vor. Die Entwicklung basierte auf einem benutzerzentrierten Designansatz. Dazu gehörten Experteninterviews sowie Fokusgruppen, Rapid Prototyping, Usability-Tests und Eyetracking zum besseren Verständnis der Bedürfnisse und des Verhaltens der Nutzer [Plank und Weichert 2011]. Um die Anforderungen und Bedürfnisse aller Benutzergruppen optimal zu bedienen, wird die Entwicklung weiterhin von einem benutzerzentrierten Design begleitet.
Wesentliche Alleinstellungsmerkmale des Portals sind die Langzeitarchivierung aller Videos sowie die lückenlose Verwendung von Digital Object Identifiern (DOI) und Media Fragment Identifiern (MFID). Durch sie werden die langfristig verlässliche Verfügbarkeit sowie die sekundengenaue Referenzierbarkeit der Videos gewährleistet. Darüber hinaus beinhaltet das AV-Portal verschiedene automatisierte Analyseverfahren, durch welche die verfügbaren Videos feingranular und zeitbasiert erschlossen werden. Dabei handelt es sich um eine zeitliche Segmentierung (Erkennung der Einstellungswechsel), eine Keyframe-basierte Texterkennung (Video OCR), die Spracherkennung zur Erstellung von Audiotranskripten, die Annotation mit vordefinierten visuellen Konzepten sowie eine semantische Analyse und differenzierte Verschlagwortung der Videoinhalte mit circa 65.000 fachspezifischen Schlagwörtern der Gemeinsamen Normdatei (GND). Mithilfe dieser Analyseverfahren können Informationen und Inhalte durch semantische und explorative Suchfunktionalitäten („Facettensuche“) präzise lokalisiert, Videos inhaltlich durchsucht und relevante Videoabschnitte segmentgenau identifiziert und aufgerufen werden. Über ein cross-linguales Mapping (deutsch-englisch) der semantischen Wissensbasis lassen sich die Videos darüber hinaus im Portal sprachübergreifend durchsuchen [Waitelonis et al 2016].
Abbildung 2: Videoanalyse TIB-AV-Portal
Um Dritten eine Nachnutzung der umfangreichen Metadatenbestände des TIB-AV-Portals zu ermöglichen, werden sowohl alle bibliographischen Metadaten als auch die automatisch generierten zeitbasierten Metadaten des AV-Portals aus Sprach-, Text- und Bilderkennung, die unter Open-Access-Lizenz Creative Commons 1.0 (CC0) stehen, zur Nachnutzung als RDF-Daten[1] (Resource Description Framework) bereitgestellt. Der Datenbestand ist zusätzlich zur DOI mit weiteren Identifiern wie ORCID (Open Researcher and Contributor ID), ISIL (International Standard Identifier for Libraries and Related Organisations) und GND-ID (Gemeinsame Normdatei) angereichert, um die Sichtbarkeit und Interoperabilität der Datenbestände zu erhöhen.
In der derzeitigen Lösung verwendet das AV-Portal für die Videoanalyse zum Teil kommerzielle Lösungen, die nicht als Open Source zur Verfügung gestellt werden können. Es wurde mit einer Modernisierung und Restrukturierung der Software begonnen mit dem Ziel, das Portal ausschließlich mit offenen Technologien und Softwarekomponenten zu realisieren. Diese Entwicklungen werden von der TIB selbst unternommen. Die von der Forschungsgruppe Visual Analytics der TIB entwickelte Visual Concept Detection ist bereits in das Portal integriert und hat eine mittlerweile veraltete Software abgelöst. In Zukunft sollen weitere Forschungsergebnisse in das Portal überführt und so zu zentralen Dienstleistungen werden.
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Stellung des AV-Portals im internationalen Vergleich
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Auch wenn es eine große Zahl von Videoportalen gibt, liegt ihr Schwerpunkt in der Regel nicht auf wissenschaftlichen Videos. Auch bei den großen kommerziellen Anbietern wie YouTube und Vimeo finden sich wissenschaftliche Inhalte, jedoch werden die Plattformen nicht zu diesem Zweck betrieben und es fehlen daher Lösungen der Qualitätssicherung, der Langzeitverfügbarkeit und der Zitierbarkeit. Auf der anderen Seite gibt es Plattformen, die zwar für wissenschaftliche Inhalte betrieben werden und auch das Bereitstellen von Videos ermöglichen, bei denen der Fokus aber vorwiegend auf andere Medien wie z.B. den Forschungsdaten liegt. So können bei Figshare[2] und Zenodo[3] Videos hochgeladen werden, die Plattformen sind aber für diese Art der Medien nicht ideal konzipiert. Darüber hinaus werden von mehreren Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen Videoportale betrieben, so z.B. an der Universität Münster[4], der Universität Heidelberg[5] und der Universität Hamburg[6]. Diese Einrichtungen bieten ihre Infrastruktur aber in der Regel nur eigenen Mitarbeitern an. Somit haben diese Angebote eher den Charakter eines institutionellen Repositoriums. Außerdem gibt es zahlreiche Portale, die sich lediglich auf einen Teilbereich wissenschaftlicher Videos konzentrieren, allen voran die Bereiche Lehre und (Hochschul-)Bildung. Im Bereich Lehre gibt es zusätzlich zu zahlreichen Plattformen für Massiv Open Online Courses (MOOC) Portale wie Videolectures[7], die sich auf Vorlesungsaufzeichnungen spezialisiert haben.
Der Einsatz von Verfahren zur Videoanalyse ist bei den meisten Plattformen die Ausnahme und nicht die Regel. So bietet YouTube mittlerweile für die meisten Videos eine Untertitelung und Sprachtranskripte an und die Plattformen Spaactor[8] sowie Science Cinema[9] machen den gesprochenen Text in Videos durchsuchbar sowie sekundengenau auffindbar. Eine offene Plattform, die es allen Forschenden ermöglicht, ihre audiovisuellen Medien zu veröffentlichen und mit anderen Forschenden zu teilen, die sowohl eine Langzeitverfügbarkeit gewährleistet als auch DOI-Vergabe, Sprach-, Text- und Bilderkennung für wissenschaftliche Inhalte bietet, ist eine Ausnahme und ein Alleinstellungsmerkmal des AV-Portals der TIB.
Lesen Sie in der abschließenden Folge: Dienst für Konferenzaufzeichnungen – Marketing, PR und Erfolgskontrollen – Perspektiven und Herausforderungen
[1] https://av.tib.eu/opendata
[2] https://figshare.com/
[3] https://zenodo.org/
[4] https://www.uni-muenster.de/videoportal
[5] https://heidicon.ub.uni-heidelberg.de/
[6] https://lecture2go.uni-hamburg.de/l2gos)
[9] https://www.osti.gov/sciencecinema/
E-Government-Zwischenbilanz in Deutschland
Schub durch Covid-19-Beschränkungen
Der Aufbau einer digitalen Verwaltung in Deutschland zieht sich hin. 16 Prozent der Behörden melden, dass sie Verwaltungsleistungen gemäß Onlinezugangsgesetz vollständig oder weitgehend über das Internet anbieten. 61 Prozent befinden sich mitten in der Umsetzung. Größere Fortschritte gibt es bei der Umsetzung des E-Government-Gesetzes, beispielsweise bei der Online-Vergabe von Aufträgen. Das sind die Ergebnisse des Branchenkompass Public Sector 2020 von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut. Für die Studie wurden hundert Entscheider aus hundert deutschen Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen befragt.
Die Covid-19-Beschränkungen haben der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung einen Schub verliehen. Die Nutzung des derzeit vorhandenen Online-Angebots hat stark zugenommen. „Die Behörden bekommen nun konkret vor Augen geführt: Es gibt noch zu viele reine Informationsangebote und zu wenige echte digitale Verwaltungsdienstleistungen. Das werden viele nun schnell ändern wollen“, sagt Bernd Baptist, verantwortlich für die Geschäftssparte Public Sector bei Sopra Steria.
Zwei Gesetze sorgten bereits vor dem Ausbruch des Coronavirus dafür, dass die öffentliche Verwaltung digitalisiert wird: das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz), seit August 2013 in Kraft, inklusive eigener E-Government-Gesetze der Bundesländer sowie das Onlinezugangsgesetz (OZG), seit 2017 in Kraft. Mit der Umsetzung beider Gesetze kommen die Verantwortlichen bei Bund, Ländern und Kommunen unterschiedlich voran.
Am weitesten gekommen ist die öffentliche Verwaltung bei der elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge: In 60 Prozent der Behörden ist die Abwicklung von Ausschreibungen über spezielle Vergabeplattformen möglich geworden. Jede vierte Verwaltungseinrichtung hat das Vergabeverfahren zumindest in Teilen digitalisiert. Vorgaben für den Datenschutz und die IT-Sicherheit haben 48 Prozent der Behörden vollständig und 47 Prozent teilweise umgesetzt. Das Thema Cybersicherheit hat für nahezu alle Behörden Priorität.
Nachholbedarf gibt es bei Vorgaben, die für Bürger und Unternehmen besonders attraktiv sind. Dazu gehört, sich im Internet bei Behörden zu identifizieren (eID) und Leistungen direkt online zu bezahlen. Acht Prozent der befragten Behörden bieten eine eID an. 30 Prozent befinden sich in der Umsetzung. Etwas weiter ist die öffentliche Verwaltung bei Bezahlangeboten und der E-Rechnung. Jede fünfte Behörde (22 Prozent) meldet hier Vollzug, 44 Prozent arbeiten an derartigen Lösungen. Bei der Verarbeitung von E-Rechnungen drängt die Zeit: Das E-Rechnungs-Gesetz verlangt, dass Unternehmen ihre Rechnung an öffentliche Auftraggeber ab November 2020 in digitaler Form stellen.
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OZG-Halbzeit: Viele Prototypen, wenige flächendeckende Angebote ___________________________________________________________________________
Die Umsetzung des OZG kommt langsam voran. 77 Prozent der befragten Behörden berichten von Online-Verwaltungsangeboten, die aber nur ansatzweise fertig sind. Bei 16 Prozent sind OZG-Leistungen komplett fertig oder weitgehend entwickelt. Ulf Glöckner, Senior Manager Public Sector bei Sopra Steria und Experte für Change Management: „Dienstleistungen müssen aus Nutzersicht neu gedacht und dann digital in der Form angeboten werden, wie es die Bürger und Unternehmen vom Interneteinkauf gewohnt sind. Dieser kulturelle Wandel braucht länger als die Einführung einer App und muss effektiv gemanagt werden.“
Eine Voraussetzung für bürgerorientierte Verwaltungsdienste sind rechtssichere Bürger- und Servicekonten. 41 Prozent richten diese gerade ein. Über sie können Bürger und Unternehmen künftig Angebote verschiedener Verwaltungen nutzen, in Bayern beispielsweise mit der BayernID. Bei 14 Prozent der befragten Behörden sind diese Arbeiten weitgehend abgeschlossen. Kommunen wie die Stadt München sind hier weiter als Bund und Länder. ___________________________________________________________________________
Mehr Zusammenarbeit und Bürgernähe gefragt
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Ein Ansatz für schnellere E-Government-Fortschritte ist eine intensive übergreifende Zusammenarbeit auf allen Verwaltungsebenen. OZG-Verwaltungsdienstleistungen werden deutschlandweit in Digitalisierungslaboren einzelner Verwaltungen entwickelt. Erfüllen diese Pilotprojekte die rechtlichen Vorgaben, können andere Behörden diese Dienste übernehmen.
Ein Beispiel ist ELFE (Einfach Leistungen für Eltern) der Stadt Bremen. Ziel ist, alle Verwaltungsverfahren rund um die Geburt eines Kindes in einem bürgernahen Online-Verfahren zu bündeln, von der Anmeldung beim Standesamt bis zum Kindergeld. Dafür müssen nicht nur Prozesse digitalisiert und Webseiten programmiert, sondern in diesem Fall 17 Gesetze angepasst werden
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