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Open Password – Donnerstag,
den 12. April 2018
#348
Wikiversity – Google Books – Klaus Graf – Digital Humanities – HathiTrust – Archivalia – Internet Archiv – BASE – Europeana – Virtual Library – de Gruyter
Zukunft der Informationswissenschaft:
Wikiversity
Weitgehendes Versagen der Wissenschaft
beim reflektierten Umgang
mit Google Books
Klaus Graf, streitbarer Autor in Urheberrechts- und Open-Access-Fragen, hat in Wikiversity sieben Todsünden von Google Books diagnostiziert, es allerdings auch als „geniales Rechercheinstrument“ bezeichnet und der Wissenschaft ein weitgehendes Versagen beim reflektierten Umgang mit diesem Angebot attestiert. https://de.wikiversity.org/wiki/Benutzer:Histo/GBS_Digital_Humanities
Der skizzen-, stichwort- und thesenhafte Charakter seines Beitrages dürfte auch damit zu erklären sein, dass Wikiversity aus Bestrebungen hervorgegangen ist, wissenschaftliche Lehrbücher zu erstellen. Graf nennt seine Freiburger Lehrveranstaltung seit etlichen Semestern „Google Books und die Wunderwelt digitaler Bibliotheken“. Die deutschsprachige Wikiversity-Community definiert Wikiversity mittlerweile weiter, nämlich als eine „Plattform zur gemeinschaftlichen Bearbeitung wissenschaftlicher Projekte, zum Gedankenaustausch in fachwissenschaftlichen Fragen und zur Erstellung freier Kursmaterialien“. 2013 hatte Wikiversity 15.000 registrierte Nutzer und hundert aktive Autoren, Grund genug aus der Sicht der Gemeinschaft, nicht zufrieden zu sein („Wikiversity: Über Wikiversity“).
Wir geben den Beitrag von Graf leicht gekürzt und redigiert wieder.
Google Books und Digital Humanities
Die sieben Todsünden
von Google Books
Von Klaus Graf
These: Google Books ist für geisteswissenschaftliche Recherchen und damit für die Digital Humanities das wichtigste Werkzeug.
Nicht alles, was in Google Books und Google Scholar auffindbar ist, ist in die Websuche integriert.
These: Es gibt zu wenig wissenschaftliche Forschung über Google Books. – Fragment (2011) dazu: https://archivalia.hypotheses.org/59945
These: Google Books ändert sich ständig, alle Aussagen können am nächsten Tag überholt sein
Neben gravierenden Mängeln gibt es auch viele lässliche Sünden … Fehlen von Permalinks – https://archivalia.hypotheses.org/64173 – Nicht dauerhafte Einbettungsfunktion – https://archivalia.hypotheses.org/60596
- Im Vergleich zum Arcanum Google Books waren die frühneuzeitlichen Archive Horte der Transparenz.
„Black box“ und Geheimniskrämerei. Umfang: 20 Millionen Bücher (zum Vergleich Harvard: 16 Millionen). Scanzentren unzugänglich
Vertrag der BSB München mit Google nicht öffentlich – https://archivalia.hypotheses.org/11434
- Google kultiviert eine ausgeprägte Urheberrechts-Paranoia und gibt ein schlechtes Beispiel für HathiTrust
Europäische Bücher nach 1876 (Stand: 2017, moving wall) sind für Nicht-US-Nutzer in der Regel in Google Books nicht in Vollansicht einsehbar…
Tipp: Nur mit US-Proxy in Vollansicht benutzbare Google Books ins Internet Archive hochladen! Siehe auch den #Gemeinfreitag in Archivalia – https://redaktionsblog.hypotheses.org/3313
Tipp: Digitalisate im Internet Archive in Wikisource eintragen! – https://de.wikisource.org/wiki/Konstanz#Konstanzer_Konzil…
Während bei Google für US-Nutzer bei europäischen Büchern auch bei ca. 1909 Schluss ist, können Nutzer mit US-IP in HathiTrust Bücher bis einschließlich 1922 ganz lesen. – https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015014707650;view=1up;seq=7
Von den 15 Millionen Büchern in HathiTrust sind knapp sechs Millionen für US-Nutzer als Public Domain zugänglich.
- Google Books ist voll von miesen Metadaten.
Von einem unüberprüften Import in Literaturverwaltungsprogramme kann nur abgeraten werden…
Metadatenfehler werden kaum korrigiert…
- Google Books enthalten immer noch eine Menge zu schlechter Scans, und auch auf die OCR ist nicht selten zu wenig Verlass.
Zugegeben: Google Books ist erheblich besser geworden, Scans werden laufend ausgetauscht; die OCR bei Fraktur ist inzwischen gut. http://theartofgooglebooks.tumblr.com/
BSB: „Etwa alle zwei Jahre nimmt sich Google die Daten erneut vor und überarbeitet sie. So wurden beispielsweise irgendwann die Finger des Scan-Personals, die anfangs zu sehen waren, entfernt“ – https://archivalia.hypotheses.org/64823
Aber es gibt noch genügend unbrauchbare Teile, z.B. nicht ausgeklappte Tafeln…
- Google bevormundet seine Nutzer bei der Auswahl der Suchergebnisse in unerträglicher Weise.
Bücher werden nicht gefunden, die in Google Books vorhanden sind und die Suchkriterien erfüllen.
Es geht nicht nur um Ranking (bei umfangreichen Treffermengen), sondern auch um Auswahl (bei kleinen) …
Die Filter der erweiterten Suche sind unzulässig. …
Die Suche im Buch ist unzuverlässig (Ritter Toggenburg 1940-1960: Google Books 20 Treffer, HathiTrust (fast alles Google Scans) 485 Treffer…
Massive Irreführung auch bei der Vollansicht (Google Verlagsprogramm): https://archivalia.hypotheses.org/60030 – https://archivalia.hypotheses.org/64173
Diese Fehler schaden auch der Zitatsuche…
- Die Trefferlisten sind voller Spam.
In den Trefferlisten sind häufig Bücher zu finden, die ersichtlich nicht relevant sind und nichts mit der Suchanfrage zu tun haben. – https://www.google.de/search?num=100&tbm=bks&q=konstanz+%22gallus+%C3%B6hem%22 – 1300 Ergebnisse schnurren auf Seite 2 auf 173 zusammen. …
- Google vernachlässigt Google Books zunehmend und arbeitet nicht mit der Wissenschaft/Zivilgesellschaft zusammen.
Scott Rosenberg sprach in einem vor kurzem erschienenen Artikel von den zwei Toden des Google Book Search-Projekts. „Den ersten starb es, nachdem gegen Google Books geklagt wurde. Den zweiten starb es, nachdem Google vor Gericht gesiegt hatte. Denn trotzdem wird das Projekt offenbar nur noch höchst halbherzig weitergeführt“. -https://archivalia.hypotheses.org/64485…
Wo bleibt das Positive?
(Trivial:) Forderung nach Quellenkritik gilt auch Google Books!
These: Je mehr man sich mit Google Books befasst und kreativ mit den eigenen Suchprozessen umgeht, umso eher ist es möglich, die aufgezählten Beschränkungen zu umgehen oder abzumildern.
Trotz aller Einwände: Google Books ist ein geniales Recherche-Instrument.
Etwas, was Google absolut richtiggemacht hat: Bei mehreren Suchworten werden nur Treffer ausgegeben, die ungefähr auf einer einzigen Seite stehen. Anders HathiTrust: https://babel.hathitrust.org/cgi/ls?field1=ocr;q1=holzapfel%20splettst%C3%B6sser;a=srchls
HathiTrust ist nicht die einzige Volltextsuche aus Google-Scans. Neben HathiTrust bieten Gent, München, Oxford, Den Haag und Wien die von Google gelieferten Scans in eigenen Angeboten an. Volltextsuchen gibt es in München, Wien und Den Haag. …
Google duldet erfreulicherweise das massive Hochladen seiner Scans ins Internet Archive. Im Internet Archive gibt es erst seit kurzem wieder eine einigermaßen funktionierende Volltextsuche (aber: keine Phrasensuche möglich) – https://archive.org/search.php?query=gottfried%20pahl&sin=TXT
Gezielt Metadaten zu durchsuchen, wie dies Bielefelds Suchmaschine BASE oder die Europeana ermöglichen, weiß ich zu schätzen; aber dies ersetzt keine Volltextsuche. Googles Konzept einer Volltextsuche ist goldrichtig.
Kulturinstitutionen denken meistens, für Volltextsuchen ist Google zuständig, obwohl es kaum etwas Dringenderes gäbe als akademische Volltext-Zusatzangebote zu Google. Niemand kann Google derzeit ersetzen, aber wir brauchen intelligente Werkzeuge, die seine Unzulänglichkeiten abmildern. …
Zahlreiche deutsche Bibliotheken bieten Digitalisate mit der kommerziellen Software Visual Library an, teilweise auch mit Volltextsuche. Aber es gibt keine die einzelnen Projekte übergreifende Volltextsuche.- https://www.semantics.de/visual_library/
Riesiger Bestand an wichtigen Retrodigitalisaten auf dem Verlagsserver von De Gruyter, aber die Volltextsuche ist unzulänglich: https://www.degruyter.com/dg/advancedsearchpage
Scheitern der Discovery-Bibliothekssysteme liegt auch an mangelnden Schnipseln (z.B. KonSearch). Zu weiteren wichtigen Volltextsuchen: https://archivalia.hypotheses.org/9726
Schlussbemerkung
Bedenkt man den Rang, den Google Books für die geisteswissenschaftliche Recherche-Arbeit, aber auch für Überlegungen zum Thema Suche/Retrieval hat, erstaunt das weitgehende Versagen der Wissenschaft beim reflektierten Umgang mit dem Angebot.
Es sollten viel mehr veröffentlichte Beobachtungen und Studien zu Google Books geben. Anders als die Websuche ist es für Suchmaschinenoptimierung uninteressant. Umso wichtiger wäre es, dass Wissenschaftler über eines ihrer wichtigsten Instrumente nachdenken.
Es ist falsch, dass sich Wissenschaftsorganisationen und die Politik zu Google Books völlig passiv verhalten. Sie müssten im Interesse der Wissenschaft den – gewiss sehr schwierigen – Dialog mit Google suchen, etwa im Bereich der vergriffenen und verwaisten Werke. An den Grundgedanken des gescheiterten „Settlement“ müsste weitergearbeitet werden.
Nicht-kommerzielle und kommerzielle Anbieter von Volltextsuchen sollten stärker zur Zusammenarbeit im Bereich akademischer Metasuchen gedrängt werden.
Das also wäre meine Vision: Lasst tausend vernetzte, also bequem gemeinsam durchsuchbare Volltextsuchen neben Google aufblühen! Vor allem solche, die Googles Fehler vermeiden und seine Vorteile kopieren …
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