Open Password – Montag, den 18. August 2019
# 612
Richard Stang – Konrad Umlauf – Rezensionskultur – Öffentliche Bibliotheken – DeGruyter Saur – Hochschule der Medien – Zukunft der Informationswissenschaft – Willi Bredemeier – Rezensionskultur – Rezensionsalternative – Interview – Reportage – David Lankes – Erwarten Sie mehr – Leitbilder – Kerstin Keller-Loibl – Kinderrechtskonvention – Susanne Brandt – Zielgruppen – Image – Ausbildungsangebote – Berufsbezogene Angebote – Kommunale Träger – Fördergelder – Amazon – Netflix – Buchhandlungen – Bibliothekstheorie – Electronic Lab Notebook – Birte Lindstädt – Beatrix Adam – PUBLISSO – Forschungsdatenmanagement – Ulrike Ostrzinski – IRB – Bauforschung und Praxis
Öffentliche Bibliotheken
Eine Alternative zur etablierten Rezensionskultur in sieben Punkten
Dem großen Anspruch der Bibliotheken nicht nur in ihren Konzepten gerecht werden!
Beamte der Stadtverwaltung oder
so mutig wie die Autoren sein,
die sie vertreten?
Von Willi Bredemeier
Bild Richard Stang
Richard Stang, Konrad Umlauf (Hrsg.), Lernwelt Öffentliche Bibliothek – Dimensionen der Verortung und Konzepte, DeGruyter Saur 2018.
Auf das obige Buch stieß ich, weil ich auf Richard Stang und seine Forschungen neugierig geworden war, nachdem ich ihn für den Beitrag „Lehr- und Lernraumforschung im Kontext der Informationswissenschaft – Das Learning Research Center der Hochschule der Medien Stuttgart“ in meinem Reader „Zukunft der Informationswissenschaft“ gewonnen hatte. Als ich das Buch las, wurde mir abermals deutlich, dass ich eine Debatte darüber vermisse, wie Rezensionen auch geschrieben werden könnten und sollten. Das gilt insbesondere dann, wenn man eine Vermittlungsfunktion für eine breitere Öffentlichkeit wahrnehmen will. Die mögliche Alternative habe ich in sieben Punkten zusammengefasst:
- über den Tellerrand schauen und nicht nur Inhalte rezensieren, mit denen man sich ein berufliches Leben lang beschäftigt hat und so in Gefahr gerät, in ausgetretenen Zusammenhängen zu verharren, sondern sich mit einem frischen Blick an neue Themen zu wagen – dies in dem Wissen, dass viele Themen und Zusammenhänge in unserer Gesellschaft (beispielsweise Konzeptionen zur Modernisierung von Bibliotheken) einfacher sind, als dass man sie den Experten allein überlassen müsste (Hätten wir nicht sonst das allgemeine Wahlrecht infragezustellen?);
- weniger den Autor in den Mittelpunkt stellen und seine Leistung mit Reputationspunkten bewerten als von den Wissensbedarfen des Lesers auszugehen;
- sich auch auf Zielgruppen fokussieren, die gemeinhin nicht als Adressaten in Rezensionen gesehen werden, also nicht nur den Kollegen („Peer“) in unmittelbarer disziplinärer Nachbarschaft sehen, sondern sich beispielsweise als Sachwalter der gebildeten Öffentlichkeit und des politisch aktiven Bürgers verstehen;
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Die emotionale Attraktivität von Texten erhöhen, ohne an Seriosität einzubüßen.
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- weniger auf der Metaebene referieren, worüber der Autor Erörterungen anstellt, sondern darüber, was seine zentralen Botschaften sind und was die Leser damit anfangen können;
- in Zusammenfassungen weniger sagen, welche Methoden angewandt worden sind, um zu einem Ergebnis zu kommen, sondern sagen, was als Ergebnis herausgekommen ist, und
- wenn man doch Reputationspunkte verteilen möchte: die Entwicklung mutiger Thesen sowie Handlungsempfehlungen für die Praxis besonders gewichten.
Eine solche „Rezensionsalternative“ würde auch zu anderen Formen und Formaten führen, beispielsweise zu einer stärkeren Verwendung des in konventionellen Rezensionen verpönten „Ich´s“, um die sich zwangsläufig ergebende Subjektivität der eigenen Bewertungen offenzulegen, und die häufigere Wiedergabe von Zitaten. Dies führt zu einer weiteren Anforderung:
- weniger in Formaten und Formen zu verharren, wie sie sich in wissenschaftlichen und wissenschaftsnahen Publikationen und deren Rezensionen etabliert haben, sondern nach neuen passenden Formaten und Formen aus anderen Bereichen der Texterstellung zu suchen und die Autoren, deren Werke man rezensiert, zu ähnlichen Formaten zu ermuntern. Beispiele für andere Formate können das Interview und die Reportage (oder eine Fallstudie unter Offenlegung der eigenen subjektiver Eindrücke) sein.
Um ein weiteres Beispiel aus persönlicher Sicht anzubringen: Als ich gemeinsam mit der Direktorin der Universitätsbibliothek der Ruhr-Universität Bochum, Erda Lapp, „Erwarten Sie mehr“ von David Lankes aus dem Amerikanischen übersetzte, begeisterte mich die Weise, wie Lankes es schaffte, den Enthusiasmus, der in vielen experimentierfreudigen, kundenorientierten und erfolgreichen Bibliotheken vorherrscht, in seinen Texten herüberzubringen. Lankes weist nach, dass es möglich ist, die emotionale Attraktivität von Texten zu steigern, ohne an Seriosität einzubüßen und ohne gleich an Belletristik oder gar an Werbung denken zu müssen. Eine Maximierung von Langeweile in den eigenen Texten und Rezensionen sollte dazu keine Alternative sein.
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Die Bibliotheken sollten sich mit der Ausblendung zentraler Faktoren für ihre Arbeit nicht kleiner machen, als es der eigene große Anspruch verträgt.
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Dass es nicht nur in amerikanischen, sondern auch in deutschen Bibliotheken Enthusiasmus gibt und Experimentierfreude im Schwange ist, dafür liefert der Reader von Stang und Umlauf eine Reihe von Beispielen. Solches muss es auch geben, da der Wandel der Rahmenbedingungen die Bibliotheken vor existenzgefährdende Herausforderungen gestellt hat, das bibliothekarische Pathos aber erhalten geblieben ist – wenngleich mit anderen Begründungen. Ging es im 19. Jahrhundert darum, „die harmonische Durchdringung der Person zur sittlichen und geistigen Freiheit“ über die Bereitstellung von Büchern zu bewirken (Nörrenberg 1896, Seite 9 – zitiert von Konrad Umlauf und Richard Stang, Positionierungen neugestalten – Veränderte Kontextualisierung Öffentlicher Bibliotheken, Seite 203), so ist es heute unter anderem angesichts eines hedonistischen Leitbildes vom Menschen das Ziel, „allen Menschen eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen“ (Kerstin Keller-Loibl, Zur Etablierung einer Bibliothekspädagogik – Professionalisierung der Bildungsarbeit Öffentlicher Bibliotheken, Seite 49) oder das „Wissen über ein gutes Leben zu teilen und zu verbreiten“ (Kinderrechtskonvention, Artikel 29, zitiert von: Susanne Brandt, Erste Schritte begleiten – Frühkindliche Bildung und Öffentliche Bibliotheken, Seite 155).
Dieses Pathos ist berechtigt, da sich die Bibliotheken tatsächlich um zentrale Größen menschlichen Lebens kümmern – nämlich wissen zu wollen und an Schönem teilzuhaben. Auch suchen sie angesichts ihres universellen Anspruchs alle Menschen anzusprechen und bildungsferne Schichten an Kultur und Bildung heranzuführen, dies neuerdings differenzierend nach Zielgruppen (vor allem Kinder, Jugendliche, Senioren und Migranten). Dieses Pathos ist auch wichtig, da es ein Motivator ist und zu dem insgesamt guten Image der Bibliotheken mit positiven Folgen für ihre Finanzierung beigetragen haben dürfte und immerhin 9% der Bevölkerung tatsächlich von den Bibliotheken erreicht werden (dies freilich aktuell wie bei wohl allen anderen sekundären Institutionen mit freiwilliger Mitgliedschaft mit negativer Tendenz).
Dieses am Gemeinwohl orientierte Pathos hat allerdings auch seine dunkle Seite, nämlich die im gesamten öffentlich finanzierten Bildungs-, Wissenschaft- und kulturellen Bereich weitverbreitete und zum Teil kultivierte Ablehnung alles Kommerziellen. Dies führte auch dazu, dass sich die Bibliotheken der Zielgruppen „Auszubildende“ und „Berufstätige“ nicht wirklich angenommen haben und Angebote zur Bewährung im beruflichen Leben insgesamt gesehen ein Schattendasein fristen, wohl um von den Bedarfen der Wirtschaft nicht instrumentalisiert zu werden. Umlauf sprach 1997 davon, dass die „eingeschränkte Bedeutung der Ausbildungsangebote und die schwache Position der berufsbezogenen Angebote … die öffentliche Bibliotheken gleichsam in einer gesellschaftlichen Schönwetterecke“ platzieren, und diagnostizierte die „Gefahr der weiteren Marginalisierung“ (Konrad Umlauf, Bestandsaufbau an öffentlichen Bibliotheken, Frankfurt, zitiert von Umlauf/Stang, a.a.O., Seite 205).
Auch frage ich mich, ob es für die Bibliotheken nicht sinnvoll wäre, zwar nicht ihre Gemeinwohlorientierung und ihren universalen Anspruch aufzugeben, aber doch mit einem „Premium-Teil“, beispielsweise mit spektakulären Veranstaltungen, einmal richtig Geld zu verdienen versuchen und sich damit ein Stück weit von ihren kommunalen Trägern und von staatlichen Fördermitteln mit ihren restriktiven Einhegungen unabhängig zu machen und beispielsweise in Fragen der Besoldungsstruktur ein Stück Handlungsfreiheit zu gewinnen. Dass angesichts der bisherigen weitgehend freiwilligen eigenen Selbstbeschränkungen einiges im Argen liegt, wird zumindest einmal im Buch thematisiert:
„Vermeintliche Aufgabenüberschneidungen mit anderen Einrichtungen, die Unkenntnis der Materie durch … Entscheider (insbesondere im Bereich der Medienkompetenz), althergebrachte Bibliotheksbilder, eine verkitschte Vorstellung eines nicht mehr zeitgemäßen Literaturbegriffs und -kanons führen nicht nur auf der operativen Ebene zur Unsicherheit, sondern auch in Bezug auf die strategische Ausrichtung einer Bibliothek“ (Bernd Schmid-Ruhe, Bibliothekspädagogische Praxis – Herausforderungen für die Konzeptentwicklung, Seite 101).
Hier haben es die Internet-Konzerne ihren öffentlich-rechtlich verfassten Wettbewerbern, von der kommerziellen Seite kommend, vorgemacht, wie man in die andere Seite, die der Gemeinnützigkeit, einsteigt, viele Dinge einfach verschenkt (dies durchaus zum eigenen Vorteil) und am Ende in beiden Bereichen zu Hause ist. Auch sollten die Bibliotheken sich fragen, warum sie zunächst gegen die Buchhandlungen an Boden verloren haben und heute gegen Amazon, Netflix und Co. an Boden verlieren, obgleich diese zunächst einmal Geld verdienen müssen und insofern mit Startnachteilen antreten.
Lesen Sie in der abschließenden Folge: Statt der Medien die Verfügbarmachung eigener Räume als Alleinstellungsmerkmale nutzen – Riesige Wissenslücken zwischen anspruchsvollen Konzepten und der tatsächlichen Performance der Bibliotheken?
ZB MED
Elektronische Laborbücher im Kontext
von Forschungsdatenmanagement
und guter wissenschaftlicher Praxis
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein wichtiger Baustein bei der Dokumentation von Forschungsprozessen und den dabei erhobenen Rohdaten ist das Laborbuch – heute überwiegend in elektronischer Form als Electronic Lab Notebook, kurz ELN.
Der Auswahl eines geeigneten Tools liegt ein komplexer Entscheidungsprozess zu Grunde. Der jetzt von ZB MED veröffentlichte ELN-Wegweiser „Elektronische Laborbücher im Kontext von Forschungsdatenmanagement und guter wissenschaftlicher Praxis – ein Wegweiser für die Lebenswissenschaften“ gibt dabei umfassende Hilfestellungen. Die beiden Expertinnen Birte Lindstädt und Beatrix Adam haben zunächst aus Interviews mit Fachleuten Best-Practice-Beispiele abgeleitet. In Infoboxen haben die Autorinnen hilfreiche Hinweise – zumeist Webressourcen – zusammengetragen. Zwei Toolboxen können als nachnutzbare Werkzeuge individuell angepasst werden. Darüber hinaus enthält der ELN-Wegweiser konkrete Handlungsempfehlungen für Auswahl, Test und Einführung eines elektronischen Laborbuchs. So gibt der Leitfaden Verantwortlichen für Informationsinfrastrukturen sowie Forschenden notwendige Informationen rund um ELNs an die Hand. Dies unterstützt sie darin, den Entscheidungsprozess zur Auswahl eines geeigneten Tools individuell und bedarfsgerecht gestalten zu können.
Hier der Link zum ELN-Wegweiser: https://www.publisso.de/fileadmin/user_upload/PUBLISSO/PUBLISSO_ELN-Wegweiser_2019-08-09_view.pdf
Alle ZB MED-Informationen rund um das Forschungsdatenmanagement sind eingebunden in PUBLISSO, das ZB MED-Publikationsportal Lebenswissenschaften. Hier finden Sie auch weitere Informationen zum Forschungsdatenmanagement https://www.publisso.de/forschungsdatenmanagement/ und zu Electronic Lab Notebooks https://www.publisso.de/forschungsdatenmanagement/fd-dokumentieren/
Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, können Sie sich gerne mit den PUBLISSO-Expertinnen in Verbindung setzen unter forschungsdaten@zbmed.de.
Herzliche Grüße Ulrike Ostrzinski, ZB MED
IRB
Research Goes Public
Bauforschung im Praxisaustausch
Die Veranstaltungsreihe »Research goes Public – Bauforschung im Praxisaustausch« ist ein offizielles Projekt der Internationalen Bauaustellung 2027. Sie wird vom Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB durchgeführt. Die Auftaktveranstaltung »Neue Materialien und Verfahren im Bauwesen« findet am 17. September 2019 in Stuttgart Fraunhofer Zentrum für Virtuelles Engineering (ZVE, Nobelstraße 12) statt.
Im Zentrum stehen Impulsvorträge, Diskussionen und besonders der anwendungsbezogene Austausch über Bauforschungsprojekte mit hohem Realisierungspotenzial. Verfahren, Einsatzmöglichkeiten, besondere Potentiale, Realisierbarkeit und baufaufsichtliche Hindernisse werden aufgezeigt und im Rahmen eines Open-Science-Forums diskutiert. Moderiert wird die Veranstaltung von Frau M. A. Domenica Riecker-Schwörer vom Karlsruher Institut für Technologie.
Referenten und Themen:- Dr. Jan Wenker (Brüninghoff GmbH & Co. KG): FuE Hybridbauweise- Bernhard Popp (Schlaich Bergermann Partner SBP GmbH): Infraleichtbeton- Dr.-Ing. Walter Haase / o. Prof. Dr.-Ing. Werner Sobek (ILEK Universität Stuttgart): Gradientenbeton- M.Sc. Micha Illner (WiTraBau): Innovative Baustoffe- RA MD a. D. Michael Halstenberg (Deutsche Gesellschaft für Baurecht e.V.): Haftung / Gewährleistung- M.Sc. Valentin Koslowski / Prof. Dr. Jan Knippers (ITKE Universität Stuttgart): Baugerechte Faserverbundsysteme für robotisch gewickelte leichte Dach- und Deckensysteme
Weitere Informationen finden Sie unter www.irb.fraunhofer.de/veranstaltungen
Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB, Tel.: +49 711 970-2508,E-Mail: irb@irb.fraunhofer.de – www.irb.fraunhofer.de/veranstaltungen
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