Open Password – Montag, den 8. Juli 2017
# 222
Neues Urheberrecht – Dietrich Nelle – Bundesrat – Bundesministerium für Justiz – Referentenentwurf – Frankfurter Allgemeine – Bundestag – Wissenschaftsgemeinschaft – Stakeholder-Dialog – Lizenzierungsplattform – Deutscher Anwaltsverein – Bundestagswahl – Evaluierungen – Qualitätsjournalismus – Fake News – MetaGer – Albrecht Ude – Wolfgang Sander-Beuermann – H_da – Mediendokumentation – Geribert Jakob
Das neue Urheberrecht
Der lange Atem
hat sich gelohnt
Von Dr. Dietrich Nelle, Interimsdirektor ZB MED, Köln/Bonn
Freitag letzter Woche hat der Bundesrat das neue Urheberrecht verabschiedet. Scheinbar eine Fußnote in einer kaum zu überblickenden Tagesordnungmit 115 Punkten am Ende der Legislaturperiode. Und doch gibt es wenige Themen der Wissenschafts- und Forschungspolitik, über die so langanhaltend und öffentlichkeitswirksam gestritten wurde wie über die Einführung einer urheberrechtlichen Schranke – also gesetzlich geregelter Nutzungsrechte – für Bildung und Forschung.
Mit der Koalitionsvereinbarung nach den Bundestagswahlen 2013 schien der Kurs eigentlich klar vorgezeichnet: Das Urheberrecht sollte den Erfordernissen und Herausforderungen des digitalen Zeitalters angepasst werden, digitale Nutzungspraktiken Berücksichtigung finden, den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung und Bildung stärker Rechnung tragen und dazu eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke eingeführt werden. Doch wie in einer Cliffhanger-Fortsetzungsserie erlebte die Diskussion über die gesamte Legislaturperiode hinweg immer wieder Neuauflagen. So 2014, als eine junge Berliner Rechtsprofessorin einen konkreten Regelungsvorschlag vorlegte. Ähnlich wurde 2016 die Studie eines renommierten Wirtschaftswissenschaftlers, welche detailliert gesamtwirtschaftliche Vorteile einer Schrankenregelung herausarbeitete, postwendend als „geradezu grotesk“ verrissen.
Nachdem die Zeit für eine Umsetzung dieses Vorhabens der Koalition so gut wie abgelaufen schien, sickerte im Januar 2017 durch, dass das federführende Bundesjustizministerium doch noch einen Referentenentwurf vorlegen wolle. Der geleakte Entwurf wurde ins Internet gestellt und sofort loderte die Diskussion wieder in hellen Flammen. Im April, als bereits viele glaubten, das Vorhaben könne bis zum Auslaufen der Legislatur nicht mehr abgeschlossen werden, legte die Bundesregierung einen Entwurf vor, der im Referentenentwurf vorgesehene Nutzungsrechte in mehreren Punkten reduzierte. Die darauffolgenden Parlamentsberatungen waren von einem Medieninteresse begleitet, wie es bei Wissenschaftsthemen nur selten zu erleben ist. Besonders prominent agierte eine große Tageszeitung, die parallel mit redaktionellen und eingeladenen Beiträgen sowie einer Anzeigenserie offen versuchte, auf die Beratungen Einfluss zu nehmen.
Die Spannung erreichte ihren Höhepunkt, als das Vorhaben zu Beginn der alles entscheidenden letzten Sitzungswoche nicht auf der bereits übervollen Tagesordnung des Bundestages stand. Erst am allerletzten Sitzungstag wurde das Vorhaben nach „Ehe für alle“ und „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ noch auf die Tagesordnung genommen und mit nur zwei substantiellen Änderungen – auf die sogleich einzugehen ist – in zweiter und dritter Lesung verabschiedet.
Als Bilanz bleibt festzuhalten, dass sich die großen Wissenschaftsorganisationen im Chor der unterschiedlichen Meinungen mit ihren Vorstellungen in den wesentlichen Punkten durchgesetzt haben. Ausschlaggebend dafür sind aus meiner Sicht vor allem zwei Gründe:
- Die derzeit zu beobachtende Geschlossenheit über die gesamte Community hinweg hat sich ausgezahlt. Ohne eine solche über eine ganze Legislaturperiode hinweg aufrecht erhaltene Geschlossenheit wäre an ein solches Ergebnis nicht zu denken gewesen.
- Die nüchterne, auch die Perspektiven der anderen Akteure berücksichtigende und von vornherein nicht auf Maximalerfolge, sondern auf ausgewogene Ergebnisse abzielende Argumentation war lange Zeit medial weniger hörbar als emotionalisierende und mit Superlativen arbeitende Stimmen. Sie war aber am Ende des Tages, als im Parlament Mehrheiten zu finden waren, gerade wegen ihrer kühlen Rationalität wirksamer. Dies gilt übrigens nicht nur vordergründig für das jetzt erzielte gesetzgeberische Ergebnis, sondern schafft überdies ein viel versprechendes Klima für eine sachgerechte Umsetzung des Ergebnisses in der Praxis. Der Bundestag hat in einem das Gesetz begleitenden Entschließungsantrag zu einem „Stakeholder-Dialog“ der Beteiligten aufgerufen. Dies bietet die Chance, endlich aus dem Kreislauf immer neu inszenierter Folgen der Cliffhanger-Serie auszubrechen und die sich auf der Grundlage des neuen Rechts ergebenden Möglichkeiten gemeinsam zu gestalten. Ein praktisches Thema in diesem Sinne könnte die gemeinsame Vorbereitung einer im Entschließungsantrag ebenfalls vorgeschlagenen Online-Lizensierungsplattform werden, wenn diese so ausgestaltet wird, dass sich Nutzungen weiter vereinfachen und administrative Aufwände auf allen Seiten verringern.
Doch halt, eine wesentliche Änderung in letzter Minute war doch die Befristung des neuen Rechts auf eine Laufzeit von fünf Jahren? Garantiert uns dies nicht immer neue Fortsetzungen über die nächsten fünf Jahre hinweg? Völlig auszuschließen ist das angesichts der geschilderten Vorgeschichte zwar nicht. Doch spricht viel dafür, dass die Akteure auf allen Seiten sehr schnell die Vorzüge des neuen Rechts entdecken und auch effektiv nutzen werden. Denn keiner der Beteiligten wird die eröffneten Chancen seinen Wettbewerbern überlassen wollen. Wenn 2022, also in der übernächsten Legislaturperiode, die Evaluierung ansteht, sollte eine unvoreingenommene Bestandsaufnahme auf der Grundlage einer gut etablierten Praxis möglich geworden sein. Wie immer bei guten Evaluierungen werden daraus auch Impulse für eine Fortentwicklung zu entnehmen sein. Hinweise wie z.B. derjenige des Deutschen Anwaltsvereins, dass die Begrenzung auf 75 Prozent eines Werkes bei der Nutzung für die eigene wissenschaftliche Forschung nicht aus sachlogischen Gründen abzuleiten sei, können dann vor dem Hintergrund einer etablierten Empirie nochmals geprüft werden.
Also Ende gut – alles gut? Das meiste schon, aber leider nicht alles … Ein Schönheitsfehler darf zum Abschluss nicht verschwiegen werden: Die ebenfalls in der Schlussphase erfolgte Herausnahme von Zeitungen aus erlaubten Nutzungen wird zwar für das wissenschaftliche Arbeiten keinen ins Gewicht fallenden Unterschied bringen. Die der Berichterstattung zugrundeliegenden Informationen sind heutzutage in aller Regel auch in anderen Medien zuverlässig recherchierbar und zitierbar. Während es aber noch zu meinen Studienzeiten guter Standard war, bei mehreren zur Auswahl stehenden Quellen das Zitat möglichst aus einem der führenden Medien zu wählen, mindert die Gesetzesänderung die Attraktivität dieses Weges im Vergleich zur Nutzung leichter zugänglicher Medien weiter und erodiert so zusätzlich die Position des traditionellen Qualitätsjournalismus. Auch wenn ausgerechnet ein führender Zeitungsverlag diese Änderung mit großen Nachdruck gefordert hatte, als langjähriger Zeitungsleser kann ich diese Entwicklung nur bedauern.
Am Gesamtbefund aber ändert das nichts: Die Verabschiedung des neuen Urheberrechts ist ein für den Wissenschaftsstandort Deutschland guter Tag!
Brief zur Bundestagswahl
Kriterien für die Entdeckung
von Fake News
mit MetaGer und Albrecht Ude
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder und Interessenten von SUMA-EV & MetaGer,
am 24. September 2017 ist die nächste Bundestagswahl: Da stellt sich auch für uns/MetaGer die Frage, was wir zu einer fairen Wahl beitragen können. Denn wie bei allen Wahlen der jüngsten Zeit wird auch hier voraussichtlich versucht werden, durch Falschmeldungen/Fake-News das Ergebnis zu beeinflussen. Die Fairness einer Wahl kann durch solche Betrügereien massiv gestört werden. Wir haben daher einiges getan, um politische Nachrichten und deren Inhalte besser zu vermitteln (Weiteres ist in Planung):
1) Wir haben die MetaGer-Nachrichten-Quellen durch eigene Crawler und Datenbanken ergänzt. Sie erreichen diese, in dem Sie auf der MetaGer-Startseite den Suchfokus „News/Politik“ anklicken. Die Ergebnisse werden in zeitlicher Reihenfolge sortiert ausgegeben (neueste zuerst).
2) Wir haben die MetaGer-Hilfeseiten (https://metager.de/hilfe – unten: Fakten-Prüfung contra Fake-News) durch zwei Beschreibungen und Verlinkungen zur Beurteilung des Inhaltes von Nachrichten ergänzt:
- a) Eine ausführliche Beschreibung eines journalistischen Experten dieses Gebietes (Albrecht Ude): https://www.password-online.de/?wysija-page=1&controller=email&action=view&email_id=280
- b) Eine zusammenfassende Fakten-Checkliste: https://metager.de/hilfe/faktencheck
3) Wir konnten Albrecht Ude, der als journalistischer Experte für Fake-News-Erkennung seit vielen Jahren dazu Seminare veranstaltet, und dazu an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) lehrt, für ein solches Seminar am Samstag, den 2. September, im SUMA-EV in Hannover gewinnen. …
Uns ist durchaus bewusst, dass es keine absolute Sicherheit gegen Falschmeldungen/Fake-News gibt. Aber es gibt Prüfkriterien, was wahr und was gelogen ist – diese Indizien sollte jeder Internet-Nutzer kennen. Uns ist weiterhin bewusst, dass dieses Thema bei vielen Menschen hoch-emotional besetzt ist, und dass wir uns nie anmaßen werden, die Rolle eines“Wahrheitsministeriums“ zu spielen! Bitte sehen Sie daher davon ab, uns nach dem Wahrheitsgehalt von Nachrichten zu fragen: SIE müssen selber entscheiden – wir können nur Entscheidungskriterien bereitstellen.
Wolfgang Sander-Beuermann
Briefe
Neue Quellen, Verfahren und Herausforderungen
in der Mediendokumentation
H_da-Symposium zur wissenschaftlichen und Mediendokumentation – 9. November 2017 von 9 – 18 Uhr – Hochschule Darmstadt Mediacampus Dieburg
Das h_da-Symposium zur wissenschaftlichen und Mediendokumentation ist eine jährliche Veranstaltung im Rahmen des postgradualen und kooperativen Volontariats zur wissenschaftlichen Dokumentation, das von der interessierten Fachöffentlichkeit frei besucht werden kann. Das Symposium fokussiert auf den pragmatisch-aktuellen Rand der technischen, organisatorischen und wissenschaftlichen Entwicklung in der Dokumentation in ihrer Rolle als Inkarnation der Informationswissenschaft. Die geladenen Sprecher liefern in jeweils zweistündigen Sessions ein jährliches Update zur aktuellen Entwicklung verschiedener Dimensionen in diesem Berufsfeld. Das Programm:
- · Ulrich Lang (SWR): Neue journalistische und dokumentationsrelevante Datenquellen und neue dokumentarische Verfahren zur Informationsgewinnung (zugesagt)
- · Peter Wiechmann (SWR): Neue juristische Herausforderungen in der Dokumentation, speziell Mediendokumentation (zugesagt)
- · Olaf Moschner (infoNetwork/RTL): Aktuelle Entwicklungen in Multi-Chanel-Dokumentationssystemen für redaktionelle Anwendung (zugesagt)
- · Prof. Dr. Marc Rittberger (DIPF/h_da): Neue Verfahren, Methoden und Instrumente in der Dokumentation (zugesagt)
- · NN: Budgets, Personalentwicklung, administrative Innovationsspielräume und ihre Wirkung auf aktuelle Entwicklungspotenziale in der Dokumentation
Alle Interessenten sind herzlich zur kostenlosen Teilnahme eingeladen. Da wir die Planung der Räumlichkeiten und des Randprogramms stark abhängig von der zu erwartenden Teilnehmerzahl durchführen müssen, bitten wir um eine vorherige verbindliche Anmeldung bei Prof. Geribert Jakob per eMail: geribert.jakob@h-da.de bis Ende Oktober 2017.
Gruß aus Darmstadt Geribert Jakob
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