Open Password – Freitag, den 6. November 2020
# 848
LexisNexis – Sebastian Groos – The Janssen Pharmaceutical Companies of Johnson & Johnson Elmar Mittler – Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek – Thomson Reuters – London Book Fair – Andy Ventris – Reed Exhibitions – Clarivate – Techtrials – Outsell – Martin-Opitz-Bibliothek Herne – Best Practice – Wissenschaftliche Spezialbibliothek – Arkadiusz Danszczyk – Hans-Jakob Tebarth – Öffentlichkeitsarbeit – Bundesakademie für Kulturelle Bildung – Mulvany-Berufskolleg – BIPARCCOURS – Urheberrecht – Beauftragte für Kultur und Medien – Masssendigitalisierung – Universität Bochum – Universität Münster – Elektronischer Lesesaal – Deutsche Digitale Bibliothek – Digitales Forum Mittel- und Osteuropa – Imageware – Java – Urheberrecht – Verbundkatalog östliches Europa – Wissenschaftsrat – Elektronischer Lesesaal
LexisNexis
Sebastian Groos geht
Sebastian Groos, bislang Marketing Director bei LexisNexis (Düsseldorf), hat eine neue Herausforderung als Digital Specialist bei The Janssen Pharmaceutical Companies of Johnson & Johnson gefunden.
Open Password hat mehrere Jahre eng und vertrauensvoll mit Sebastian Groos zusammengearbeitet und wünscht ihm für die Zukunft alles Gute.
Universität Göttingen
Zu Ehren von Elmar Mittler
Zu Ehren des langjährigen Leiters der Universitätsbibliothek der Universität Göttingen, Elmar Mittler, findet heute an der UB das Kolloquium und Webinar „Transfer und Transformation – Bibliotheken als Vermittler im globalen Kontext“ statt.
Mittler war bereits im Frühjahr 80 Jahre alt geworden; seine Ehrung musste aber wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Unter seiner Leitung wurde der Neubau der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek bezogen, das Historische Gebäude saniert und die Gutenbergbibel erstmals weltweit ins Internet gestellt. Er lehrt als Emeritus an der Georg August Universität und am IBI der Humboldt Universität Berlin.
Internationale Nachrichten
Thomson Reuters Reports Third-Quarter 2020 Results: More revenues, More Profit
Thomson Reuters reported results for the third quarter ended September 30, 2020. IFRS revenues and organic revenues up 2%. “Big 3” revenues up 4%; organic revenues up 5%. Operating profit up 21%; adjusted EBITDA up 42%. Raising full-year outlook for adjusted EBITDA margin and free cash flow.
London Book Fair Moves to June, New Director Named
The London Book Fair (LBF) has announced it will hold the next edition of the fair from June 29 to July 1, 2021. It was originally scheduled for March. In addition, the London Book Fair has announced Andy Ventris will serve as the event’s new director. Ventris joined Reed Exhibitions, the company that owns the fair, in 2013.
Clarivate: Real-World Data Offering with Addition of Techtrials Brazilian Dataset
Clarivate Plc announced the expansion of international real-world data offerings through its partnership with Techtrials Pesquisa e Tecnologia Ltda (Techtrials), a healthcare real-world data provider in Brazil. The new partnership will provide customers with RWD capturing approximately 80% of the Brazilian population.
Clarivate: Real-World Data Offering with Addition of Techtrials Brazilian Dataset
Clarivate Plc announced the expansion of international real-world data offerings through its partnership with Techtrials Pesquisa e Tecnologia Ltda (Techtrials), a healthcare real-world data provider in Brazil. The new partnership will provide customers with RWD capturing approximately 80% of the Brazilian population.
Quelle : Outsell
Martin-Opitz-Bibliothek, Herne
Best Practice in einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek – ein Widerspruch in sich
oder unverzichtbare Voraussetzung?
Von Arkadiusz Danszczyk und Hans-Jakob Tebarth
Dritter Teil
Hans-Jaob Tebarth
Öffentlichkeitsarbeit der MOB mit neuen Inhalten. Die MOB bietet in ihrer Öffentlichkeitsarbeit meistens im Monatsrhythmus eine Veranstaltung an. Vorrangig handelt es sich um populärwissenschaftlich ausgerichtete Vorträge mit unmittelbarem Bezug zu Themen aus dem Sammelgebiet der Bibliothek. Diese werden ergänzt durch eine in der Regel jährliche Lesung bzw. die Vorstellung einer Neuerscheinung und einen Eröffnungs- und Einführungsvortrag anlässlich von Ausstellungen, die von Partnereinrichtungen übernommen und im Foyer der Bibliothek präsentiert werden. Dieses Programm wurde 2018/2019 in Zusammenarbeit mit der Bundesakademie für Kulturelle Bildung (Wolfenbüttel) um eine Komponente erweitert. Diese hat zum Ziel, nachhaltige Beziehungen zu Communities mit jungen Menschen aufzubauen und diesen Angebote der Kulturellen Bildung zu unterbreiten.
Ein erstes Zwischenergebnis der Beratungen stellt eine Bildungspartnerschaft mit dem Herner Mulvany-Berufskolleg (Europaschule in NRW) dar, dessen Europakurs erstmals ein halbes Jahr mit der MOB kooperierte. Das gemeinsam entwickelte, erstmals umgesetzte, aber auf Nachhaltigkeit bedachte Programm sah vor, den Schülern den Umgang mit einer Spezialbibliothek auf indirekte Weise näherzubringen. Konkret war eine Fotoausstellung zu ausgewählten Persönlichkeiten aus dem Sammelgebiet der MOB unter Einbezug einer von den TeilnehmerInnen entwickelten Idee mithilfe der BIPARCOURS-App zu erarbeiten.
Hierzu wurde seitens der MOB in der Anfangsphase eine interaktive Führung durch die Bibliothek samt einer Kurzvorstellung der Bandbreite möglicher historischer und gegenwärtiger Persönlichkeiten aus dem Sammelgebiet angeboten. In zwei Fachvorträgen wurden mehrere Persönlichkeiten und deren Lebenswege und Werke von externen Referenten vorgestellt. An zwei weiteren Terminen fanden Workshops zur Bildgestaltung, digitalen Fotographie und Bildbearbeitung statt, wobei die Bilderstellung mit dem Smartphone, die Nachbearbeitung mit entsprechenden Apps erfolgte. Einen weiteren Programmpunkt bildete die Einführung der BIPARCOURS-App, eine im Rahmen der Bildungspartnerschaft bereitgestellte Anwendung, die eine gute Grundlage für die Entwicklung von Rätseln und Quizaufgaben mit Blick auf die genannten Persönlichkeiten bildet. Die App bringt alle Funktionalitäten mit, um einen einfachen Zugang zu neuen Inhalten zu ermöglichen. In Abstimmung mit einem Gaming-Experten entwickelten die SchülerInnen ein auf der App basierendes Detektivspiel, in dem alle behandelten Persönlichkeiten eine Rolle zu spielen haben.
Sowohl das Format als auch die App sind zur Anreicherung und spielerischen Nachnutzung vorgesehen. Eine Bildungspartnerschaft bietet die Vorteile einer kontinuierlichen Arbeit mit SchülerInnen und eines formellen Kooperationsrahmens, innerhalb dessen die Inhalte zwischen beiden Partnern abgestimmt und wiederkehrende oder neue Projekte durchgeführt werden können. Ebenso wichtig erscheint es, dass die Zielgruppe nicht nur passiv konsumiert, vielmehr sich umfassend und zum Teil spielerisch mit dem jeweiligen Thema auseinandersetzt.
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TeilnehmerInnen des Europakurses des Mulvany-Berufskollegs in der MOB.
Recht alte und recht junge Nutzerschaft kommen nur selten in die MOB. Ältere kommen mit den neuen Medien nicht zurecht, Jüngere haben nicht gelernt, mit Katalogen zu arbeiten – egal, ob analog oder digital. Studierende auch in höheren Semestern haben noch nie mit Büchern in größerer Zahl gearbeitet, weil Semesterapparate oft digital zur Verfügung gestellt werden. Häufig herrscht Unverständnis vor, wenn die Bibliothek aus urheberrechtlichen Gründen nicht digitalisieren darf. Die Fernleihe wird in Anspruch genommen, auch wenn die Besucher aus Bochum oder Dortmund kommen, obwohl die S- oder U-Bahn in kürzester Zeit in die Herner Bibliothek führen würde.
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- Digitalisierungsziele und die technische Basis – ein (zuweilen erfolgreicher)
Wettlauf mit der Zeit
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Die MOB startete schon vor knapp zwanzig Jahren in die (Massen-)Digitalisierung, wobei die Quantitäten zunächst überschaubar waren. Begonnen wurde mit historischen Adressbüchern aus der Zeit des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts, deren bedenklicher Erhaltungszustand die Erstellung von Ersatzformen unumgänglich machte. 2002 wurde der erste Aufsichtscanner in Betrieb genommen, der es – wie die Nachfolgegeräte bis heute – erlaubte, Digitalisate originalschonend zu erstellen. Begonnen wurde mit bitonalen 200-dpi-Scans, die allerdings bald von 300-dpi-Graustufen- und seit Jahren überwiegend Vollfarbdigitalisaten abgelöst wurden, weil die MOB sich an die Vorgaben für DFG-Projekte hält, zuweilen sogar darüber hinausgeht, wenn der NutzerInnenwunsch auf mehr als 300 dpi zielt. Da die Bibliothek über keinen nennenswerten IT-Etat verfügt, mussten alle Nachfolgegeräte auf dem Projektwege beschafft werden, was durch Zuwendungen der Beauftragten für Kultur und Medien stets gelang. Von Vorteil ist dabei die wartungsarme Langlebigkeit der bislang angeschafften Geräte, die mindestens fünf bis sechs Jahre im Einsatz bleiben. Aktuell ist die MOB ausreichend bis gut ausgestattet und kann neben zwei Aufsichtscannern, Flachbild- und Einzugsscannern auch einen zeitgemäßen Filmscanner für größere Digitalisierungsvorhaben von Archivfilmen anbieten. Ergänzt wird das Equipment durch einen Aufsichtscanner im Lesesaal, der ausschließlich NutzerInnen zur Verfügung steht und den Einsatz privater Datenträger erlaubt, was ansonsten aus Sicherheitsgründen untersagt ist. Auch verzichtet die MOB auf ein Fotografierverbot zumindest für normale Printmedien, allerdings nicht für Archivmaterial, was zwar zu geringeren Einnahmen für das Kopieren führt, das Personal aber entlastet. Die Digitalisate in der MOB werden meisten auf NutzerInnenwunsch erstellt. Dazu kommen Anforderungen aus der Bestandserhaltung und die Schließung von Lücken bei historischen Periodika. Sammlungen zur Heimatpresse erreichen in keiner anderen Bibliothek einen derart hohen Vollständigkeitsgrad wie in der MOB. In einem Projekt der Massendigitalisierung wurden weit über eine Million Seiten als „Sicherungsdigitalisate“ erstellt. Diese dürfen allerdings vorläufig aus urheberrechtlichen Gründen zum größten Teil der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden.
Die Digitalisierung in der MOB war von Beginn an eine „Erfolgsgeschichte“. Überraschend war dennoch der Run auf die CDs von den genannten Adressbüchern und ausgesprochenen Rara der MOB, die binnen kürzester Zeit die „Dienstleistungsmöglichkeiten“ der MOB überforderten. Eine Lösung wurde über die Weitergabe der Digitalisate an den „Adressbuchservice“[1] gefunden. Die Digitalisate der MOB wurden kostenfrei übergeben, vom Dienstleister mit Registern versehen und kostenpflichtig vertrieben, wobei die MOB kostenfrei Belegexemplare erhielt. Dies war zwar nicht lukrativ, nahm aber der Bibliothek die Lasten der Bearbeitung und vor allem des Vertriebes ab. Dass dies ein Beispiel für Best Practice war, erwies sich spätestens an dem Tag, als eine Adressbuch-CD der MOB, die am Tag zuvor für zehn Euro Kopiergebühr erworben worden war, bei Ebay für 120 Euro verkauft wurde.
Für den Scanbetrieb in der MOB sieht der Stellenplan keinerlei Personal vor; die zunächst parallel vom Personal betriebene Übernahme der Aufgabe des Scannens war auf Dauer nicht zu leisten. Versuche mit Beschäftigten im Kombilohn (Langzeitarbeitslose, deren Gehalt zur Hälfte von der Arbeitsverwaltung übernommen wurde, zur Hälfte aus Selbstbewirtschaftungsmitteln der MOB jenseits des Wirtschaftsplans) oder EhrenamtlerInnen waren letztlich nicht erfolgreich. Nachdem ein bescheidener Wirtschaftsplanansatz für Aushilfskräfte bewilligt wurde, wird der Scanbetrieb heute zum größten Teil durch StudentInnen vorwiegend der Universität Bochum und der Universität Münster getragen, die häufig nach Praktika in Herne „hängen bleiben“ und nach dem Examen weiter an den flexiblen Arbeitsmöglichkeiten mit durchaus nennenswertem Zuverdienst (oberhalb klassischer StudentInnenjobs) interessiert sind. Die Arbeitsqualität ist erfreulich, der Output angemessen, das Verständnis für die Anforderungen und die Medieneinheiten nach kurzer Einarbeitung gegeben. Manch junger Student fand in der MOB Anregungen für die eigenen Seminar- oder Examensarbeiten, manche Publikation konnte mit Hilfe der schier unerschöpflichen Materialien – z. T. mit Unterstützung der wissenschaftlichen Bibliothekskräfte – realisiert werden. Junge Wissenschaftler sind in der MOB nicht nur erwünscht, sie dürfen auch arbeiten, erschließen und publizieren.
[1] http://www.adressbuch-service.de/
Der elektronische Lesesaal der MOB – ein Exkurs. Mit der Digitalisierung allein aber war und ist es nicht getan – das in den ersten Jahren praktizierte Verfahren, CDs und DVDs zu erstellen und pdf-Dateien auf dem Server bereitzustellen und im Katalog direkt zu verlinken, war keine dauerhafte Lösung. Die bekannte Aussage „Digitalisieren kann jeder, online publizieren mit Metadaten und kompletter Erschließung ist die Herausforderung“ traf uneingeschränkt zu. Die MOB setzte zunächst große Hoffnungen auf die Einführung der Deutschen Digitalen Bibliothek und dazu auf eine automatisierte Lösung (Black-Box-Modell) zur Übernahme der bereits ansehnlichen Zahl selbst erstellter Digitalisate und trug sich von Beginn an in den Teilnehmerkreis ein. Aber deren Aufbau zieht sich bis in die Gegenwart hin, und der Fundus in der MOB war einfach zu groß und wertvoll, um „auf Halde“ liegen zu bleiben. Wertvoll erwies sich die frühe Kooperation mit dem Digitalen Forum Mittel- und Osteuropa (s.u.), das sehr an Digitalisaten und raren Periodika aus Mitteleuropa interessiert war, die sich allein in Herne nahezu vollständig fanden. Hier konnten tausende Seiten kostenfrei der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Da aber die Kapazitäten auch bei DiFMOE begrenzt waren und sind, konnte diese Variante nicht umfassend greifen. Insofern musste eine interne Lösung gefunden werden.
2012/13 wurde mit Projektmitteln des BKM[1] der elektronische Lesesaal der Firma Imageware[2] (Bonn) in Auftrag gegeben. In diesem werden bis heute alle Digitalisate der MOB abgelegt und unter Berücksichtigung der jeweiligen Urheberrechtslage zugänglich gemacht. Als großer Nachteil erwies sich die Notwendigkeit, Java für die Nutzung zu installieren, was in Firmen- und Behördenumgebungen häufig Admin-Rechte erfordert und nicht versierte InteressentInnen überfordern kann. Das von der MOB seit 2013 vorgetragene Petitum, dass die Open-Access-Dokumente, die OCR-erschlossen und überwiegend sehr gut mit Metadaten erschlossen sind, frei zugänglich sein müssen, blieb bislang erfolglos.
„Eigentlich“ ist das System leistungsfähig und könnte IP-genaue Zugangsrechte gewähren – und damit einen virtuellen Campus simulieren. Hier verringert das bibliotheksfeindliche Urheberrecht die Zahl der Kunden. Dabei wären auch skalierte Dokumentenlieferungen möglich. Bei digitalisierten Akten wäre die Verwendung noch sinnvoller, aber auch diese Möglichkeit wird nur sehr begrenzt genutzt. Das System gäbe vieles her – ein Zähler lässt die zeitgleiche Benutzung genau so vieler Exemplare zu, wie physisch vorhanden sind. Aber die Beschränkung dürfte nicht auf den realen „Campus“ Herne erfolgen. Sie müsste zumindest für alle registrierten Benutzer, besser für alle Besucher der Home Page nach dem dargestellten System möglich sein.
Für Bibliotheken, die bemüht sind, sich nicht nur an der „Digitalisierung“ zu beteiligen, sondern auch Lösungen zu entwickeln, ist die Rechtslage mehr als unbefriedigend – und das nach jahrelangen Verhandlungen. Hier ist der Gesetzgeber auch künftig gefordert, freizügige Regelungen für Non-Profit-Anbieter zu schaffen – zum Nutzen der Wissenschaft und zum Nutzen der Gesellschaft. Zumindest im östlichen Europa gibt es diese Schranken und Behinderungen offenbar nicht.
Die MOB schließt sich an die DNB/DDB, BSB, die SPK, die RUB und viele weitere „große“ Partner an, wo es möglich ist, und tritt zumindest in Teilbereichen immer wieder als gleichwertiger oder gar fortschrittlicher Partner auf; wo auf Know-how zurückgegriffen werden kann, wird dies erschlossen. Die MOB kann sehr schnell bei neuen Möglichkeiten oder im Service handeln, weil die Entscheidungswege kurz und zielführend sind. Sie könnte (häufiger) Avantgarde sein, wenn es auch nur einen dedizierten Mitarbeiter für die IT gäbe, wenn es eine Rechtsabteilung gäbe usw. Aber auch kleine Schritte führen zum Ziel, wenn auch häufig zu langsam.
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Konsequenzen
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Die MOB ist eine kleine, wahrhaft überschaubare Einrichtung – mit klarem wissenschaftlichem Anspruch, aber auch öffentlich zugänglich für jedermann. Selbst der „soziale Bibliotheksdienst“, der häufig in Zeiten in Vergessenheit gerät, in denen außer Google, Ebay und Amazon keine Informationsquellen mehr zu existieren scheinen, gehört zur täglichen Übung. Beratung wird geleistet – auch bei Zeitgenossen, denen zunächst vermittelt werden muss, dass es „Literatur“ und Informationen auch gibt, wenn die „Quelle“ noch nicht digitalisiert wurde oder werden darf, dass der Bibliothekar die Informationen liefern darf, Papierkopien in der Regel schon, das Digitalisat aber nicht. Menschen, die einen PC, einen Scanner oder ein Smartphone besitzen, verstehen das auch nicht, die Autoren dieses Beitrags schließen sich dem an.
Hier wäre Raum für den Gesetzgeber und für eine angemessene Vertretung der Bibliotheken bei anstehenden und dringend erforderlichen Neufassungen des Urheberrechts. Wenn nur die „Big Player“, die im Übrigen kaum etwas kommerziell zu verlieren haben, nur nicht mit ihren Juristenheeren die Gesetzgebung bestimmen, nach „Einstiegsangeboten“ Knebellizenzen vertreiben und dafür sorgen würden, dass öffentlich zugängliche Informationssysteme wie Bibliotheken, die mit teils jämmerlichen Etats Kärrnerarbeit leisten, für kostenlos angebotene Dienstleistungen in rechtliche Untiefen und Unsicherheiten geraten.
Heute sind die Bibliotheken „digital-rechtlich“ schlechter gestellt, als sie es vor der Digitalisierung waren. Zumindest das, was analog erlaubt war und ist, muss auch digital erlaubt sein. Jeder Prüfungsauftrag nach eventuell bestehenden Urheberrechten ist von den Institutionen nicht zu leisten, deshalb muss jedem Abmahnunwesen ein Riegel vorgeschoben werden, sofern Leistungen kostenfrei für die Gemeinschaft erbracht werden. Es ist zwar richtig, dass im Fernleihverfahren zugänglich gemachte Digitalisate sehr schnell im Netz verbreitet werden können, aber wer hindert Nutzer daran, die Papierkopien zu scannen und bereitzustellen? Das ist ebenso wirklichkeitsfremd wie die inzwischen aufgegebene Einschränkung, bestimmte pdf-Dateien „nur“ als Bild ohne OCR zugänglich machen zu dürfen, denn jeder Anwender von Adobe Acrobat und Derivaten erhält die OCR-Variante auf Knopfdruck. Solche Beschränkungen von Bibliotheken bringen nur Verunsicherungen und Belastungen im Bibliotheksalltag und stehen im Gegensatz zur freien Informationsgesellschaft.
Gibt es also Best Practice in überschaubaren Bibliotheken? Es stellt sich die abschließende Kernfrage: Kann eine kleine, öffentlich zugängliche wissenschaftliche Spezialbibliothek „Best Practice“ liefern, oder sollte sie aufgeben, ihrem Sammelauftrag nachkommen, dem Stiftungszweck entsprechend für die Ewigkeit sammeln und ansonsten schweigen und tatenlos verharren? Letzteres wäre eine verheerende Konsequenz, auch wenn die kommerziellen Anbieter über unendlich mehr Kapital und Entwicklerpotential verfügen. Sie bieten an – und das ist aller Ehre wert –, was sich auszahlt. Bibliotheken beantworten Anfragen und übernehmen Recherchen – kostenlos. Und sie leben von der Nutzung: Wenn keine Klicks und Zugriffe kommen, dann gibt es auch keine Förderung mehr!
Im Falle der MOB wurde – abgesehen von einem optimierbaren und sicher auch optimierungsbedürftigen, aber tauglichen Katalogsystem – ein Recherchetool (VuFind) eingerichtet und weiterentwickelt, das alle Informationen, Quellennachweise, Erschließungsleistungen und Volltexte der MOB zumindest potentiell versammelt anbietet und das bei Bedarf via „Google-Schlitz“. NutzerInnen, die mit OPACs vertraut sind, können alle üblichen Suchfunktionen verwenden und notfalls die MitarbeiterInnen kontaktieren. Face-to-face-Kontakte sind erwünscht, telefonieren können alle Beteiligten, und in der Regel werden Anfragen per E-Mail zeitnah beantwortet. Das fällt manchmal schwer, beispielweise wenn um die Erstellung einer kompletten Bibliographie für eine Masterarbeit oder Dissertation gebeten wird, was nicht nur vereinzelt vorkommt.
Die MOB arbeitet immer am Limit. Sie muss jährlich ihre Daseinsberechtigung umfangreich belegen; für das Sammelgebiet stehen 11,5 Stellen zur Verfügung, für die gesamte Bibliothek mit Reinigungs- und Orga-Kraft, (wertvollen) studentischen Hilfskräften, Projektstellen, einer FSJ-Kraft und einer Auszubildenden 26 MitarbeiterInnen mit etwa 17 Vollzeitäquivalenten – davon muss allerdings regelmäßig (meist jährlich) rund ein Drittel neu eingearbeitet werden. Unter den drei wissenschaftlichen Stellen arbeitet eine Person noch zu fünf bis zehn Prozent ihrer Ausbildung entsprechend wissenschaftlich; Publikationen sind ein Freizeitvergnügen. Ansonsten ist sie beratend tätig, sorgt für die Finanzierung von Projekten und kümmert sich um die Konzeption und Weiterentwicklung des Instituts sowie die Gremienarbeit. Eine weitere wissenschaftliche Kraft ist für die „innere Organisation“ zuständig. Das dürfte allerdings „normal“ und vergleichbar mit anderen Einrichtungen sein – speziell bei der wissenschaftlichen Infrastruktur und soll nicht als Klage verstanden werden.
Die MOB hat den „Verbundkatalog östliches Europa – VOE“ für 35 noch kleinere Partnerorganisationen geschaffen und unterhält ihn seit über zwanzig Jahren, ohne zusätzliche oder regelmäßige Förderung, von den bundesgeförderten Tagungen abgesehen. Alle Teilnehmer haben aktuell Zugriff auf ihre gemeldeten Bestände, auch wenn sie selbst keine Daten online anbieten. Ein Best-Practice-Beispiel? In diesem Fall ein klares „Ja“, u.a. weil es keine Konkurrenz gibt. Vorstellbar, wünschenswert und nötig wäre eine größere Lösung. Die MOB hat – ohne großen Aufwand und ohne finanzielle Unterstützung – eine Lösung gefunden, den Katalog des Herder-Instituts, deren Forschungsbibliothek einen zum Teil überlappenden Sammelbereich optimal abdeckt, in die VuFind-Recherche der MOB einzubinden. Der Wissenschaftsrat hatte in seinem Gutachten vom Januar 2013[3] auf die Notwendigkeit eines gemeinsamen Katalogs für den Forschungsbereich hingewiesen, leider ohne den VOE zu berücksichtigen, der den größten Teil des Gewünschten bereits damals bot und weiterhin bietet und unschwer kostengünstig zu erweitern wäre.
Die MOB hat seit 2012 mit einem „Dienstleister“ den „elektronischen Lesesaal“ entwickelt- Eigentlich sollte eine fertige Lösung angepasst werden, tatsächlich musste ein System „an“ der MOB entwickelt werden, weil es in den Jahren 2011-2013 nur wenige Institute gab, die über eine „kritische Masse“ an Daten bzw. Digitalisaten verfügten. Das System sollte sehr bibliotheksfreundlich werden und alles bieten, was eine physische Fernleihe per Papierkopie digital abbilden kann – und das tut es auch, zumindest theoretisch. In der Praxis kommt das System zwar zum Einsatz, behindert aber den freien Zugang zu Open-Access-Dokumenten, weil die Nutzer mit Software-Installationen (s.o.) belastet werden. Man könnte das dem Dienstleister anlasten, der allerdings auch von der aktuell gültigen Urheberrechtsregelung „überrascht“ wurde. Kunden kann es nur geben, wenn es Nutzung gibt. Nutzung wird es nur geben, wenn es so einfach wie bei Google und Amazon funktioniert. Wer Opa Hermann – in Heilsberg 1902 oder 1892 in Ortelsburg geboren – sucht, muss in der MOB landen, könnte er auch, wird er aber nicht zwangsläufig, weil Opa Hermann nach 1950 oder 1960 gestorben sein könnte – niemand kann das bei vertretbarem Aufwand prüfen. Angesichts der aktuellen rechtlichen Regelungen ist die praktische Suchbarkeit der umfangreichen Sammlung zur Heimatpresse nicht gestattet, obwohl die technische Bereitstellung unproblematisch wäre. Er landet bei Bezahldiensten, deren Qualität hier gar nicht beurteilt werden soll. Aber der Weg ist falsch – und erleichtert nur denen den Weg, die nicht für die (kosten-)freie Informationsgesellschaft arbeiten.
Ist VuFind Best Practice? Auf die Vorteile und Möglichkeiten wurde hingewiesen, aber die Ergebnisse sind „neudeutsch“ gesprochen suboptimal. Immer wieder sind Ergebnisse der Suche unter VuFind schlechter oder unvollständiger als die ALLEGRO-Ergebnisse (zuweilen allerdings auch besser), die Anzeige weicht von den professionellen Katalogergebnissen ab. Das ist nicht akzeptabel, weil es zu Nachfragen der Nutzerschaft führt, die unüberschaubar viel Zeit erfordern, weil eine Klärung nur möglich ist, wenn man auf den Einzelfall eingeht. Eine zentrale Retrieval-Lösung, öffentlich finanziert, ohne Kosten für öffentliche Bibliotheken, universell skalierbar, mit frei verfügbaren und individuell anpassbaren Schnittstellen – das sollte ein „Muss“ sein – Google kann das! Warum muss jeder Krauter eine eigene Anpassung suchen, warum gibt es kein landesweites System, das bibliotheks- und benutzerfreundlich und selbstverständlich kostenlos arbeitet? Bis jetzt kann man dem System allenfalls ein „knappes Ausreichend“ attestieren, wenn man berücksichtigt, was Bibliotheken leisten wollen und könnten. Die laufende kooperative Weiterentwicklung ist ein guter Anfang, aber es ist eben nur ein Anfang.
Allerdings hat es auch Vorteile, klein und arm, aber auch smart zu sein. Wenn das Leitungsgremium aus drei bis vier Personen besteht, der Bibliotheksdienstleiter gleichzeitig Betriebsobmann ist und alle Beteiligten ihr Handwerk beherrschen, dann sind die Entscheidungswege kurz und können Lösungen in einem Tempo gefunden werden, das in größeren Instituten unvorstellbar wäre. Wenn alle Beteiligten auf Dienstbesprechungen regelmäßig die Möglichkeit haben, Kritik und Anregungen einzubringen – und dies auch tun –, dann ist „Best Practice“ in überschaubaren Einrichtungen nicht nur eine Möglichkeit, sondern der Normalfall.
In der MOB wird viel geleistet, viele Verfahren befinden sich in Entwicklung, Ideen und Ansätze sind reichlich vorhanden. Es bleibt unendlich viel zu tun.
[1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien
[2] https://www.imageware.de/
[3] https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/2850-13.html
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