Open Password: Donnerstag,
den 3. August 2016
Olympia – Vera Münch – Hashtag-Verbote – KIBA – Martin Gennis – Steilvorlagen für den Unternehmenserfolg – Bernd Jörs – Information Professionals – Gunther Dueck – Sabine Graumann – Ausbildung – Weiterbildung – Forschung & Lehre – Wissenschaft & Praxis – Fachkompetenz – Informationswissenschaft – Willi Bredemeier – Michael Klems
Über den Tellerrand
Hashtag-Verbot für #Rio 2016?
Von Vera Münch empfohlen: Hashatagverbote für #Rio2016, #Gold oder #Sommer? – Rechtliche Hinweise zur Wrbung mit Olympia
Briefe
Die KIBA sollte Daten an Hochschulen
erbitten und aggregieren
Pro Einstieg in eine belastbare Debatte
Zu: KIBA, Pro Fortsetzung einer Debatte basierend auf Fakten, Open Password, 1. August – Die Krise der Informationswissenschaft bedroht die Ausbildung, Open Password, 12. Juli
Sehr geehrter Herr Bredemeier,
die Forderung des KIBA-Vorstandes nach einer faktenbasierten Diskussion bezüglich der oben genannten Thematik kann ich sehr gut nachvollziehen.
Gerade die KIBA scheint mir allerdings das dafür notwendige Instrumentarium selbst in den Händen zu halten. Ich möchte vorschlagen, dass sie (die KIBA) als Dachorganisation sich an die Hochschulen wendet und die dort auf jeden Fall vorhandenen statistischen Daten erbittet und diese aggregiert.
Auf diese Weise kann ein belastbarer Diskurs begonnen werden.
Mit besten Grüßen Prof. Dr. Martin Gennis,
Informationstechnologie und -management, HAw Hamburg
Steilvorlagen für den Unternehmenserfolg (2016)
Information Strategies and Solutions
in Challenging Times
Berufsbezeichnung Information Professional:
Überholt, nichtssagend, negativ besetzt
Information Broking ohne fachlichen Hintergrund
ist lediglich Beschäftigungstherapie
Als „lebenslanger“ Qualifikationsberater
bereit stehen!
Der Keynote-Speaker der Steilvorlagen-Konferenz, Prof. Dr. Bernd Jörs, von der Hochschule Darmstadt, hat fünf ebenso freche wie spannende Thesen zum Qualifikationsbedarf von Information Professionals formuliert und unter das Motto „Yes, we can, too“ gestellt. Er ergänzt sie um sechs Statements zu „Praxisrelevanz und Alleinstellungsmerkmale“. Hier kommen die ersten zwei:
Sechs Statements zu „Praxisrelevanz
und Alleinstellungsmerkmale“:
Den Information Professional für morgen qualifizieren
Von Prof. Dr. Bernd Jörs, Hochschule Darmstadt, University of Applied Sciences
Statement 1: Information Professionals sollten ihre Bezeichnung image- und tätigkeitsbedingt ändern und sich von inhaltsleeren vollmundigen Kompetenzbeschreibungen lösen. Sie haben einschlägige Kompetenzen, die viel zu wenig bekannt sind und gerade im angekündigten Zeitalter der arbeitsplatzvernichtenden Digitalisierungsprozesse und disruptiven Technologien durch Ergänzungsqualifikationen und Alleinstellungsmerkmale in der Qualifikation hervorgehoben bzw. veredelt werden sollten. Das wäre eine Bringschuld der für die Qualifikation verantwortlichen Hochschulen. Bedingung hierfür ist allerdingsdie enge Anlehnung der Aus- und Weiterbildungs-Hochschulqualifikation an die sich dynamisch entwickelnden Probleme der Praxis. Denn in vielen Bereichen hinkt die Hochschulqualifikations- und Forschungswelt der Praxis(themen)welt hinterher, hat praktisch den Anschluss verloren.Sich hier im Elfenbeinturm zu verstecken, ist unverantwortlich und führt zu einer Befassung mit irrelevanten (akademischen) Problemstellungen.
Die Berufsbezeichnung „Information Professional“ ist überholt, viel zu allgemein, nichtssagend und negativ besetzt. Im aufbrechenden Zeitalter der Data Science wären aktualisierte Bezeichnungen wie „Information Officer“, „Data & Information Manager“, „Data & Information Supply Manager“ oder „Online Information Engineer“ bzw. „Digital Information Manager“ oder „Informations-Architekt“ zielführender.
Als völlig kontraproduktiv für die wissenschaftliche und Praxisakzeptanz der Information Professionals erweisen sich hegelianisch geprägte, vollmundige Bezeichnungen bzw. Worthülsen, die den Information Professionals als „Architekten des Intranet“ bezeichnen, als „Anwalt der Informationskompetenz“, „Designer des Beziehungsmanagements“, „Evangelisten der Corporate Social Kommunikation“, „Record Manager“ oder „Data und Digital Life Consultant“ (R. Karger, DGI) sowie „Lotse im Informationsmeer“. Mit ihnen wird man eher zur tragisch-lächerlichen Figur und Opfer einer bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Kompetenz- und Qualifikationsfigur.
Unabhängig von der richtigen Bezeichnung geht es primär um die Frage nach der richtigen, antizpativ erworbenen Zukunftsqualifikation, denn „60% der besten Jobs in den nächsten Jahren sind noch gar nicht bekannt“, wie T. Frey in seiner Studie richtig prognostiziert.
Und dafür haben die Hochschulen die Pflicht, den betreffenden Studierenden frühzeitig durch entsprechende antizipative Qualifikationsangebote in der Aus- und verstärkt in der Weiterbildung und beruflich aktiven IP „reinen Wein“ einzuschenken und frühzeitig zu sagen, welche Qualifikationen überholt sein werden, nicht mehr ausreichen oder dringend notwendig zu lernen sind. Auch als „lebenslanger“ Qualifikationsbegleiter bereit stehen, da „Mikro“-Karrieren der Normalfall sein werden!
Gerade die Horrorszenarien der zunehmenden Arbeitsplatzsubstitution durch Digitalisierungsprozese Industrie 4.0, durch Roboterjournalismus, automatisch-algorithmisch gesteuerte Recherche und Dokumentation, die auch vermehrt akademisch gebildete AbsolventInnen betreffen, legen die Finger in die Wunde. Hier müssen Wissenschaft und Praxis antizipativ kooperieren, genauso wie die Grundlagen- und Anwendungsforschung. Drei vier Jahre lange Promotionsvorhaben zum Beispiel zur Social-Media-Forschung sind praktisch nicht mehr ohne Substanzverlust möglich und haben eine Halbwertzeit von unter einem Jahr. Wer will das noch? Alte, profilneurotische, quasi arrogante Separationen von Wissenschaft und Praxis werden auf dem Rücken der Zukunftschancen von jungen und etablierten IP ausgetragen. Sie sind überholt und unverantwortlich sowie unpassend und nicht zeitgemäß.
Dass die Scientific Community die dynamischen Industrie-4.0- und Web-3.0-Entwicklungen, die alle schon da sind bzw. vor der Tür stehen – in Form von Algorithmen getriebenen und gesteuerten, neuronalen Lösungen (Bild- und Spracherkennung, 3-D-Drucker, RoboConsultant, Roboterjournalismus, algorithmengesteuerte Textgenerierung und Recherche, Smart Homes etc.) -, nicht in eine interdisziplinäre Diskussion der antizipativen Qualifikationsanforderungen münden lässt, ist nicht nachvollziehbar. An den unzähligen akkreditierten Bachelor- und Master-Studiengängen und Weiterbildungsprogrammen ist eher erkennbar, dass jeder seine Eigeninteressen und Kompetenzfelder in einen vollgepackten Studienplan repräsentiert sehen möchte. Die Frage nach einer antizipativ richtigen, Berufschancen und Alleinstellungsmerkmale offerierende Qualifikation bleibt wenig beachtet.
Sehr traurig und das vor dem Hintergrund, den Gunther Dueck (DIE WELT, 6. September 2014) wie folgt richtig beschreibt: „Wer heute in einem Beruf nur mittelmäßig ist, packt ihn demnächst nicht mehr, eben weil es nur noch Schwieriges zu erledigen gibt. Man kann nicht mehr wie früher die Leistungsschwächeren mit einfachen Aufgaben betrauen, weil es die in den besser bezahlten Berufen nicht mehr gibt. Es öffnet sich die Schere zwischen den Menschen, die das Schwierige beherrschen, was Computer, Navis und Apps (noch) nicht leisten – und zwischen den Menschen, die am Schwierigen scheitern und deshalb die Arbeit mit Computern verrichten, die ihnen Instruktionen erteilen. Die Ersteren werden gut bezahlt, die anderen müssen Lohndumping befürchten.“ Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post, Frank Appel, wird in einem Interview (DIE WELT am Sonntag, Nr. 28, 10. Juli 2016) noch drastischer: „Wollen wir denn wirklich auch in 50, 100 Jahren noch Arbeitsplätze anbieten, deren Inhalt darin besteht, einen einzigen Prozessschritt bei der Montage eines Handys zu erledigen? Wir wollen doch, dass die Beschäftigen Aufgaben übernehmen, bei denen der Mensch wirklich unentbehrlich ist. Etwa in der Altenpflege.“
Schöne Aussichten für die IP?
Statement 2: Informations- und Medienkompetenz sind zu trivialen Begriffshülsen und inhaltsleeren Kompetenzbehauptungen verkommen. Qualifikationen von IP ohne entsprechende einschlägige fachwissenschaftliche Basis sind Mogelpackungen und haben mit ihrem Generalistenimage zu einer negativen Reputation beigetragen.
Die traditionelle Berufung auf das berufsständische Selbstverständnis vom „Sachverwalter und Vermittler von Informationskompetenz“ oder „Semantischer Kontextualisierung von Information“ (DGI-Positionspapier 2010) oder grundsätzlich auf „Informationskompetenz“ bzw. „Medienkompetenz“, die beide den Charakter von Unbegriffen haben, ist inhaltsleer, ohne Eineindeutigkeit in der Abgrenzung und für die junge Generation aus der Sicht technischer Anwendung selbstverständlich. Die Anstöße und Distribution zur technischen Handhabung von neuen Smart Devices, digitalen Plattformen und Vernetzungsaktivitäten kommen vor allem aus der jungen Cybergeneration, die der älteren Generation vorführt, wohin die neuen Kommunikationstechniken führen. Diese Generation ist in der technischen Handhabung und Nutzung dieser Vernetzungstools mehr als „medienkompetent“. Die inhaltliche Auslegung des Begriffs, nämlich auf der Basis von fachlichem Wissen in einer Domäne Such- und Recherchevorgänge durchzuführen, ist nur bei vorhandenen einschlägigen Qualifikationen in und für einen Bereich (Chemie, Finanzwirtschaft, Biologie etc.) möglich.
Information Broking ist für junge, heranwachsende (informationswissenschaftliche) Studierende ohne fachlichen Hintergrund lediglich eine Beschäftigungstherapie. Auch zum Infobroking bedarf es eines einschlägigen Vorwissens. Sonst fehlt das Verständnis, vorhandene Informationen fachgerecht zu ordnen, zu strukturieren, zu selektieren, zu aggregieren, aufzubereiten und diese inhaltlich zu erschließen, semantisch zu vernetzen und daraus Kontextbeziehungen und letztendlich fundiertes Wissen zu generieren oder gar Qualitätsinformationen herauszufiltern.
Dr. Sabine Graumann, ihres Zeichens eine bekannte, anerkannte und erfahrene Koryphäe der IP-Branche und Senior Director TNS Business Intelligence, hat vor kurzem auf einer dcif-Veranstaltung betont: „Fachkenntnisse sind wichtiger als Recherche-, Sprach- und IT-Kenntnisse.“ Ihr wurde nicht widersprochen. Fachinformationszentren leben von der Einschlägigkeit der Qualifikation der dort angestellten Mitarbeiter. Das gilt auch für die neue Hype um das „Forschungsdatenmanagement“. Daten, die man ohne entsprechende Qualifikation in einer Domäne nicht versteht, kann man auch nicht erheben, aufbereiten, analysieren und interpretieren. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dass wir sie gleichwohl betonen müssen, ist dem Geburtsfehler in den Qualifikationszielen der „Informationswissenschaft“ zu verdanken, nämlich der gnadenlosen Berufung – unter Hinweis auf den wissenschaftlichen Alleinanspruch der Informationswissenschaft – auf den (skalen)invarianten, völlig allgemein und verloren im Raum stehenden Begriff und Untersuchungsgegenstand der „Information“. Darauf haben Bredemeier und Klems („Die Informationsbranche ist auf dem besten Wege, die Hoheit über den Begriff „Information“ zu verlieren“) schon immer klar kritisch Bezug genommen.
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