Open Password – Mittwoch, den 30. März 2022
# 1048
Angriffskrieg gegen die Ukraine – Informationsbranche – Informationswissenschaft – Information Professionals – Gesellschaftliche Resilienz – Fake News – Kommunikation mit dem Feind – J.R.R. Tolkien – Herr der Ringe – Willi Bredemeier – Mariupol – Terrorisierung der Zivilbevölkerung – Willkommenskultur – Flüchtlinge – Unzureichender Impfschutz – Karl Lauterbach – Allgemeine Impfpflicht – Öffnungspolitik – Gewöhnung an das Virus – Bundestag – FDP – SPD – Grüne – Olaf Scholz – Moralische Verurteilung – Mordor – Hilfsbereitschaft – Polen – Wirtschaftskrieg – Aufrüstungs- und Abschreckungspolitik – Sicherheitspolitische Wende – Donald Trump – Neuer Realismus – Sozialpolitik – Informations- und Cyberkrieg – Wladimir Putin – Marine le Pen – George Orwell – Fake News – Informationsfreiheit – MetaGer – Europäische Union – Russia Today – Sputnik – North Stream II – Zivilisationsbruch – Kohle-, Öl- und Gas-Embargo – Entbehrungen – Russland als nukleare Weltmacht – NATO – Taktische nukleare Waffen – Einflussbereiche Russlands – EU-Beitritt – Russische Irrtümer – Ukrainische Widerstandsfähigkeit – Riskanterer Kurs gegen Russland – Joachim Krause – Neue Zürcher Zeitung – Robert Habeck – Geopolitik – Risikobereitschaft – Spieltheorie – Carl von Clausewitz
Sanktionen gegen Forschung – Informationsunternehmen – Cyberkrieg – Initiative Soziale Marktwirtschaft – Software-Security – Vier Top Trends – Julian Totzek-Hallhuber – Veracode – Hyper-Automatisierung – Microservice-Architektur – Application Programming Interfaces – Schwachstellen – State of Software Security Report – Open-Source-Bibliotheken – Sicherheitsvorfälle – Solar Winds – Software Supply Chain – Executive Order (USA) – National Cyber Strategy 2022 – 2030 (Großbritannien) – Deutschland
I.
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine (1):
Sanktionen treffen russische Forschung hart – Informationsunternehmen rüsten sich
gegen Cyberkrieg
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine (2):
Was die Infobranche, die Informationswissenschaft und die InfoPros tun sollten – Die Gesellschaft widerstandsfähiger gegen Fake News machen – Wie kommunizieren wir mit dem Feind und wie positionieren wir uns zu ihm? – Von Willi Bredemeier
III.
INSM Behörden-Digimeter: Bei dem Tempo dauert die Bhörden-Digitalisierung noch über 30 Jahre
IV.
Software-Security
Die vier Top-Trends – Von Julian Totzek-Hallhuber, Veracode
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine (1)
Sanktionen treffen russische Forschung hart
Informationsunternehmen rüsten sich
gegen Cyberkrieg
(Outsell) As the war in Ukraine enters its second month, tensions remain high, and the effects of the conflict continue to percolate around the globe.
Our analysts have started hearing about some of the effects of sanctions. On the scientific and technical side, for example, we learned recently of how Russian labs are being heavily impacted by shortages of equipment and supplies.
Concerns about cyberwarfare are also mounting due to the overall rise of geopolitical instability. A variety of information companies are exploring ways to improve security measures and looking at how best to leverage cybersecurity ratings agencies to assess security vulnerabilities among their suppliers, customers, and partners.
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine (2):
Was die Infobranche, die Informationswissenschaft
und die InfoPros tun sollten
Die Gesellschaft widerstandsfähiger
gegen Fake News machen
Wie kommunizieren wir mit dem Feind
und wie positionieren wir uns zu ihm?
(Ein Ring) dem Dunklen Herrn auf dunklem Thron
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.
Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden
im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.
J.R.R. Tolkien, Herr der Ringe
Von Willi Bredemeier
Mehr als zwei Jahre lang kamen wir in unseren Telefonaten und Treffen zwangsläufig auf das Thema Corona zu sprechen. Wir begleiteten unsere Gespräche mit einem Seufzer und sprachen es gelegentlich aus: Wie sehnen wir die Zeit herbei, dass wir darüber nicht mehr reden müssen! Dazu ist es jetzt gekommen, aber die erwartete Erleichterung blieb aus. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine drängt die Pandemie zum Teil aus unserer Wahrnehmung und wir reagieren auf die Entwicklungen in der Ukraine mit Schock und Entsetzen. Tag für Tag bricht die Flut der Bilder aus Mariupol und anderen ukrainischen Städten, die die russische Armee wahllos zum Zweck der Terrorisierung der Zivilbevölkerung beschießt und bombardiert, über uns herein. Wir fühlen uns hilflos, weil wir trotz aller Waffenlieferungen und moralischer Unterstützung der Ukraine so wenig tun können. Das Willkommen für die Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine nehme ich aus und sehe darin eine Bewährung westlicher Zivilgesellschaften.
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Was jetzt in der Pandemie notwendig wäre, auf dem Altar des Koalitionsfriedens geopfert.
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Nicht, dass uns die Pandemie als persönliche Gefährdung und gesellschaftliches Megaproblem nicht erhalten geblieben wäre. Wir müssen die astronomischen Inzidenzen, die steigenden Hospitalisierungsraten, die Überlastungen unseres Gesundheitssystems, die geringen Impfquoten, die Millionen an Ungeimpften und die weiteren Millionen mit einem unzureichenden Impfschutz in unserem Land nicht selbst nachverfolgen. Es reicht, auf unseren Gesundheitsminister zu hören, der die kommende Krise spätestens im Herbst mit am besten beschreibt und geradezu flehentlich bittet, sich doch als „einzigen Weg aus der Pandemie“ impfen zu lassen. Die Frage ist nur, warum Karl Lauterbach nicht seines Amtes waltet und für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht sorgt, sondern wie ein Oppositioneller zu sich selbst daherredet.
Ich halte die Aufhebung fast aller Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, wie sie sich in diesen Tagen ereignet, für einen schweren Fehler. Dies geschieht gegen den Willen der Bundesländer und wohl auch des Gesundheitsministers und findet in einer Zeit statt, da sich die Öffentlichkeit und die Bürger vorrangig über die Ereignisse in der Ukraine und ihre Folgewirkungen auf uns informieren und eine große Müdigkeit und Gewöhnung an das Virus eingetreten ist. Als Nächstes ist zu befürchten, dass die allgemeine Impfpflicht in Kürze im Bundestag weniger beschlossen als zerredet wird. Von den ungelösten Problemen bei der Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht und dem damit verbundenen zeitlichen Aufwand im föderalen Wirrwarr, wenn sie denn kommen sollte, noch nicht zu reden.
Hier ist der FDP vorzuwerfen, dass sie mit einem Freiheitsbegriff hantiert, der sich als Wehr der Bürger gegen einen übergriffigen Staat entwickelt hat, aber für die Bekämpfung eines tödlichen Virus nicht taugt. SPD und Grünen ist der Vorwurf zu machen, dass sie das, was in der Corona-Politik notwendig gewesen wäre, auf dem Altar des Koalitionsfriedens geopfert haben. Olaf Scholz muss gesagt werden, dass politische Führung anders aussehen sollte als eine allgemeine Impfpflicht öffentlich für notwendig zu halten und das Problem anschließend den Taktierern im Bundestag zu überlassen. Hier hat die Ampelkoalition ein Eigentor geschossen, das gravierende Folgen für viele von uns haben wird.
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Mit allen Bundesbürgern und dem Westen vereint: Der Schock, das Entsetzen und die Hilflosigkeit – Die moralische Verurteilung Russlands – Die sicherheitspolitische Kehrtwende.
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Hat die Informationsbranche und die Informationswissenschaft, haben die Information Professionals zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine etwas zu sagen? Wir sind mit dem gesamten Westen in der moralischen Verurteilung der russischen Invasion vereint und zugleich geschockt, weil wir für den Frieden nach eigener Einschätzung so viel getan haben. Dabei haben wir nicht nur in Deutschland, aber vor allem hier weitgehend verdrängt, dass das eindeutig Böse auch gegenwärtig existiert und weiter existieren und wiederkommen wird. Mordor ist keine Erfindung von Tolkien. Das heißt nicht, dass Mordor nicht der Analyse zugänglich ist und nicht zu bezwingen wäre. Aber dazu bedarf es einer sicherheitspolitischen Kehrtwende und eines „neuen Realismus“, wie ihn auch die Bundesregierung in den letzten fünf Wochen gezeigt hat.
Nach meinen Eindrücken aus Gesprächen und Sichtungen eingehender Meldungen stehen Informationsbranche, Informationswissenschaft und InfoPros bei Initiativen und konkreten Hilfen für die Kollegen in der Ukraine und darüber hinaus nicht hinten an. Viele von uns würden mehr tun, wenn sie wüssten, wie sie sich besser einbringen können (vom abstrakten Akt der Überweisung von Spenden abgesehen). Wie überhaupt die Hilfsbereitschaft unter den Bundesbürgern und in anderen europäischen Ländern riesengroß ist, um hier ganz besonders Polen zu nennen (solange es um die Aufnahme ukrainischer und nicht syrischer Flüchtlinge geht).
Wir sind uns weitgehend einig darin, dass die Bundesregierung richtig gehandelt hat, als sie in kürzester Zeit alte Gewissheiten über Bord warf, die Sicherheitslage der Bundesrepublik neu interpretierte („Zeitenwende“), die Reihen mit den Vereinigten Staaten und anderen Verbündeten schloss, den Angriffskrieg Russlands vereint mit den USA und der EU mit einem Wirtschaftskrieg beantwortete und nunmehr Aufrüstungs- und Abschreckungspolitik betreiben will. Hier haben sich Olaf Scholz und die Ampelkoalition Verdienste erworben und die Opposition, soweit ernst zu nehmen, macht grundsätzlich mit. Mit einem Satz sei aber daran erinnert, dass das Kaputtsparen der Bundeswehr, die zuletzt kaum noch einsatzbereit war, von keiner im Bundestag vertretenen Partei als zentrales Thema auf die politische Agenda gesetzt wurde und die sicherheitspolitische Wende spätestens hätte einsetzen müssen, als der nukleare Schutzschirm der Vereinigten Staaten unter der Präsidentschaft Donald Trumps bröckelte.
So bleibt zu hoffen, dass der neue Realismus in der Bundespolitik Bestand haben wird und die alten Illusionen nicht gleich wiederkehren, wenn sich die Sicherheitslage leicht verbessern sollte oder wenn wir uns an Zustände, die wir heute als unhaltbar ansehen, allzu schnell gewöhnen. Auch sollte Politik nicht wieder tendenziell auf Sozialpolitik reduziert werden.
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Wer bei Megakrisen wie Corona und dem Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht über den Tellerrand schaut und nichts zu sagen weiß, ist rasch vergessen. Er und sie verdienen es vielleicht sogar.
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Hat die Informationsbranche und die Informationswissenschaft, haben die InfoPros auch Spezifisches zum Krieg gegen die Ukraine beizutragen? Hier gilt: Wer bei Megakrisen wie Corona und dem Angriffskrieg gegen die Ukraine, die uns alle auch persönlich betreffen, nicht über den Tellerrand schaut und nichts zu sagen weiß, ist rasch vergessen. Er und sie verdienen es vielleicht sogar.
Im Folgenden nenne ich zwei Beispiele, wie wir uns konstruktiv in die Debatte um den Krieg gegen die Ukraine einbringen sollten.
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Unsere Gesellschaft widerstandsfähiger gegen Fake News machen.
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Nicht nur, aber vor allem Russland führt seit Jahren einen Informations- und Cyberkrieg sowohl gegen den Westen als auch gegen die eigene Bevölkerung. Dieser Krieg hat dazu beigetragen, dass Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten wurde und als Folge die amerikanische Demokratie und das westliche Bündnis in einen Zustand der Schwäche geriet. Noch eine Spur mehr Fortune für die eigenen Zersetzungskampagnen und Wladimir Putin hätte Marine Le Pen zur französischen Präsidentin gemacht. Der Informationskrieg Russlands gegen die eigene Bevölkerung hat mit der Invasion der Ukraine einen neuen Höhepunkt erreicht, indem die Lügen der Politik und der Staatsmedien über den Krieg Orwell´sche Ausmaße erreichen, das Nennen der Wahrheit und sogar die Benennung des Krieges als „Krieg“ unter teils hohe Strafen gestellt werden und die russische Staatsmacht die letzten oppositionellen Stimmen im eigenen Land eliminiert. Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur der Ukraine und anderer Länder halten sich bislang in Grenzen, das heißt aber nicht, dass wir nicht gegen sie gewappnet sein sollten.
Hier, bei der Dokumentation und Analyse staatlicher Informationskriegsführung und der dahinterstehenden Strategien, der Entwicklung von Gegenstrategien und von Maßnahmen, um Gesellschaften widerstandsfähiger gegen Fake News zu machen, sowie beim Finden einer angemessenen Balance zwischen der Bekämpfung von Lügen im Netz und der Sicherung der Informationsfreiheit wünsche ich mir von meinem Umfeld ein stärkeres und auch auf die aktuellen Ereignisse und Entwicklungen bezogenes Engagement.
Immerhin hat sich das Team der Suchmaschine MetaGer mit der Verordnung des Rates der Europäischen Union vom 1. März befasst, nach der Inhalte des russischen Staatssenders Russia Today und Sputnik in den Ländern der EU nicht mehr verbreitet werden dürfen. „Wie positioniert sich MetaGer?“ wird in ihrem Beitrag gefragt, und die Antwort lautet:
„Wir bedauern, dass bestimmte Inhalte inzwischen gesperrt und von Suchmaschinen nicht mehr auffindbar sind. Im Sinne der Informationsfreiheit sperren wir keine Seiten, sondern ranken allenfalls Seiten herunter, die Desinformationen verbreiten“ („Unsere Stellungnahme zur Informationsfreiheit im Russland-/Ukraine-Krieg“, in: Open Password, #1047, 28. März 2022).
Hier bin ich völlig anderer Meinung. Desinformationen und Einrichtungen, deren Geschäftsmodell in der Verbreitung von Desinformationen, der Schwächung von Demokratien und dem Belügen auch der eigenen Bevölkerung besteht, haben im Netz genauso wie in Print nichts zu suchen. Aber ich bin MetaGer dankbar dafür, dass sie mir Gelegenheit gegeben haben, diesen Widerspruch einzulegen.
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Wie kommunizieren wir mit dem Feind und wie positionieren wie uns zu ihm?
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Während die russischen Truppen an den nördlichen, östlichen und südlichen Grenzen der Ukraine aufmarschierten, war in den westlichen Ländern vor allem umstritten, ob North Stream II, das russisches Gas unter Umgehung der Ukraine nach Europa pumpen sollte, in Betrieb gehen dürfe. Ich teilte die dazu positive Haltung der Bundesregierung, weil aus meiner Sicht einmal eingegangene Verträge nicht gebrochen werden sollten und ich mir den Zivilisationsbruch nicht vorstellen konnte, dass die russische Armee die Ukraine überfallen würde. Nach der Invasion scheint sicher, dass North Stream II in absehbarer Zukunft nicht in Betrieb gehen kann.
Nach der Verhängung starker Wirtschaftssanktionen ist nunmehr umstritten, ob gegen Russland zusätzlich ein Kohle-, Öl- und Gas-Embargo verhängt werden soll. Wiederum zögert die Bundesregierung, weil sich das Land in eine starke Abhängigkeit von russischen Gasimporten begeben hat. Diese können nicht ohne Weiteres von heute auf morgen auf Null heruntergefahren werden. Zu dem laufenden Prozess der politischen Abwägung gehören die Fragen, was man der deutschen Bevölkerung an Entbehrungen zumuten kann, ohne in Wahlen abgestraft zu werden, und vor allem, wie Putin und die russische Staatsmacht auf eine weitere Eskalation des Wirtschaftskrieges gegen sie reagieren würden. Die Forderung Putins, künftig in Rubel statt in Dollar bezahlt zu werden, bringt uns dem Gasembargo einen Schritt näher.
In dieser Lage muss vor allem bedacht werden, dass Russland eine nukleare Weltmacht ist und Putin im Zuge seines Krieges gegen die Ukraine kaum verklausuliert mit dem Einsatz von Atomwaffen im Falle eines Einschreitens der NATO gedroht hat. Blufft Putin? Das haben wir uns auch gedacht, bevor Putin doch in die Ukraine einmarschieren ließ. Auch führt der Einsatz „taktischer nuklearer Waffen“ nicht automatisch zu einem Weltenbrand, sondern vielleicht „nur“ zu einer Verwüstung Ostmitteleuropas und womöglich Deutschlands.
Der Westen hat die Stellung der Sowjetunion und später Russlands als nukleare Weltmacht immer anerkannt und die Ukraine implizit dem Einflussbereich Russlands zugeordnet. Deshalb wurde der Ukraine die NATO- und auch die EU-Mitgliedschaft all die Jahre verweigert. Dies wird gegenwärtig deutlich, wenn die USA und die NATO immer wieder betonen, dass sie keine Kriegspartei sind, Russland der ausdrückliche Verzicht der Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft angeboten und der von der Ukraine in Not beantragte EU-Beitritt auf die lange Bank geschoben wird, ohne dass konkrete Ermunterungen ausgesprochen werden.
Nachdem sich Wladimir Putin und die russische Staatsmacht ähnlich stark wie der Westen irrten, hier, wie sie die Kampfkraft der eigenen Armee überschätzten und der Widerstandswille und die Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Bevölkerung unterschätzten, mehren sich die Stimmen, die einen riskanteren Kurs gegen Russland fahren wollen. So wurden unter anderem die Einrichtung von Flugverbotszonen in der Ukraine, die Lieferung von Kampfflugzeugen und militärisch abgesicherte „humanitäre Expeditionen“ in die Ukraine ins Gespräch gebracht. Begründet wird dies zum einen moralisch („Wir haben im Angesicht der täglichen Bilder aus Mariupol viel zu wenig getan“) und zum anderen mit der These, das Risiko, das wir mit einer dieser Maßnahme eingingen, sei gar nicht so groß (vgl. zum Beispiel: Joachim Krause, „Von einem Weltkrieg sind wir weit entfernt – auf eine militärische Auseinandersetzung mit dem Westen ist Russland derzeit nicht vorbereitet“, in: Neue Zürcher Zeitung, 17. März 2022).
Ich bin nicht der Meinung unseres Wirtschaftsministers, dass Wladimir Putin irrational handelt. Sein geopolitisches Glaubenssystem mag uns wie ein Wahnsystem vorkommen, aber innerhalb dieses Bezugsrahmen handelt er rational. Allerdings scheint Putin auch ein „Zocker“ zu sein, der mit seiner höheren Risikobereitschaft im Vergleich zum Westen gewinnen und noch mehr verlieren kann. Derzeit sieht es so aus, dass Putin territoriale Gewinne in der Ukraine absichern kann, aber Russland den laufenden Wirtschaftskrieg verliert.
Hier wünsche ich mir Beiträge der Informationsbranche, der Informationswissenschaft und der Information Professionals, wie man informationskompetent mit dem Feinde kommuniziert, wie man sich ihm gegenüber möglichst unter Vorwegnahme seiner Reaktionen positionieren kann und was unsere vielversprechendsten Optionen sind. Wir brauchen nicht nur eine neue Realpolitik, sondern auch eine öffentliche Debatte darüber, über welche Handlungsmöglichkeiten wir verfügen und was unsere Politik hellsichtiger machen kann. Dabei ist es einerlei, ob wir uns auf die Spieltheorie oder auf Clausewitz beziehen.
INSM Behörden-Digimeter
„Bei dem Tempo dauert die Behörden-Digitalisierung noch über 30 Jahre“
Software-Security
Die vier Top-Trends
Von Julian Totzek-Hallhuber, Veracode
Julian Totzek-Hallhuber
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- Hyper-Automatisierung etabliert sich in der Softwareentwicklung.
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Die Geschwindigkeit, mit der Software entwickelt und auf den Markt gebracht wird, nimmt weiter zu. Unternehmen – und im Speziellen die Entwicklerteams – müssen sich nicht mehr nur gegenüber einer unzähligen Menge Wettbewerbern behaupten. Sie müssen zudem in kürzester Zeit innovativ sein und den Entwicklungsprozess beschleunigen, um Nutzererwartungen gerecht zu werden.
Unternehmen werden daher vermehrt so viele Prozesse wie möglich automatisieren. Der Sicherheitsaspekt rückt in die frühen Stadien des Entwicklungszyklus vor. Gleichzeitig werden immer mehr Aufgaben in der Softwareentwicklung von KI- und ML-basierten Lösungen übernommen wie zum Beispiel das Aufspüren von Schwachstellen, die Fehlerbeseitigung und Threat Modelling.
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- Anwendungen werden auf ihre Kleinstbestandteile heruntergebrochen.
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Softwareentwickler bauen ihre Anwendungen zunehmend auf einer Microservice-Architektur auf. Auf diese Weise können sie einzelne kleine „Anwendungsblöcke“, die nur eine einzige Funktion haben, für andere Anwendungen wiederverwerten. Der Einsatz von Application Programming Interfaces (APIs) zur Integration dieser Microservices wird daher wichtiger denn je.
Doch APIs können Schwachstellen in Form von einer lückenhaften Authentifizierung, ausnutzbaren Injections oder Fehlkonfigurationen aufweisen. Ohne die richtigen Sicherheitsmaßnahmen können Cyber-Kriminelle diese gezielt ausnutzen. Laut dem aktuellen „State of Software Security Report“ von Veracode wird der Missbrauch von APIs künftig zu einem der größten Angriffsgefahren heranwachsen.
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- Entwickler setzen zunehmend auf Open Source Code
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Entwicklerteams greifen zunehmend auf Open-Source-Bibliotheken zurück, um ihren Entwicklungsprozess zu beschleunigen. In seinem 11. „State of Software Security“-Studie stellte Veracode fest, dass herkömmliche Java-Anwendungen zu 97 Prozent aus Open Source Code bestehen. Doch Sicherheitsvorfälle wie SolarWinds haben gezeigt, dass Open-Source-Bibliotheken nicht zu hundert Prozent fehlerfrei sind – ein Grund mehr, jede Anwendungskomponente einem Sicherheitsscan zu unterziehen.
Laut dem aktuellen „State of Software Security: Open-Source Edition“-Bericht verzichten Entwicklerteams häufig auf das Testen von Open Source Code. In 79 Prozent der Fälle updaten sie den Code selbst, nachdem sie ihn in Anwendungen verwenten. Dadurch bleiben kritische Schwachstellen im Endprodukt bestehen – rund ein Drittel der Anwendungen weisen mehr Mängel im Open Source Code auf als im selbstgeschriebenen Code-Anteil. Daher müssen Entwickler regelmäßige Scans und Updates von Open-Source-Bibliotheken priorisieren, um das Sicherheitsrisiko zu minimieren.
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- Neue Policies treten in Kraft, um für höhere Cyber-Sicherheit zu sorgen
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Um das Sicherheitsrisiko innerhalb der Software Supply Chain zu senken, wird sich die Politik zunehmend auf die Umsetzung von Richtlinien und die Erhöhung von Sicherheitsstandards fokussieren. Die USA haben mit der Veröffentlichung der Executive Order einen ersten großen Schritt in diese Richtung getan. Dieser Beschluss legt die Sicherheitsanforderungen für Softwareunternehmen fest, die ihre Produkte für die US-Regierung bereitstellen. Wahrscheinlich werden diese Anforderungen auf den gesamten öffentlichen Sektor übertragen werden. Großbritannien möchte mit der National Cyber Strategy 2022-2030 ein höheres Cybersicherheitsniveau sicherstellen. Es ist anzunehmen, dass Deutschland diesen Vorbildern folgen und ähnliche Beschlüsse fassen wird.
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