Open Password – Montag, den 7. August 2017
# 237
Project Consult – Ulrich Kampffmeyer – Willi Bredemeier – Informationsbranche – CeBIT – Buchmesse – Wissensmanagement – infotelligence – Verband für Informationswirtschaft – Verband für Optische Informationssysteme – DMS Expo – Dokumentenmanagement – Stefan Gradmann – Open Password – Bernhard Mittermaier – Forschungszentrum Jülich – Data Mining – Roland Reuß – Börsenverein – Wissenschaftliches Publizieren – Gemma Hersh – Elsevier – CERN – Jeff MacKie Mason – Value-based pricing – Open Access
25 Jahre PROJECT CONSULT
Die Informationsbranche zwischen
Technik- und Contentorientierung
(W.B.) Die PROJECT CONSULT Unternehmensberatung Dr. Ulrich Kampffmeyer hat zu ihrem 25jährigen Bestehen ein Kompendium mit über 100 Beiträgen im Open Access herausgegeben, die Themen im Umfeld von Informationsmanagement, ITK, Trends, Zukunft, Gesellschaft und Wissenschaft erörtern. Willi Bredemeier von Open Password hat sich mit einem Beitrag zu „Fake News und konventionelle Medien“ am Kompendium beteiligt. Direkte Links zum Kompendium:PDF: http://bit.ly/PCJub25NL – Web & Mobile (Theum): http://bit.ly/PCJub25NLTheum – ePub: http://bit.ly/PCJub25NLePub.
In all diesen Jahren blieb das Spannungsfeld bestehen, in dem sich die Informationsbranche nicht entscheiden konnte, ob sie eine vorrangig software- und technikorientierte oder aber eine vorrangig inhaltsorientierte Branche war. Der Schlachtruf „Content is King“ wäre so nie erhoben worden, wenn er nicht gleichzeitig infrage gestellt worden wäre. Über viele Jahre mochte sich niemand so recht entscheiden, obgleich diese Frage von eminent praktischer Bedeutung war. Sie stellte sich beispielsweise immer dann, wenn eine Entscheidung zu treffen war, ob sich die Informationsbranche mehr an der CeBIT oder mehr an der Buchmesse anlehnen wollte, oder anders gesagt, ob wir uns mehr mit den Informatikern oder mehr mit den Bibliothekaren verbrüdern sollten. In den Pionierjahren der Branche neigte diese sogar eher der Technikorientierung zu, da sich die technischen Entwicklungen überschlugen, die Branche selbst an der Spitze des technischen Fortschritts marschierte und die Buchmesse zögerte, sich bei den elektronischen Medien zu engagieren. Das änderte sich allmählich, als auf der Buchmesse die Halle 4.2 entstand, sich die Informationsbranche in eine Marktnische zurückzog, Technologien mehr oder minder zu einer Commodity wurden und viele Information Professionals ihr Überleben sicherten, indem sie in inhaltliche Geschäftsbereiche wie Analyse und Aufbereitung expandierten. Eine deutliche Wendung zu einer mehr inhaltlichen Orientierung trat 2007 ein, als sich die Informationsbranche mit der infotelligence an der CeBIT anzulehnen suchte und damit scheiterte, weil zu wenige Aussteller und Besucher kamen.
Aber immerhin das war klar, dass Ulrich Kampffmeyer und seine PROJECT CONSULT der wichtigste Partner der Informationsbranche war, soweit sich diese am Wissensmanagement und weiteren Technikfragen orientierte. So beherrschte der Berater, Autor, Publizist, Verbandspolitiker und Gründer der DMS Expo Kampffmeyer mit seinem Hausorgan und einer Flut von Veröffentlichungen tendenziell die praxisorientierten Erörterungen zum Dokumentenmanagement. Als sich die Anbieter der Informationsbranche zum „Verband für Informationswirtschaft“ organisierten, war der „Verband für Optische Informationssysteme“ ihr engster Partner. Password räumte Kampffmeyer eine monatlich erscheinende Rubrik ein, veröffentlichte selbst in Kampffmeyers Organ und führte Workshops in Hamburg teilweise mit ihm in gemeinsamer Trägerschaft durch. Noch nach dem Scheitern der infotelligence suchte der neue Präsident der DGI, Stefan Gradmann, vor allem auf Wissensmanagement und eine Partnerschaft mit Kampffmeyer zu setzen. Ich versuchte, ihm klarzumachen, dass dies mittlerweile die falschen Prioritäten seien, drang aber mit meinen Argumenten nicht durch.
2017 scheint es eindeutiger denn je, dass die Content-Branche eine Content-Branche ist (oder es mindestens wurde). Wir haben mit der „Steilvorlagen“-Veranstaltung eine eindeutige Entscheidung zugunsten von Inhalten und zugunsten der Buchmesse getroffen und mit dem Redaktionsprogramm von Open Password auch. Gleichwohl bleiben Software- und Technikfragen, auch wenn sie nicht mehr prioritär sein können, wichtig. Umso mehr freut sich Open Password, dass es weiter auf die Partnerschaft mit Ulrich Kampffmeyer und seine PROJECT CONSULT zählen kann. Herzlichen Glückwunsch!
Wissenschaftliches Publizieren
Zwischen Biedermeier und
value-based pricing:
Die Welt, wie sie sich tatsächlich entwickelt, nicht in Rechnung gestellt
Von Dr. Bernhard Mittermaier, Forschungszentrum Jülich
Roland Reuß, Literaturwissenschaftler und einer der letzten Vertreter der Biedermeier-Epoche, wurde vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit der Auszeichnung „Förderer des Buches“ geehrt. In seiner Dankesrede, die man unter https://www.boersenblatt.net/artikel-fuer_die_freiheit_des_geistes.1343082.html nachlesen kann, offenbart er eine sehr spezielle Sicht der Dinge. Für ihn scheint wissenschaftliche Kommunikation nur in Form des gedruckten Buches eine echte Daseinsberechtigung zu haben. Er ignoriert dabei den Umstand, dass – über alle Fachdisziplinen hinweg – sicher hundertmal mehr Zeitschriftenartikel als Bücher erscheinen. Da wedelt nicht der Schwanz mit dem Hund, sondern die Schwanzspitze. Und die will er, um in diesem Bild zu bleiben, auch noch kupieren.
Zitat: „Mein zweiter Wunsch zielt auf die Förderung einer freiwilligen Selbstverpflichtung auf Qualität (..). Sie würde eine Prüfung durch Lektorat sowie menschen- und buchwürdige Verarbeitung in Design und Typographie für das Lesepublikum ausweisen (..) und damit die Leistung der Verlage für die Produktion des Buches unterstreichen. Dabei geht es nicht um das Segment der Buchproduktion, das von der bedauerlicherweise unterausgestatteten Stiftung Buchkunst gefördert wird (also dem Buch als Nobelprodukt), sondern um eine Auszeichnung des Standards, zu dem man sich bekennen, auf dessen Plateau man sich begeben sollte, wenn der Buchhandel insgesamt eine Zukunftsperspektive haben will. Mir ist klar, dass damit Bücher, die Autoren selbst ‚setzen‘ (wenn man das so nennen kann) und die unlektoriert in einer Bibliotheksauflage zu für normale Käufer unerschwinglichen Preisen auf den Markt kommen, unmöglich werden. Aber die werden ohnedies verschwinden wie der Hund von der Autobahn.“
Nichts gegen schön gestaltete und gut lektorierte Bücher – aber wie sollen diese preiswerter sein als die „unlektoriert in einer Bibliotheksauflage zu für normale Käufer unerschwinglichen Preisen auf den Markt kommenden“ Bücher? Will etwa Roland Reuß, der sich selbst sicher nicht zu den „bekennenden Verlagsfeinden“ zählt, etwa den Verlagen ins Portemonnaie greifen?
Gemma Hersh ist Vice President, Policy & Communications bei Elsevier. Bei der Konferenz oai10 des CERN hörte sie in einem Vortrag von Jeff MacKie Mason (UC Berkeley) die Forderung nach “cost-based-payments”: Verlage sollten ihre Kosten ersetzt bekommen einschließlich einer vernünftigen Gewinnspanne – aber keine monopolistischen Gewinnspannen. Gemma Hersh wies Jeff Mason, der in Berkeley nicht nur die Bibliothek leitet, sondern auch Wirtschaftsprofessor ist, via Twitter darauf hin, dass die Uhren in der Verlagswelt anders gehen: „Publishing, like many other industries, iss value-based not cost-based. You have acknowledged our value in your talk” https://twitter.com/gemmahersh/status/877813332547313664.
Was bedeutet das? In der Wikipedia liest man zu value-based pricing: “Where it is successfully used, it will improve profitability through generating higher prices.“ Vielleicht ist es ja eine Alternative zur notorischen Klage über Monopolisten-Preise, einmal das Preiskonzept an sich zu hinterfragen. Hat Gemma Hersh Recht, wenn sie die Verlagswelt als „value-based Industry“ bezeichnet? Derzeit wohl schon, aber muss das so sein? Liegt der Wert nicht vor allem im Auge des Betrachters? Wären gewisse Nobelmarken nicht Statussymbole, dann wären deren Produkte zwar immer noch teurer als die Produkte des Massenmarktes, aber nicht um eine Größenordnung teurer. Wenn die Kunden den vermeintlichen Werten keine Bedeutung (mehr) beimessen, dann bricht das Kartenhaus in sich zusammen und man landet automatisch bei einer kostenbasierten Bepreisung. Dann wird die verlegerische Tätigkeit als eine Dienstleistung betrachtet, vor allem zur Organisation des Peer-Review-Prozesses (der an sich aber kostenlos durch Wissenschaftler geleistet wird), sowie der Satz einschließlich der Verlinkung der Referenzen. Die dafür anfallenden Kosten, die im Übrigen einer Kalkulation zugänglich sind, werden dem Dienstleister erstattet. Und damit sind wir in einer Open-Access-Welt. Unnötige Kosten wie die Aufrechterhaltung einer Zugangskontrolle zur Literatur werden künftig nicht mehr bezahlt.
Warum zwei völlig unterschiedliche Themen in einem Beitrag? Weil sie gar nicht so unterschiedlich sind. Zwar leben Roland Reuß und Gemma Hersh in unterschiedlichen Welten, aber keiner von beiden lebt in der Welt, wie sie jetzt ist bzw. in naher Zukunft sein wird. In dieser Welt steht weder der haptische Genuss eines schönen Buches noch der Subskriptionsartikel im Mittelpunkt, sondern der rasch und weit verbreitete elektronische Zeitschriftenartikel. Auch das andere wird es weitergeben, aber eher in der Nische als im Zentrum und nicht mehr als Maß aller Dinge.
Call for Papers
Mining Scientific Papers
16 – 20 October, Second Workshop on Mining Scientific Papers: Computational Linguistics and Bibliometrics (CLBib-2017) to be held a spart oft he 16th International Society of Scientometrics and Informetrics Conference (ISSI-2017) in Wuhan, China. http://www.issi2017.org/ – https://easychair.org/cfp/CLBib2017. The Topics:
– Linguistic modeling and discourse analysis for scientific texts
– User interfaces, text representations and visualizations
– Structure of scientific articles (discourse / argumentative / rhetorical / social)
– Scientific corpora and paper standards
– Act of citations, in-text citations and Content Citation Analysis
– Co-citation and bibliographic coupling- Text enhanced bibliographic coupling
– Terminology extraction
– Text mining and information extraction
– Scientific information retrieval- Ontological descriptions of scientific content
– Knowledge extraction.
Studentischer Workshop für
informationswissenschaftliche Forschung
Isabella Peters: Der Studentische Workshop für informationswissenschaftliche Forschung (SWiF) findet dieses Jahr am 17. und 18.11.2017 im Haus der Universität in Düsseldorf statt (bit.ly/swif2017).
Die Teilnahme an SWiF setzt das Einsenden eines kurzen Abstracts (max. 300 Wörter) voraus. Der Abstract kann von den Studierenden bis zum 30.09.2017 per E-Mail (aylin.ilhan[at]hhu.de) eingereicht werden. Am 17.10.2017 erhalten die Studierenden dann den entsprechenden Bescheid!
Gerne teilen und viel Erfolg
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