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Open Password: Mittwoch, den 27. April 2016

Kritische Infrastrukturen – Eugene Kaspersky – Kaspersky Lab – Winfried Gödert – Informationswissenschaft

Kritische Infrastrukturen

Schadprogramm im
Atomkraftwerk Grundremmingen:

Mehr denn je auf Pannen
und zielgerichtetes Hacking einstellen

Von Eugene Kaspersky, CEO Kaspersky Lab (Moskau)

Ein Computer, der Steuerungsprotokolle für die Lademaschine der Brennelemente im deutschen Atomkraftwerk Grundremmingen erstellt, wurde mit Schadsoftware infiziert. Bei vielen, die die Nachricht gelesen oder gehört haben, werden jetzt höchstwahrscheinlich alle Alarmglocken läuten. Allerdings ist der Vorfall an sich nicht wirklich überraschend. Mich überrascht eher, dass wir nicht häufiger von solchen besorgniserregenden Fällen hören.

Der Betreiber geht nicht von einer zielgerichteten Attacke auf das System des Atomkraftwerks aus. Laut deutschen Medienberichten handelte es sich wohl um eine ,gewöhnliche‘ Infektion, die möglicherweise von jemandem verursacht wurde, der ein Speichergerät mit dem System verbinden wollte.

Mit Blick auf mit dem Internet verbundenen Dingen und Systemen zeigt der Vorfall jedenfalls eines ganz deutlich: Kritische Infrastrukturen sind verwundbar, wie alle anderen Systeme auch, die mit dem Internet verbunden sind. Wir sahen bereits die Auswirkungen eines Cyberangriffs auf einen Hochofen – bekannt gegeben durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Zudem gab es Stuxnet, eine Malware, die angeblich dafür entwickelt wurde, um nukleare Anreicherungsanlagen im Iran physisch zu zerstören.

Betreiber und Regulierungsbehörden müssen verstehen, dass in Zeiten, in denen wir mehr als 310.000 neue Schadprogramme täglich entdecken, ein paar dieser Schädlinge auch Systeme schädigen können, die niemals das eigentliche Ziel dieser Schadsoftware waren. Wir müssen uns auf solche Fälle und natürlich ebenso auf zielgerichtete Attacken vorbereiten.

Informationswissenschaftliche Besinnungen 

Eine Nestbeschmutzung mit Vorschlägen zur Neuausrichtung 

Von Winfried Gödert 

Ausgangsituation 

Die gegenwärtige Informationswissenschaft ist gekennzeichnet durch den Verlust der Problemlösungskompetenz für Zukunftsfragen und eines konstituierenden wissenschaftlichen Methodenkerns. Die Vertreter der Informationswissenschaft und -praxis haben gemessen an ihrem artikulierten Anspruch ein unterentwickeltes Verständnis der von ihnen zu beachtenden Qualitätsstandards. Anders als in aktuellen Diskussionsverläufen gerne argumentiert wird, liegen wesentliche Ursachen für den Rückbau nicht außerhalb, sondern innerhalb der Informationsprofession. Die Informationspraxis und die Information Professionals haben einen maßgeblichen Anteil an diesem Zustand. 

Spätestens seit der berühmten Aussage vonC. P. Snow, „Naturwissenschaftler haben die Zukunft im Blut“ (1), wird die Welt gern in Bewahrer oder Bedenkenträger bzw. in Fortschrittsgestalter unterteilt. In den möglichen Anwendungsfeldern einer Informationswissenschaft wird die Trennlinie gern durch den Einsatz Computer basierter Technologie markiert.(2) Ist dies ausreichend? Sicher nicht. Man wirdSnow nicht verfälschen, wenn man ihn so interpretiert, dass die Zukunftsgestaltung Ideen erfordert, die zur Zeit des Abfassens seines Essays stärker durch die Naturwissenschaften eingebracht wurden als durch andere Disziplinen. Entscheidend ist also, ob und welche Ideen vorhanden sind, Beiträge zur Lösung der Zukunftsprobleme zu leisten. Dies wiederum setzt voraus, dass man nicht die Fähigkeit verloren hat, zwischen zu lösenden Zukunftsproblemen und weniger wichtigen Problemstellungen zu unterscheiden. Im Kontext des institutionalisierten Wissenschaftsbetriebs muss diese Fähigkeit durch eine sensible Beobachtung der Problemlösungskompetenz begleitet werden, die einer Wissenschaft durch die Vertretern anderer Disziplinen zugeschrieben wird. Auch im akademischen Umfeld sichert allein die Form der Institutionalisierung keine dauerhafte externe Akzeptanz. Kann man für eine Disziplin keine Zukunftsfragen mehr angeben und hat die Zuschreibung einer Problemlösungskompetenz durch die Geldgeber verloren, dann gibt es keine Legitimation als eigenständige Wissenschaftsdisziplin mehr. Es steht zu befürchten, dass die Informationswissenschaft in Deutschland dieses Stadium erreicht hat.

Ein Widerspruch gegen diese Aussagen müsste angeben, für welche Zukunftsprobleme eine Informationswissenschaft Problemlösungskompetenz besitzt und welche spezifischen Problemlösungen angeboten werden können.

Für ein Segment der Informationswissenschaft mit Bezug auf ein spezielles Anwendungsfeld wurde in einer differenzierteren Analyse aufgezeigt, dass der Zustand durch einen Verlust an der Kenntnis der historischen Fragestellungen und dem methodischem Verständnis, letztlich also am Verlust der für jede Wissenschaft notwendigen theoretischen Basis beschrieben werden muss (3). Damit ist die Frage nach dem Verständnis des eigenen Qualitätsanspruchs verbunden. Es wäre nützlich, derartige Analysen für andere Teilfelder der Informationswissenschaft zu erstellen, um die Validität der Aussagen überprüfen zu können und einen Überblick über einen Ideenfundus zur Konstituierung einer Disziplin Informationswissenschaft zu bekommen.

Trotz der Maßnahmen zum Rückbau der institutionalisierten Informationswissenschaft lassen sich in der aktuellen Diskussion keine substanziellen Beiträge zur Unverzichtbarkeit einer Informationswissenschaft verzeichnen, auch nicht zu ihrem Nutzen zur Lösung von Fragen, auf die andere akademische Gebiete keine Antworten geben können. Versuche, die Legitimation über Aussagen wie „… weil die Düsseldorfer Informationswissenschaft für die Informationsbranche unverzichtbar ist“, „… ich Informationswissenschaften in einer Informationsgesellschaft für unverzichtbar halte“ oder „Informationswissenschaft das kritische Denken in einer digitalisierten Welt fördert“ (4) müssen doch als naiv angesehen werden, wenn man die Spielregeln berücksichtigt, nach denen Mittelzuweisungen im Wissenschaftsbetrieb erfolgen.

Nicht unerwähnt bleiben kann das unterentwickelte Verhältnis speziell der Informationsbranche zu ihrer Methodendisziplin. Es zeigt sich deutlich in der Aussage vonReinhard Karger: „Die Informationswissenschaft ist im konzeptionellen Herz der Internetwirtschaft und der neuen Geschäftsmodelle für das Internet der Dinge und Industrie 4.0., für Smart Factories, Smart Services und Smart Cities.“ (5) Ist es schon bemerkenswert, wie einseitig und ahistorisch diese Aussage ist, so wird drittens eine unerhörte Funktionalisierung vorgenommen, die keine Wissenschaft erträgt. Mit „im konzeptionellen Herz“ eines anderen, hier einer Wirtschaft zu sein, wird nur zu deutlich betont, dass man der Informationswissenschaft kein selbstständiges Leben, sondern nur ein funktionales Leben, keine eigenen Erkenntnisbereiche, sondern nur zugewiesene Aufgabenstellungen beimisst. Wie kann solch eine Beschreibung einer akademischen Disziplin eine dauerhafte Existenz sichern, die Basisdisziplin für ein sich dynamisch entwickelndes professionelles Umfeld sein soll?

Eine weitere Steigerung dieses Verhältnisses kann im Rahmen dieser Ausführungen nicht weiter vertieft werden, sie ist jedoch durch eine Vielzahl von Beispielen erfahr- und belegbar: die Selbstverpflichtung von Angehörigen der Informationspraxis auf methodische Standards und Fachwissen. Es scheint hier keine untere Grenze zu geben. Personale oder institutionelle „Bedeutung“ ersetzt noch immer qualitative Maßstäbe. In unfairer Stellvertretung – die Mehrzahl anderer Äußerungen lassen sich nicht so gut belegen – sei hier nur ein Äußerung wiedergegeben: „Ich bin hier ehrlich: Was bringt Informationswissenschaft den Information Professionals? Diese Message hatte mich bislang nicht erreicht.“ (6). Man wird lange suchen müssen, um eine andere akademische Disziplin zu finden, deren Absolventen oder Praxisvertreter sich so vehement gegen das Erfordernis von fachlichem Basiswissen zur Ausübung der praktischen Tätigkeit abgrenzen. Es ist dies die Stelle, an der sich die Informationspraxis, alle Information Professionals fragen lassen müssen, welchen Anteil sie an der Bedeutungslosigkeit der Informationswissenschaft haben.

Für die Vertreter der akademischen Informationswissenschaft gilt analog: die Maßstäbe für die eigene Reputation allein am Kriterium zu orientieren, für die eigenen fachlichen Fragen im Umfeld der informationswissenschaftlich mehr oder weniger Belichteten der am wenigsten Unterbelichtete zu sein statt nach Kooperationen mit leistungsstärkeren Partnern zu suchen, kann weder der eigenen Akzeptanz im akademischen Umfeld noch der Akzeptanz einer Informationswissenschaft als Disziplin förderlich sein. Dass es für die Wahlen zu den DFG-Fachkollegien keine eigene Rubrik Informationswissenschaft gibt (7), darf durchaus als seriöser Beleg für akademische Bedeutungslosigkeit genommen werden.

Ironischerweise drängt sich der Eindruck auf, dass eine Profession, die ihre neuzeitliche Ausgestaltung groß dimensionierter Programme zur Vermeidung des Vergessens zu verdanken hat (Weinberg-Report, Fachinformationsprogramme), nun ihr Heil im Vergessen der eigenen methodischen Wurzeln und im nachmachenden Dilettieren ihre Zukunft sieht.

Bisheriges Verständnis einer Informationswissenschaft 

Es gab einen Konsens darüber, dass die Existenz einer akademischen Disziplin sinnvoll ist, die fundierte Beiträge liefert, in einer zunehmend komplexer werdenden Welt den effizienten Zugang zur repräsentierten Information zu erleichtern und die menschliche Wissensrezeption zur Wissensaneignung und Entscheidungsvorbereitung zu unterstützen. Eine solche Disziplin Informationswissenschaft wurde als interdisziplinäres Methoden-Konstrukt verstanden, das seine spezifische Kompetenz aus der Fähigkeit zur aufgabenorientierten Verbindung verschiedener Basismethoden bezog, die von keiner der beteiligten Einzeldisziplinen allein bereit gestellt werden können. In diesem Sinn sollte keine disziplinäre Erkenntniswissenschaft geschaffen werden, sondern vielmehr ein Bereich, in dem spezifische Aufgabenstellungen durch die Kombination von Methoden Lösungen zugeführt wurden. Die Vertreter der Informationswissenschaft sahen es als wichtig an, dass sich ein Verständnis der Disziplin als Synergievorgang aus der wechselseitigen Durchdringung und Befruchtung ergab. Historisch sei etwa an die Entwicklungen des Automatischen Indexierens und Klassifizierens mit Unterstützung durch Instrumente der Wissensorganisation und die Gestaltung zugeordneter ergonomischer Retrievalumgebungen erinnert. Zum Kreis der Disziplinen, die in den Disziplinkern Wissensorganisation und Informationsressourcen einwirkten, gehörten insbesondere: Informatik, Informationstechnologie, Sprachwissenschaft und Computerlinguistik, Kommunikations- und Medienwissenschaften, Management und Marketing, Quantitative Datenanalyse und -aggregation, Rechtsfragen. Es muss festgehalten werden, dass es keine organische Weiterentwicklung dieses Verständnisses gegeben hat, dass sich der Methodenkern aufgelöst hat und eine Rückkehr in die Partikularisierung der verschiedenen Teilbereiche eingetreten ist.

Dabei lässt sich ein Trend stabil beobachten: Immer mehr Angehörige der Informationswissenschaft und -praxis mit unterschiedlichen Herkunftsdisziplinen können zwar noch ihre Verbindung zu ihrer Herkunftsdisziplin, nicht aber ihre Verbindung zur Informationswissenschaft angeben. Dagegen ist nichts zu sagen, es stellt vielmehr zunächst einen positiven Schritt weg von der Dominanz des vormaligen Prototypen dar, der immer gerne als Universaldilettant ironisiert wurde. Man wird früher oder später die Frage zulassen müssen: Wollen sich diese Personen als Informationswissenschaftler verstehen oder ihre wissenschaftsfachliche Identifikation in ihrer Ursprungsdisziplin sehen? Ungeachtet aller Qualität der Leistungen Einzelner darf für die Bewertung einer möglichen Antwort nicht übersehen werden, dass für den Einzelnen in der Regel mit einer Tätigkeit in der institutionalisierten Informationswissenschaft der Verlust des Kontaktes zur vorherigen fachlichen Infrastruktur verbunden ist, der nicht durch Kontakte innerhalb einer gleichwertigen Infrastruktur ersetzt wird. Folgen sind: fachliche Isolation und vermutlich über längere Sicht ein Rückgang der fachlichen Leistungsfähigkeit sowie mangelnde Synergieeffekte innerhalb des neuen multidisziplinären Umfeldes.

Eine Lösung für dieses Problem im Rahmen einer Neuorientierung der Informationswissenschaft kann nur durch eine Selbstverpflichtung ihrer Angehörigen entstehen, wenn im Sinne eines Ganzes-Teil-Prinzips angegeben wird, welcher Teildisziplin der Informationswissenschaft sie sich zuordnen, welche fachlichen Teilfragen sie mit welchen informationswissenschaftlichen Methoden bearbeiten, welche Standards sie dabei beachten.

Ein Wiedereintritt in das alte Verständnis von Informationswissenschaft ist heute nicht mehr möglich. Die Fundierung auf einzelne Teilbereiche, wie der Vorschlag von Walther Umstätter, die Informationstheorie zum Fundament einer Informationswissenschaft zu machen (8), ist für eine Neuausrichtung einer Informationswissenschaft ebenfalls nicht empfehlenswert, Rainer Kuhlen hat dies in seiner Antwort schon zutreffend ausgeführt. (9) Solche Vorschläge entbehren eines hinreichenden Gestaltungs- und Identifikationspotenzials. Mit ihnen würde man sich immer in Konkurrenz zu Vertretern anderer Bereiche bewegen, die durch ihre Einbindung in den jeweiligen fachlichen Basisbereich über eine fachliche Überlegenheit verfügen. Wissenschaftsfachliche Alleinstellungsmerkmale sind so nicht zu erzielen.ext hier eintippen.

Vorschlag zur Neubestimmung einer Informationswissenschaft 

Versuchen wir nun die Skizze eines Vorschlages zur Neubestimmung einer Informationswissenschaft. Wir wollen diese Neubestimmung entlang des Spannungsverhältnisses zwischen technischer Datenmanipulation und kognitiver Informationsverarbeitung vornehmen. Die Belastbarkeit des nachstehenden Vorschlags als möglicher Ausweg aus der Krise muss sehr zurückhaltend betrachtet werden. Es kann sich nur um einen Vorschlag als Baustein einer noch zu führenden Diskussion handeln, der idealerweise ohne Verwässerung gemeinsam mit anderen Vorschlägen im Rahmen einer Gesamtkonstruktion berücksichtigt werden sollte.

In der Zusammenstellung von Fachgebieten für die Informationswissenschaft war das sich selbst als interdisziplinär verstehende Konstrukt der Kognitionswissenschaften noch nicht ausgeprägt berücksichtigt. Durch Big Data und Data Mining haben sich die Methoden und Verfahren zur statistischen und datentechnischen Aggregation und Strukturierung von Massendaten in vormals ungeahnter Weise erweitert und verfeinert. Wir stehen alle unter dem Eindruck der Suchmaschinentechnologie, deren Erfolgsgeschichte weitgehendst ohne informationswissenschaftliche Bezugnahmen möglich war. Sofern der Adressat datentechnischer Aggregationsverfahren der Mensch mit seinen kognitiven Fähigkeiten und Beschränkungen ist – dies hätte doch das bisherige Verständnis von Informationswissenschaft in vollem Umfang bejaht -, bleibt es eine Aufgabe, eine Brücke zur kognitiven Aggregation und Strukturierung zu schlagen. Informationswissenschaft könnte die methodische Basisdisziplin eines solchen Brückenschlags sein und eine Beschreibung wie folgt erfahren.

Informationswissenschaft stellt die Methoden bereit, die erforderlich sind, um den Brückenschlag zwischen einem kognitiven und einem Daten bezogenem Informationsverständnis durchzuführen, die insbesondere durch diese Fragestellungen beschrieben werden:

–       Repräsentation von Information in externen Medien

–       Rezeption von Information aus externen Medien

–       Strukturieren von externalisierter Information in Informationsprodukten zum
Zweck des kognitiven Wissenserwerbs und der Entscheidungsvorbereitung

Diese Beschreibung lässt sich wie folgt begründen. Die bisherige Informationswissenschaft hat ihre Wurzeln in Bemühungen, in Dokumenten repräsentiertes Wissen zu strukturieren und für einen Zugang optimiert aufzubereiten. Was also liegt näher, als die Methoden des Strukturierens als den zeitinvarianten Kern für das neuzeitliche Verständnis von Informationswissenschaft anzusehen, um den Aufgaben Rechnung zu tragen, die die Rezeption komplexen und nicht mehr allein an Textdokumente gebundenen Wissens mit sich bringen? Die Zusammenarbeit mit den Bereichen, die das eigentliche Wissen generieren und im Kontext ihrer jeweiligen Wissenschaft mit eigenen Methoden strukturieren, ist hierbei genau so selbstverständlich, wie es in zeitlich zurück liegenden Kontexten erforderlich war.

Es kann nun ein Spannungsverhältnis zwischen diesem Verständnis und dem sich entwickelt habenden Verständnis der Informationsbranche gesehen werden. Gegenüber stehen sich eine interdisziplinäre und an Methoden orientierte Sicht und ein Verständnis als Analyse und Entwicklung von Gesichtspunkten zum Verkauf von Informationen und daran geknüpften Dienstleistungen. Kurz: Methoden und Inhalte vs. Kampagnen und Aktionen bzw. in Metaphern der Künstlichen Intelligenz: Zielobjekte der Informationswissenschaft sind Menschen mit umfassenden kognitiven Fähigkeiten und nicht autonome Roboter mit begrenztem Handlungsspektrum.

Könnte sich die Informationswissenschaft als ein Teil der Künstlichen Intelligenz begreifen? Nein, denn es geht nicht primär um die Modellierung kognitiver Fähigkeiten zum Zweck der datentechnischen Nachahmbarkeit, sondern um den Einsatz datentechnischer Methoden zur erleichterten kognitiven Rezeption externalisierter Information bestehend aus Kontext abhängig modellierten Daten und dafür notwendiger Struktur. In diesem Sinn bleibt die Datentechnik ein Hilfsmittel, das handelnde Subjekt und damit das zu adressierende Objekt bleibt der Mensch, nicht die um kognitive Leistungen zu erweiternde Maschine. So betrachtet würde sich eine Informationswissenschaft eher in der Nähe von Kognitions- und Kommunikationswissenschaft befinden.

Ob sich die beschriebenen Sichten ausschließen oder vereinbaren lassen, wird in der Bestimmung des Verhältnisses zwischen der Informationspraxis und ihrer Basiswissenschaft(en) zu gestalten sein und kann hier nicht abschließend beantwortet werden. Als Konsequenzen des hier entwickelte Ansatz können nur die folgenden Punkte angegeben werden:

–       Wer Wissenserwerb, seine Voraussetzungen und kognitiven Prozesse nicht mit Aufgabenstellungen innerhalb der Informationsbranche in Verbindung bringt, braucht keine Informationswissenschaft.

–       Wer Strukturieren von Information nicht für eine interdisziplinäre Kulturtechnik hält, braucht keine Informationswissenschaft.

–       Wer keine Brücke zwischen kognitiver Verarbeitung von Information und maschineller Prozessierung von Daten schlagen will, braucht keine Informationswissenschaft.

–       Wer die Rezeption von Information aus Daten durch das Sender-Empfänger-Modells beschrieben sieht, braucht keine Informationswissenschaft.

Es kann kein Zweifel bestehen, dass mit dem hier vorgebrachten Vorschlag kein Königsweg beschrieben wird. Es muss noch eine lange Wegstrecke zurückgelegt werden, bevor sich eine Informationswissenschaft im akademischen Raum mit stabiler externer Wertschätzung etablieren kann, die nicht nur Berufseinfädelungs-Dienstleister für Bachelor- und Master-Absolventen ist, die sich vielmehr durch die eigenständige Lösung von Zukunftsfragen auszeichnet oder anderen akademischen Disziplinen ihre Mitarbeit anbieten kann. Am fachlichen Profil sind Veränderungen möglich, wahrscheinlich notwendig. Am Erfordernis einer Qualitätsbestimmung und -sicherung nicht. Reine Programmatik wird nicht ausreichen, sie muss durch die angesprochene Ganzes-Teil-Selbstverpflichtung des Einzelnen und durch Etablieren von Qualitätsstandards in der Infrastruktur unterfüttert werden.

Zum Schluss noch ein hausbackener Wunsch. Um jungen Menschen im Rahmen einer Wissenschaft eine Identifikation zu geben, ist es nie verkehrt, wenn ein intellektuelles Wohlfühlensmoment in der Beschäftigung mit den fachlichen Frage vorhanden ist, mit denen man sich gegen andere abgrenzen oder auch vor anderen behaupten, ggf. angeben kann. So wünschenswert die Einfädelung in ein angemessen bezahltes Berufsverhältnis auch ist, als alleinige und dauerhafte Basis zur Identifikation mit der zugrunde liegenden Basiswissenschaft reicht dies nicht aus.

Prof. Winfried Gödert,winfried.goedert@th-koeln.de

(1) Snow, C.P.:Die zwei Kulturen: Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz – C. P. Snows in der Diskussion. Stuttgart: Klett-Cotta. 1987, S. 16
(2) Eine nützliche Zusammenstellung der verschiedenen Dimensionen des Fortschrittsbegriffs findet man bei: Rapp, F.:Fortschritt: Entwicklung und Sinngehalt einer philosophischen Idee. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1992.
(3) Gödert, W.:Hashtag Erschließung. In: http://eprints.rclis.org/24677/.
(4) Alles Unterstützungskommentare für den Erhalt des Studienangebots Informationswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
(5) Vgl.: https://www.change.org/p/petition-zur-erhaltung-des-studienfaches-informationswissenschaft-an-der-heinrich-heine-universit%C3%A4t-d%C3%BCsseldorf-saveiws/c/383115306.
(6) Michael Klems unter: https://www.password-online.de/saveiws-das-grosse-theater-der-informationswissenschaften-in-duesseldorf/.
(7) Vgl. die DFG-Fachsystematik unter: http://www.dfg.de/dfg_profil/gremien/fachkollegien/faecher/.
(8) Vgl.: https://www.password-online.de/?wysija-page=1&controller=email&action=view&email_id=46&wysijap=subscriptions.
(9) Vgl.: https://www.password-online.de/?wysija-page=1&controller=email&action=view&email_id=46&wysijap=subscriptions.

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