Ein Brief an die Branche von Michael Klems

“Wir schreiben Geschichte” – steht auf dem Bus “Der Mannschaft”. Gemeint ist die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die ihre wahre Geschichte am letzten Mittwoch in Kazan geschrieben hat. Die 0:2-Niederlage gegen die Südkoreaner bedeutete den letzten Platz in der WM-Vorrunde und das vorzeitige Aus. Mittlerweile dürften Sie sich von diesem Schock erholt haben und genießen die phantastischen Spiele dieser Weltmeisterschaft. Spanien gegen Portugal! Frankreich versus Argentinien! Portugal gegen Uruguay! Wunderbar!

 

Doch war der Schock am Mittwoch auch eine Überraschung oder vielmehr eine “Erkenntnis mit Ankündigung”, die auf den scheinbar übermächtigen deutschen Fußball seit längerem zukam? Was lernen wir daraus für Deutschlands fußballerische Zukunft? Suche ich nach Antworten, fallen mir alsbald Parallelen zu den Information Professionals im Angesicht der aktuellen digitalen Herausforderungen ein.

 

Fußball als Parallele für die InfoPros

Erste Parallelen zwischen den Information Professionals und den deutschen Fußball hatten wir bereits 2015 in der Steilvorlagen-Veranstaltung gezogen. Damals referierte Urs Siegenthaler, der Stratege hinter Bundestrainer Joachim Löw, über den Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 und das dahinter stehende Erfolgskonzept des DFB. Aber was im Jahr 2014 vorhanden und zum Sieg wesentlich beitrug, fehlte im Team der deutschen Mannschaft im Weltmeisterschaftsturnier 2018 völlig: Brennen und Leidenschaft für eine Sache, an die man glaubt und für die man sich zu zerrreißen bereit ist. Deses Defizit beschreibt DER SPIEGEL im Beitrag “Die Übermacht der Bequemlichkeit” (1) so:

“Erfahrung allein, das hat diese Gruppenphase gezeigt, reicht nicht mehr aus, wenn auf der gegnerischen Seite Leidenschaft, Schnelligkeit und rasche Auffassungsgabe aufgeboten werden. Diese drei Attribute hatte das DFB-Team in Russland nicht.”

In einem ähnlich interessanten Kommentar hat die FAZ Parallelen zwischen der DFB-Elf und der Deutschen Bank und der Automobilindustrie gezogen (29. Juni, Seite 19). Sie betitelt ihn:

„Selbstherrlichkeit ist der Anfang“ (des Niedergangs, Red.).

Auch die Information Professionals waren einmal die Weltmeister in der digitalen Weltmeisterschaft 1.0. Sie waren die Profis, nur sie konnten mit einer neuen Technologie umgehen und Informationen aus vielen Quellen herbeizaubern. Das mochte die Welt um sie herum begeistern.

 

Aber in das große Turnier „Digitalisierung 4.0“ gehen die InfoPros ähnlich wie die DFB-Elf mit der Einstellung, dass man bereits Weltklasse sei. Wir haben eine gute Ausbildung, sagen sie, wir sind mit guten Tools ausgestattet und haben uns mit Leistungen in der Vergangenheit etabliert. Wir schaffen das.

 

Nehmen Sie die Steilvorlagen-Veranstaltungen als Indikator, wie es in den Vorrundenspielen stand und auf denen wiederholt gezeigt wurde, dass es für die Information Professionals eng werden konnte. Eine ähnliche Situation zeigte sich auch auf Seiten der Informationsanbieter, die auf mehr als zehn Jahre alte Rechnerarchitekturen vertrauten und deren letzte Innovationen sowohl bei den Datenbeständen als auch bei den digitalen Nutzungsmöglichkeiten seit vielen Jahren Vergangenheit sind.

 

Niederlage auf Raten

Die DFB-Elf ist in mehreren erkennbare Schritten ausgeschieden. Bereits vor dem Turnier reihte sich eine Niederlage an die andere, die zugleich eine Aneinanderreihung schlechter Leistungen war. Der Trainer versuchte vor allem, am Bestehenden festzuhalten, während sein uninspiriertes Kollektiv das eine um das andere Mal auf dem Platz scheiterte. In der Informationsbranche sah man zu, wie die Sozialen Medien exponential wuchsen, ohne dass es größere Versuche gab, dieses Feld mit zu besetzen. Seit einiger Zeit gehen angestammte Plätze an innovative Startups und deren Apps verloren. Aktuell scheinen die InfoPros von der Gestaltung des umfassenden Digitalisierungsprozesses, der sich zurzeit in den Unternehmen vollzieht, weitgehend ausgeschlossen. Ist damit das Ausscheiden der Information Professionals aus der Vorrunde besiegelt, so dass sie, auf prekäre Nischentätigkeiten zurückgedrängt, nur mehr in der dritten oder vieren Klasse spielen?

 

 

Aufstehen, Krönchen richten und weiter machen! Mein Kollege und ich zum Umgang mit einer Niederlage im Business

Was tun, DFB? Was tun, Info Pros?

Hektik und Aktivitäten um jeden Preis bringen nichts. Wir müssen nachhaltig handeln und benötigen einen Plan mindestens für die nächsten zwei wenn nicht vier Jahre (bis zur nächsten Europa- bzw. Weltmeisterschaft). Und wir sollten die nachfolgenden Schritte durchlaufen:

Gestehen Sie ihre Niederlage ein

Das Ding ist gelaufen und Sie haben verloren. Erkennen Sie den Sieg des Gegners an und gratulieren Sie der besseren Mannschaft. Sollten Sie der Ansicht sein, dass Sie im Grunde der Bessere waren und zu Unrecht verloren haben, dann irren Sie sich. Schuld haben nicht immer die Anderen, die Rahmenbedingungen und Umstände. Suchen Sie die Fehler, die gemacht worden sind, bei sich selbst. Der Tweet von Mesut Özil (siehe „Post der Woche“) ist ein Paradebeispiel für Selbstmitleid und damit, wie Sie es nicht machen sollten. Durch Selbstmitleid verliert man jede Glaubwürdigkeit und letztendlich jede Unterstützung von außen.

 

Selbstreflektion und Fehleranalyse

Analysieren Sie Ihre Fehler und was Sie trotz allem gut gemacht haben. Gehen Sie also kritisch mit sich um und versuchen Sie, die gemachten Fehler herauszuarbeiten (2). Was ist trotz allem gut gelaufen, was schlecht? Was Sie gut gemacht haben, darauf können Sie in Zukunft vielleicht aufbauen. Ihre Ausbildung, Ihre Erfahrung und Ihre Routinen sind durchaus einiges wert. Warum war der Gegner (der Wettbewerber, der Kollege, der Ihnen bei der Akquisition den einen entscheidenden Schritt voraus war) besser? Scheuen Sie sich nicht, von Ihrer Konkurrenz zu lernen. Und natürlich dürfen Sie Ihre zentralen Fehler nicht noch einmal begehen.

 

Schauen Sie nach Vorne und setzen Sie sich neue Ziele

. Also schauen Sie nach vorn. Setzen Sie sich ein neues Ziel. Es muss realistisch sein, aber auch anspruchsvoll, dass Sie also richtig gefordert werden. Keine Frage, ein langer Weg steht Ihnen bevor. Aber Aufgeben ist keine Option. Dazu sind die Chancen einfach zu gut, um groß herauskommen zu können.

Keine Frage, Sie können Erfolg haben. Sie werden Erfolg haben. Mit der richtigen Herangehensweise und Zielsetzung wird Deutschland 2020 Europameister im Fußball. Wollen wir wetten?

Sportliche Grüße sendet

Michael Klems

 

Links und Verweise

1) Urs Siegenthaler – Intelligence schießt keine Tore – wer dann? https://www.infobroker.de/podcast/2015/10/16/intelligence-schiesst-keine-tore-wer-dann-keynote-urs-siegenthaler/

2) http://www.spiegel.de/sport/fussball/wm-2018-deutschland-aus-die-uebermacht-der-bequemlichkeit-a-1215397.html

3) http://www.sueddeutsche.de/sport/kommentar-zum-wm-aus-loew-hat-die-laessigkeit-vorgelebt-1.4033568

 

Hinweis zu diesem Beitrag
Dieser Beitrag ist am 02.07.2018 im Pushdienst von Open Password erschienen. Regelmässig jeden Montag schreibe ich in der Montagsausgabe des Pushdienstes einen Brief an die Branche der Information Professionals. Sie könnend en Pushdienst kostenfrei beziehen.